Diskussionsbeitrag: Linksextremismus gestern und heute: Was hat das mit dem SED-Staat zu tun?

Gerold Hildebrand

Betrachtet man die verflossene DDR vor der Folie des politischen Extremismus, so lassen sich verschiedene Fragestellungen ableiten:

  1. Wie war das politische System der DDR ausgeprägt – und wer bestimmte es? 
  2. Was ist politischer Extremismus, was kennzeichnet ihn und (2.1.) welche spezifischen Merkmale treffen auf den Linksextremismus zu?
  3. Welche Merkmale treffen auf den Hauptakteur bei der Gestaltung des politischen Systems in der DDR zu?
  4. Gab es Verflechtungen und eine Zusammenarbeit der politikgestaltenden Hauptakteure mit anderen linksextremen Akteuren?
  5. Welche linksextremistischen Hypotheken ragen in die Gegenwart hinein? (5.1.) Wie geht die ehemals herrschende Partei mit ihrer Vergangenheit und ideologischen Prägung um? (5.2.) Bleiben Spuren der Indoktrination in der Bevölkerung?

 

Eine ausführliche Analyse der aufgeworfenen Fragen würde diesen Rahmen sprengen. Es werden daher lediglich schlaglichtartig bestimmte Zusammenhänge aufgezeigt, um zu betonen, dass für eine präventive Extremismusabwehr Kenntnisse über die Herrschaftspraxis und die Auseinandersetzung mit den ideologischen Traditionen der Kommunisten ebenso unabdingbar sind wie sie es bezüglich der Nationalsozialisten sind. Dies ist nicht nur eine Aufgabe für den Geschichtsunterricht.

Der umfangreiche Anmerkungsapparat soll nicht nur Behauptungen faktisch belegen, sondern auch zur weiterführenden Beschäftigung mit einzelnen Aspekten anregen. Abgerufen wurden die Internetlinks im August 2020.

1. Wie war das politische System der DDR ausgeprägt – und wer bestimmte es?

Die DDR war keine Demokratie, sondern eine kommunistische Diktatur. Politischer Hauptakteur war die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), die einen totalitären Herrschaftsanspruch erhob. Nur die Existenz der Kirchen und die der Bundesrepublik bremsten das angestrebte totale Informationsmonopol der Staatspartei.

Die Selbstbezeichnung „DDR“ des SED-Staats sollte vorspiegeln, er stünde in einer demokratischen Tradition. Schon der Name war eine arglistige Täuschung (Fake), denn die sogenannte „Deutsche Demokratische Republik“ war weder eine deutsche Republik, sondern ein politisch von der Sowjetunion vollkommen abhängiger kommunistischer Staat, noch gar demokratisch verfasst und vom Volkssouverän gesteuert, sondern eindeutig eine Diktatur – ohne praktizierbare Bürger- und Beteiligungsrechte, ohne individuelle Freiheit und ohne Rechtsstaatlichkeit. Politikbestimmend war bis 1989 die seit 1946 aus der tödlichen Umarmung der SPD durch die KPD hervorgegangene SED, in der fürderhin die Kommunisten das keine Widerrede duldende Sagen hatten. Das politische System der unter Stalin geformten neuen Herrscher im ostdeutschen Teilstaat war von Beginn an auf Lügengebäuden errichtet.[1]

Sprachumdeutungen und Geschichtsfälschungen waren an der Tagesordnung. Den ideologischen Vorgaben gemäß wurde eine „sozialistische Demokratie“ konstruiert – in Abgrenzung zur freiheitlichen „bürgerlichen“ Demokratie, deren zunehmendes Gelingen durch Berichterstattungen in mauerüberwindenden elektronischen Medien des westlichen Teils Deutschlands den DDR-Insassen nicht unverborgen blieb.

