Neue alte FDJ

Liebknecht-Luxemburg-Demonstration am 12. 1. 2020
Foto: Matthias Sengewald

Durch eher skurrile Auftritte in Zwickau, Jena und Erfurt machte in letzter Zeit die FDJ von sich Reden, wie in unserem News-Block nachlesbar. Wie eine DDR-Trachtengruppe führte sie im gewohnten Blauhemd mit wehenden Fahne Aufmärsche durch. Passanten, gelernte DDR- Bürger, zeigten sich mehrheitlich befremdet. Dabei versuchte sich die neue Freie Deutsche Jugend mit markiger Kritik an den sozialen Verwerfungen der Deutschen Einheit, die als die „Bestie“ des Imperialismus mit „Raub“ die DDR „annektierte“1, bei den Ostdeutschen einzukratzen. Doch der Werbefeldzug für die Rolle rückwärts, der offenbar stark von Teilnehmern aus westlichen Bundesländern geprägt war, fiel bei den Beobachtern, die die DDR noch kennen, kaum auf fruchtbaren Boden. Zu weltfremd der Slogan: „ 30 Jahre sind genug! Revolution und Sozialismus!“ Schon 2018 hieß es gewaltbejahend: „Die Revolution wird unter Führung der kommunistischen Partei den Annektierern das Genick brechen.“ In der Presse wird als Ziel der Organisation aktuell der Pressesprecher, Jan Haas, zitiert: "Sturz der Regierung und früher oder später im Kampf, im Streik, in der Organisierung die Errichtung eines sozialistischen Sowjetstaates!"2 Wiewohl kabarettreif, harmlos klingt das nicht.

Wo genau die FDJ ihre Wurzeln hat, ist schwer nachzuvollziehen. Die Selbstbeschreibung behauptet Kontinuität. „Wer uns für verschwunden dachte, dem sei im Klaren, dass wir nie gegangen sind“. Die FDJ firmiert zwar in der Parteizentrale der Linkspartei im Karl-Liebknecht-Haus in Berlin Mitte. Doch die Partei will zumindest offiziell nichts mit ihr zu tun haben. Trotz der Berliner Geschäftsadresse in Berlin,3 ist die FDJ im Berliner Vereinsregister nicht ausgewiesen. Das war zu DDR-Zeiten noch anders. In den windig-wendigen Zeiten fiel die FDJ im Registergericht auch durch GmbH-Gründungen auf. Als mehrere Finanzjongleure aus den eigenen Reihen versuchten aus Jugendvermögen privatwirtschaftliches Vermögen zu machen. Statt eines ordentlichen Vereinsnachweises tritt nach außen auch nur ein Förderverein in Erscheinung, der der ominösen FDJ Finanzen zuschustern will. Als Fördermitglied wird u.a. Ellen Brombacher genannt, die einst für die SED-Bezirksleitung den Berliner Kulturbetrieb kontrollierte und anleitete; ebenfalls als Förderer genannt, der Linkspartei Ehrenvorsitzender Hans Modrow. Beide begannen ihre Karriere in der historischen FDJ. Diese wird auf der Internetseite der heutigen FDJ als antifaschistisches Bündnis verkitscht. Unbestreitbar wurde die alte FDJ 1936 im Exil gegründet, um ein breites Bündnis gegen die Nazis aufzubauen. Doch wie meist bei kommunistischen Bündnisstrategien dominierte schließlich nur die deutsche kommunistische Partei, bzw. später die SED. Bei der Gründung der FDJ 1946 wurde sie noch als offen für Jugendliche verschiedener Anschauungen dargestellt, Vertreter der katholischen und der evangelischen Jugend unterschrieben den Gründungsaufruf. Doch bald wurde der Alleinvertretungsanspruch und der dominante SED-Einfluss deutlich. Schon 1947 ist die Zusammenarbeit am Ende.4  Nicht zufällig fallen viele Konflikte und Fluchten von kirchlich orientierten Jugendlichen in diese Zeit. Die FDJ sollte die Jugendlichen der DDR in ihrem Sinne ideologisch und erzieherisch beeinflussen, ihr Spitzenpersonal war durch die Partei ausgewählt. Sie galten als Kaderreserve für die Staatspartei. Erich Honecker wie Egon Krenz waren vor ihrer SED-Karriere FDJ-Vorsitzende. Staatliche Einrichtungen wie Jugendzentren wurden im Interesse des Staates von der FDJ angeleitet. Mit sozialintegrativen Maßnahmen, wie dem Reiseunternehmen Jugendtourist, die für Ausgewählte später selbst Westreisen im Angebot hatte, versuchte die FDJ auch unpolitische Jugendliche zu binden. Das Geld stammte überwiegend aus dem Staatshaushalt, weswegen das FDJ-Vermögen nach 1990 auch zeitweise unter Treuhandverwaltung gestellt wurde.

Der Monopolanspruch der FDJ war 1989/90 einer der Kritikpunkte vor allem in den Bildungseinrichtungen der DDR und am Runden Tisch der Jugend. Doch von kritischer Rückschau scheint die neue FDJ nichts zu halten. Die DDR war Idylle: „40 Jahre Friedenskraft gegen deutsche Allmachtsphantasien.... Vita Cola und Spreewald Gurken statt Fritzs Sauerkraut mit völkischer Bratwurst, Krause statt Krupp.“5 Ausweislich ihrer Internetseite frönt sie eher einem ideologischen Mummenschanz jeseits der Linkspartei. Entstalinisierungsdiskussionen ob in der Sowjetunion, in Russland oder in Deutschland, scheinen an dieser Historientruppe vorüber gegangen zu sein. Sie pflegt eine vollkommen unkritische Verehrung der russischen Oktoberrevolution. Sie sei die „Zukunft der Jugendlichen“6 Doch mit einem Weltjugendtreffen im gelobten Land mochte sich die deutsche FDJ nicht anfreunden, das heutige Russland sei ihr zu revisionistisch. CB

 

1 https://www.fdj.de/startseite.html (Zugriff 17.7.2020)

2 https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/verherrlichung-der-ddr-die-fdj-ist-zurueck,S51ZrsV (Zugriff 31.7.2020)

3https://www.fdj.de/startseite.html (Zugriff 17.7.2020)

4 Mählert, Ulrich. Die frie Deutsche Jugend von 1945-1949. Paderborn [u.a.] 1995, S. 316; Dorgeloh, Fritz. Geschichte der evangelischen Jugendarbeit.Hannover 1999, S.39

5https://www.fdj.de/nachricht-details/zum-67-jahrestag-der-deutsch-demokratischen-republik.html (Zugriff am 17.7.2020)

6 https://www.fdj.de/files/fdj-website-2015/website-inhalte/Internationales/Startseite/2017-10_Erklaerung%20zu%20Sotschi%20Okt%202017/100years_engl.pdf (Zugriff am 17.7.2020)