Die DDR-Bürger waren einer durchgehenden ideologischen Indoktrination ausgesetzt, angefangen im Kindergarten über die Schule, die Berufsausbildung und das Studium, den Armeedienst und sogar in der Arbeitswelt. Hier wurde Unterordnung unter die marxistisch-leninistische Doktrin verlangt statt Freiheit, Selbstbestimmung, Individualität und tätige Eigenverantwortung zu fördern oder überhaupt zu ermöglichen. Oberstes Erziehungsziel waren Gefolgschaftserzeugung und die Rekrutierung für die vorgesehenen Funktionen in der „sozialistischen Menschengemeinschaft“. Agitation und Propaganda waren allgegenwärtig. Pluralismus, Meinungsfreiheit und Meinungsstreit wurden unterdrückt.

Freiheit galt den Marxisten-Leninisten der SED als „Einsicht in die Notwendigkeit“, etwa nach dem Motto „Ich liebe doch alle, alle Menschen - und bist du nicht einsichtig, so brauch‘ ich Gewalt“. Mielke, Meister der Angst als Erlkönig? Doch das „Schild und Schwert der Partei“, die Stasi, bescherte den Insassen der DDR nicht nur so manchen Alptraum. Die Schicksale der aus politischen Gründen Inhaftierten, aus Bildungs- und Berufskarrieren Ausgesonderten und aus dem Land Getriebenen zeugen von der Gewaltherrschaft und der Verhinderung eines selbstbestimmten Lebens. Demokratische politische Teilhabe und Mitgestaltung wurden permanent verwehrt. Wer solcherlei einforderte, galt als zu liquidierende „feindlich-negative Kraft“, was dem SED-Untertan eine operative Bearbeitung als politischer Delinquent durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) eintrug.

Aber waren die führenden SED-Genossen deshalb auch linksextrem? Dafür müssen zunächst die Begriffe politischer Extremismus und Linksextremismus näher bestimmt werden.

 


[1] Vgl. Jörg Baberowski: Die „Moskauer“. Wenn Lügen überlebenswichtig wird, in: FAZ vom 18.06.2019. https://www.faz.net/aktuell/politik/politische-buecher/rueckblick-auf-die-ddr-gruender-und-sowjetisches-exil-16230288.html

2. Was ist politischer Extremismus und was kennzeichnet ihn?

Die Begriffe Extremismus – und Linksextremismus – beziehen sich normativ auf die Werte und Regeln von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, wie sie durch die freiheitlich-demokratische Grundordnung als zielbestimmendes Ideal für die Staatsbürgergesellschaft vorgegeben sind. Links- und Rechtsextremisten sowie religiös motivierte politische Extremisten unterscheiden sich zwar hinsichtlich ihrer Ziele, Utopien und Motive erheblich, weisen allerdings strukturelle Gemeinsamkeiten bezüglich ihrer politischen Auffassungen und Handlungsweisen auf, die gegen Demokratie und Menschenrechte gerichtet sind. Von ihren Gedankengebäuden sind sie so besessen, dass ihnen jedes Mittel zur Durchsetzung ihrer Überzeugungen recht ist. Sie lehnen alle eine an Freiheit und Demokratie gebundene politische und ökonomische Ordnung fundamental ab und setzen sich agitatorisch und kämpferisch für deren Überwindung ein. Wir haben es also mit einer ausgeprägten Demokratiefeindschaft zu tun. Im Grundgesetz verbriefte Freiheitsrechte sollen nur für Auserwählte Gültigkeit besitzen und nicht für alle Bürgerinnen und Bürger – auch strikt andersdenkende[1] – gleichermaßen gelten. Verfassungswerte wie Freiheits- und Menschenrechte, Pluralismus, Gewaltenteilung, das Recht auf politische Opposition und damit verbundene Chancengleichheit sowie Rechtsstaatlichkeit lehnen Extremisten ebenso ab wie das Gewaltmonopol des demokratischen Verfassungsstaates. Extremistisches Handeln ist somit schlicht verfassungswidrig, wozu insbesondere die politisch motivierte Kriminalität in Form von Gewalt gegen Personen und „Sachen“ zählt. In Betracht zu ziehen sind zudem motivierende und rekrutierende Sympathisantennetzwerke und diverse Vorfeld-Organisationen, die ohne offene Gewalt agieren, diese aber rechtfertigen, umdeuten oder verharmlosen.

Doch woran misst man nun Extremismus konkret? Alle drei Hauptformen des Extremismus haben vier wesentliche Merkmale gemein: Eine dogmatische Ideologie bzw. Weltdeutung mit absolutem Wahrheitsanspruch, aus der sich Feindbilder ableiten. Das impliziert im Kommunikationsverhalten Kompromissunfähigkeit und Dialogverweigerung– statt einer argumentgestützten Debatte werden Agitation und Propaganda präferiert. Gewaltbereitschaft wird bei der Durchsetzung politischer Ziele nicht ausgeschlossen, wenn auch Gewalt zuweilen situationsabhängig und taktisch eingesetzt wird bzw. „nur“ zu Gewalttaten aufgerufen wird.[2] Uniformierungen und Symbole spielen eine untergeordnete Rolle, am Outfit sind Extremisten immer seltener zu erkennen. Allerdings ist wiederholt ein auf die jeweilige ideologische Prägung und Traditionspflege bezogener agitatorischer Geschichtsrevisionismus festzustellen. In rechtsextremen Milieus erfolgt oftmals eine Relativierung des Holocaust, linksextreme Akteure verharmlosen oder leugnen den Diktatur- und Unrechtscharakter des SED-Staats und anderer kommunistischer Diktaturen. Islamisten dulden keine Kritik an ihrem Religionsführer Mohammed, nicht einmal humoristische.

Wesentlicher aber ist: Extremisten verwenden antidemokratische und gewaltförmige Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele und stellen die Spielregeln und Aushandlungsprozesse demokratischer Partizipation in Frage.[3] Der anarchistische Spruch an einer Hauswand in der Neuköllner Weisestraße nahe des kürzlich geräumten „Syndikats“[4] bringt die grundsätzliche Demokratieskepsis auf den Punkt: „Wahlen ändern nichts sonst wären sie verboten“.[5]

Der Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn bestimmt als „zentrale Kategorie“ die „Differenzierung zwischen Pluralismus und Monismus, von der aus eine antiplurale und monistische Weltanschauung als Kennzeichen von Extremismus interpretiert wird.“[6]

Der Philosoph Sir Karl Popper verdeutlichte diesbezüglich: „Unser Stolz sollte es sein, dass wir nicht eine Idee haben, sondern viele Ideen, gute und schlechte; dass wir nicht einen Glauben haben, nicht eine Religion, sondern viele, gute und schlechte. Es ist ein Zeichen der überragenden Kraft des Westens, dass wir uns das leisten können. Die Einigung des Westens auf eine Idee, auf einen Glauben, auf eine Religion wäre das Ende des Westens, unsere Kapitulation, unsere bedingungslose Unterwerfung unter die totalitäre Idee.“[7]

Popper formulierte auch das mit dem Pluralismus verbundene Toleranz-Paradoxon bezüglich des Umgangs mit intoleranten Extremisten, das hier ausführlicher zitiert werden soll: „Weniger bekannt ist das Paradoxon der Toleranz: Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden von Toleranz. Denn wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranten zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.
Damit möchte ich nicht sagen, dass wir z.B. intolerante Philosophien auf jeden Fall gewaltsam unterdrücken sollten; solange wir ihnen durch rationale Argumente beikommen können und solange wir sie durch die öffentliche Meinung in Schranken halten können, wäre ihre Unterdrückung sicher höchst unvernünftig. Aber wir sollten für uns das Recht in Anspruch nehmen, sie, wenn nötig, mit Gewalt zu unterdrücken, denn es kann sich leicht herausstellen, dass ihre Vertreter nicht bereit sind, mit uns auf der Ebene rationaler Diskussion zusammenzutreffen, und beginnen, das Argumentieren als solches zu verwerfen; sie können ihren Anhängern verbieten, auf rationale Argumente – die sie ein Täuschungsmanöver nennen – zu hören, und sie werden ihnen vielleicht den Rat geben, Argumente mit Fäusten und Pistolen zu beantworten.
Wir sollten daher im Namen der Toleranz das Recht für uns in Anspruch nehmen, die Unduldsamen nicht zu dulden. Wir sollten geltend machen, dass sich jede Bewegung, die die Intoleranz predigt, außerhalb des Gesetzes stellt, und wir sollten eine Aufforderung zur Intoleranz und Verfolgung als ebenso verbrecherisch behandeln wie eine Aufforderung zum Mord, zum Raub oder zur Wiedereinführung des Sklavenhandels.“[8]

Auf Popper beruft sich auch Joachim Gauck, der sich vor dem Hintergrund gegenwärtiger politischer Entwicklungslinien in Staat und Gesellschaft eingehend mit dem Toleranzbegriff auseinandergesetzt hat.[9] „Ich trete ein für mehr Toleranz in alle Richtungen. Die offene Gesellschaft ist keine gereinigte Gesellschaft, in der nur noch die Edlen und die Guten alleine vorkommen“, sagte Gauck dem Tagesspiegel.[10] Man könne in einer offenen Gesellschaft mit unterschiedlichsten Meinungen nicht alles akzeptieren, so Gauck. „Aber nicht alles, was wir nicht akzeptieren, ist deshalb gleich verfassungsfeindlich. … Wenn die demokratische Mitte Reizthemen meidet, werden diese an den politischen Rändern zu Hauptthemen.“ Gauck blickt dabei kritisch auf den gesellschaftlichen Diskurs: „Auch Linksliberale müssen Toleranz für Andersdenke lernen.“[11]

Die Grenze der Toleranz zieht er bezüglich des Linksextremismus so: „Militante auch auf Seiten der Linken sind zu bestrafen. Toleranz kann es in einer offenen, demokratischen Gesellschaft auch für Gewalt von radikalen Linken[12] nicht geben. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich nicht für Toleranz gegenüber kommunistischen Ideen plädiere, auch wenn ich sie für falsch und schädlich halte.“[13]

Gaucks Analyse verdeutlicht, dass in einer pluralistischen Demokratie alles, was nicht gegen die Gesetze und das Grundgesetz verstößt, ausgehalten, ja ertragen werden muss. „Toleranz ist manchmal eine Zumutung.“ Für die Sanktionierung von Hass oder Diskriminierung ist die Justiz zuständig und es darf keine Selbstjustiz sich berufen Fühlender geben. Gegenüber den Feinden von Demokratie, die Hass verbreiten, ist jedoch keine beliebige Toleranz angezeigt: „Der Tolerante muss auch entschlossen intolerant sein können.“[14]

Extremisten muss also auf die Finger geschaut werden und durchaus dürfen entsprechende Parteien, Gruppierungen und Personen beobachtet, benannt und in ihrem Aktionsradius eingeschränkt werden oder politischer Vergünstigungen (Gemeinnützigkeit, Parteienstatus) verlustig gehen. Aus der Erfahrung der nationalsozialistischen Machtergreifung mittels demokratischer Wahlen hatten die Sozialwissenschaftler Karl Loewenstein und Karl Mannheim das heute noch tragende Konzept der „wehrhaften Demokratie“ entwickelt.[15] Denn: Demokratiefeinde nutzen immer wieder die Demokratie dazu, sie auszuhöhlen, um sie letztlich abschaffen zu können.

Prävention ist in diesem Zusammenhang eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, denn den Extremisten aller Couleur geht es darum, Gefolgschaft - vornehmlich unter Orientierung suchenden Heranwachsenden - zu rekrutieren. Dies geschieht zunehmend über Propaganda im Internet und in sozialen Medien, wo für Kampagnen mobilisiert wird, „feindliche“ Angriffsziele benannt oder gar handfeste Gewaltaufrufe platziert werden. Bei der Präventionsarbeit geht es zunächst darum, Grundlagen der Demokratie zu vermitteln sowie für eine gewaltfreie Konfliktbearbeitung und die Akzeptanzbereitschaft für in demokratischen Abstimmungsprozessen gewonnene Mehrheitsentscheidungen zu werben. Letztlich soll eine Sensibilisierung und Immunisierung erreicht werden gegenüber Rekrutierungsbestrebungen politischer Extremisten jeglicher Ausrichtung, die stets eine ideale Zukunft verheißen. Orientierungshilfen können dabei auch Gedenkstätten anbieten, die nationalsozialistisches oder kommunistisches Unrecht thematisieren. Dabei sind klare Definitionen und Differenzierungen geboten.

Um die fließenden Grenzen der Toleranz deutlicher bestimmen zu können und der Dynamik gesellschaftlicher Entwicklungen Rechnung zu tragen, ist eine Differenzierung in demokratieförmiges, radikales und extremistisches Handeln praxistauglicher. Im Unterschied zu extremistischen Einstellungen und Verhaltensweisen ist Radikalismus nicht auf die Beseitigung der Demokratie ausgerichtet. Extremisten möchten das demokratische politische und gesellschaftliche System „überwinden“, um eine neue Ordnung zu errichten. Radikale hingegen stellen demokratische Grundsätze nicht in Frage, sondern wollen punktuelle politische Veränderungen erreichen.[16] Eine grundsätzliche Kompromissbereitschaft, Konfliktfähigkeit sowie Respekt und Toleranz gegenüber dem politischen Gegner können dazu führen, dass neue radikale Ideen in den politischen Entscheidungsfindungsprozess durch Kompromissfindung integriert werden. Radikale Meinungsäußerungen und Forderungen führen somit zu Wandlungsprozessen, welche in einer Demokratie (im Gegensatz zu einer Diktatur) durchaus möglich sind. Extremismus und Radikalismus unterscheiden sich nicht nur in ihren Zielen, sondern auch in der Wahl der Mittel zu deren Durchsetzung. Während Gewalt gegen Personen und Sachbeschädigungen abgelehnt und vermieden werden, zählen zum Teil Aktionen des zivilen Ungehorsams wie etwa Blockaden oder Hausfriedensbruch zum radikalen Handlungsrepertoire. Die Akteure verstoßen hierbei bewusst und temporär gegen Gesetze und nehmen die juristischen Konsequenzen in Kauf (z.B. Aktionen von Greenpeace). Bestimmte Erscheinungsformen wie Sitzblockaden sind nicht von Sanktionen befreit, wenn sie mittels Nötigung die Rechte Dritter einschränken oder verletzen. Wird das Rechtsstaatsprinzip, die Gleichheit vor dem Gesetz, in Frage gestellt und werden für das eigene Klientel Sonderrechte eingefordert oder gar schon praktiziert und Ausgrenzungen Andersdenkender und Andershandelnder betrieben, ist die Schwelle zum Extremismus bereits überschritten. Wer zudem Mittel einsetzt, die „das Leben, die Freiheit und die Menschenrechte von anderen beeinträchtigen oder aufs Spiel setzen, der ist […] ein Extremist – ganz egal, welche Ziele er oder sie damit verfolgt.“[17]

Problematisch ist, dass Radikalisierungsprozesse vom Radikalismus über den Extremismus bis hin zum Terrorismus führen können, wobei die Stufenfolge nicht zwangsläufig ist – wie manche Biografien von Tätern nachträglich zeigen, die vor entsprechenden Gewalthandlungen keine oder kaum auffallende Anzeichen für eine Radikalisierung sichtbar werden ließen.

Aktuelle Zahlen des jüngsten Verfassungsschutzberichts belegen, dass nicht nur der Rechtsextremismus, sondern auch Linksextremismus und religiös motivierter Extremismus nach wie vor eine zunehmende Gefahr für das friedliche Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft sind.[18]

Das BKA registrierte für das Jahr 2019 insgesamt 41.177 (2018: 36.062) politisch motivierte Straftaten. Davon sind 16.182 (39,3 %) Propagandadelikte (2018: 14.088 Delikte = 39,1 %). 2.832 Straftaten (6,9 %) sind der politisch motivierten Gewaltkriminalität zuzuordnen (2018: 3.366 = 9,3 %).

 


[1] Siehe dazu die  aktuelle Debatte um das Versammlungsrecht und die Einhaltung pandemiebedingter Auflagen: https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/demo-verbot-in-berlin-angriff-auf-eines-unserer-hoechsten-grundrechte-72580918.bild.html / https://www.deutschlandfunkkultur.de/pro-und-contra-demonstrationsverbot-die-grundrechte-der.2165.de.html?dram:article_id=483066 / https://www.dw.com/de/kommentar-kein-demonstrationsverbot-f%C3%BCr-corona-leugner/a-54417574

[2] Vgl. Rudolf van Hüllen: Definition und Dimension, Erscheinungsformen und Kernaussagen des Linksextremismus. Überlegungen zur Prävention von Linksextremismus (Teil 1), Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Sankt Augustin/Berlin (2012).

[3] Vgl. Samuel Salzborn: Extremismus und Geschichtspolitik, in: Jahrbuch für Politik und Geschichte 2 (2011), S. 13–25, hier S. 14.

[4] https://www.welt.de/politik/deutschland/article214179630/Syndikat-in-Berlin-Angreifer-klappten-Visier-des-Polizisten-hoch-Angriff-mit-Flasche.html

[5] https://www.tagesspiegel.de/meinung/bundestagswahl-nichtwaehler-handeln-demokratisch-verantwortungslos/8464698.html

[6] Samuel Salzborn: Extremismus und Geschichtspolitik, in: Jahrbuch für Politik und Geschichte 2 (2011), S. 13–25, hier S. 17.

[7] Zitiert nach Claus Leggewie: Nachzügler Ost?, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 28.01.2007. https://www.genios.de/presse-archiv/inhalt/FAS/20070128/1/frankfurter-allgemeine-sonntagszeitung.html

[8] Karl R. Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde (Band 1). 7. Auflage. Tübingen: Mohr Siebeck 1992. S. 333.

[9] Joachim Gauck / Helga Hirsch: Toleranz – einfach schwer. Freiburg: Herder 2019. ISBN: 978-3-451-38324-3.

[10] Stephan-Andreas Casdorff, Paul Starzmann, Cordula Eubel: Ex-Bundespräsident Gauck zu Meinungsfreiheit „Toleranz darf nicht nur jenen gelten, die wir mögen“, in: Der Tagesspiegel vom 02.11.2019. https://www.tagesspiegel.de/politik/ex-bundespraesident-gauck-zu-meinungsfreiheit-toleranz-darf-nicht-nur-jenen-gelten-die-wir-moegen/25182512.html

[11] in: Der Tagesspiegel vom 27.09.2019. https://m.tagesspiegel.de/politik/gauck-kritisiert-gesellschaftlichen-diskurs-auch-linksliberale-muessen-toleranz-fuer-andersdenke-lernen/25062284.html

[12] Der Autor würde hier eher von extremistischen Linken sprechen: Wer Gewalt anwendet, ist nicht mehr nur radikal sondern bereits Extremist. Siehe dazu weiter unten.

[13] Joachim Gauck / Helga Hirsch: Toleranz – einfach schwer. Freiburg: Herder 2019. S. 120.

[14] Vgl. https://mobil.stern.de/amp/politik/deutschland/joachim-gauck--so-erklaert-er-sein-plaedoyer-fuer-mehr-toleranz-fuer-rechts-8763504.html

[15] Niederschlag gefunden hat das Konzept in der „Ewigkeitsklausel“ des Grundgesetzes, vgl. https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-junge-politik-lexikon/161075/ewigkeitsklausel

[16] Vgl. Klaus Schroeder / Monika Deutz-Schroeder: Gegen Staat und Kapital – für die Revolution! Linksextremismus in Deutschland – eine empirische Studie. Frankfurt am Main 2015. S. 248 ff.

[17] Peter Neumann: Radikalisierung, Deradikalisierung und Extremismus. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, Nr. 29-31/2013 vom 9. Juli 2013 (Deradikalisierung), Bonn, S. 3–10, hier S. 4.

[18] https://www.verfassungsschutz.de/embed/vsbericht-2019.pdf / https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/alexander-wallasch-heute/verfassungsschutzbericht-2019-instrumentalisierter-denn-je/

PMK[1] li = Politisch motivierte Kriminalität links

PMK re = Politisch motivierte Kriminalität rechts

LiEx = Linksextremisten

ReEx = Rechtsextremisten

Quelle: https://www.verfassungsschutz.de/embed/vsbericht-2019.pdf


[1] Landfriedensbruch, Köperverletzung, Brandstiftungen ... Was verrät die PMK? https://www.bpb.de/301571/b2-was-verraet-die-pmk

2.1. Welche spezifischen Merkmale treffen auf den Linksextremismus zu?

Linksextremismus ist ein Sammelbegriff für politische Strömungen und Auffassungen mit dem gemeinsamen theoretischen Ziel eines politischen Systems absoluter sozialer Gleichheit (und nicht etwa einer Gleichheit vor dem Gesetz, wie sie als Erbe der französischen Revolution in einer freiheitlichen Demokratie verankert ist). Er zielt auf einen politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Systemwechsel, der durch einen revolutionären Umsturz bzw. eine schrittweise hegemoniale Machtergreifung durch Umdeutungsprozesse und vehemente Einflussnahme auf den öffentlichen Diskurs erreicht werden soll. Gewaltsame Unterdrückung und Einschränkung von Menschenrechten Andersdenkender werden dabei nicht ausgeschlossen. Normen und Regeln des demokratischen Verfassungsstaates sowie die als „Kapitalismus“ denunzierte von Angebot und Nachfrage, Recht auf Eigentum aber auch Sozialgesetzgebung und kartellrechtlichen Gesetzen bestimmten soziale Marktwirtschaft werden abgelehnt. Die Demokratie wird als nicht reformierbar betrachtet. Gewalt wird zur Durchsetzung politischer Ziele akzeptiert, propagiert oder praktiziert und das staatliche Gewaltmonopol missachtet. Diese linke Militanz wird vor allem von anarchistisch geprägten Autonomen betrieben.

Das spezifische Handeln von Linksextremisten leitet sich von zwei ideologischen Hauptströmungen ab. Einerseits von der monistischen Welterklärungslehre des Marxismus-Leninismus, der auf eine absolut gesetzte Gleichheit zielt und eine gegen die freie Entfaltung des einzelnen Bürgers gerichtete gewaltsame soziale und ideologische Homogenisierung und Kollektivierung anstrebt. Stalinismus, Trotzkismus und Maoismus wie auch das kambodschanische Pol-Pot-Regime und der wirkmächtige kommunistisch-anarchistische Guerillero Che Guevara stehen in dieser Tradition. Als zweite Hauptströmung ist hier der Anarchismus zu nennen mit seinem Ziel einer „herrschaftsfreien Gesellschaft“, seiner Ablehnung des demokratischen Rechtsstaates und seiner ausgeprägten Nichtanerkennung des staatlichen Gewaltmonopols.[1]

Revolutionäre Marxisten und militante Anarchisten streben zwar eine ähnlich geartete kommunistische Gesellschaftsutopie ohne Privatbesitz, Pluralismus und Vielfalt an, der Weg dorthin ist in der Theorie jedoch unterschiedlich vorgegeben. Streben dogmatische Marxisten zunächst eine Diktatur des Proletariats an, so wollen Anarchisten zuerst den Staat abschaffen. „Antikapitalismus“ und (hauptsächlich nach 1945[2]) „Antifaschismus“ sowie Antipluralismus sind dabei gemeinsame Überzeugungs- und Aktionsfelder. Aus der Ideologie werden klare Feindbilder abgeleitet: „die Reichen“, „die Rechten“, wahlweise auch mal „die Weißen“ oder „die Alten“, Vertreter des Staates und alle, die das „richtige Klassenbewusstsein“ vermissen lassen und anderer Meinung sind.

Linksextreme postulieren, die absolute soziale Gleichheit aller Menschen erreichen und sich für Benachteiligte einsetzen zu wollen. Dies ist zunächst kein Extremismus-Merkmal. Sie wenden dabei jedoch Methoden und Mittel an, die sich „gegen die Normen und Regeln eines modernen demokratischen Verfassungsstaates“ richten.[3] Linksextremismus ist also eine „Sammelbezeichnung für alle politischen Auffassungen und Bestrebungen, die im Namen der Forderung nach einer von sozialer Gleichheit geprägten Gesellschaftsordnung die Normen und Regeln eines modernen demokratischen Verfassungsstaates grundsätzlich ablehnen und diesen für nicht reformierbar halten.“[4]

Der Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber weist dezidiert darauf hin, dass in der Extremismusforschung „von einer Gleichsetzung von Extremismus und Gesellschaftskritik gerade nicht gesprochen werden kann.“[5] In der öffentlichen Wahrnehmung wird Linksextremisten jedoch häufig unterstellt, sie wöllten ja nur einem wie auch immer gearteten „gesellschaftlichen Fortschritt“ dienen und am Ende nur „das Gute“ für alle Menschen.[6] Die kritische Hinterfragung politischer Entscheidungen und Verhältnisse gehört zwingend zu einer partizipatorischen Demokratie, mündige Bürger sind durchaus zu wacher Gesellschaftskritik angehalten, die auch neue Fragestellungen aufwirft und zu Gehör bringen will. Radikalität und Extremismus sind aber eben nicht deckungsgleich. So ist auf der linken genauso wie auf der rechten Seite des pluralistischen politischen Spektrums zu unterscheiden zwischen demokratie- und rechtsstaatskonformen (Linke und Rechte), radikalen (Links- und Rechtsradikale) und schließlich extremistischen Akteuren. Ein demokratischer Rechter ist kein Rechtsextremist und kein demokratischer Linker ein Linksextremist, beide Ausprägungen, „links“ und „rechts“, verstanden als rechtsstaatskonform und verfassungstreu, gehören zu einer pluralistischen Demokratie. Leider ist der Sprachgebrauch diesbezüglich häufig interessegeleitet unsauber. Umgangssprachlich wird eher in eine extreme und eine gemäßigte „Linke“ und „Rechte“ unterteilt bzw. „rechts“ mit rechtsextrem gleichgesetzt. Auch Selbstzuschreibungen verdunkeln gern den wahren Kern: So bezeichnen sich militante (autonome) Linksextremisten häufig lediglich als „Radikale Linke“, denn als Extremisten wollen sie nicht gelten. Oder aber es wird versucht, den Begriff „linksextrem“ zu delegitimieren.[7]

 


[1] Rudolf van Hüllen: Welche Fernziele verfolgen Linksextremisten?, in: www.kas.de/web/linksextremismus, URL:https://www.kas.de/web/linksextremismus/welche-ziele-verfolgen-linksextremisten- [eingesehen am 28.06.2019].
Armin Pfahl-Traughber (Hg.): Linksextremismus in Deutschland. Eine kritische Bestandsaufnahme. Brühl 2014.

[2] Allerdings gab es bereits Ende der 1920er Jahren die „Sozialfaschismus“-These der Kommunisten, die sich gegen Sozialdemokraten richtete. Vgl. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/innenpolitik/kpd Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an den Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August 1939. Vgl. https://www.polish-online.com/geschichte-polen/hitler-stalin-pakt.php / Zum „Antifaschismus“-Konstrukt siehe auch Jan Fleischhauer: Unter Linken. Reinbek: Rowohlt 2009. S. 289-291.

[3] Armin Pfahl-Traughber: Linksextremismus – analytische Kategorie oder politisches Schlagwort? Begriffsbestimmung – Kritik – Kritik der Kritik. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2014. http://www.bpb.de/politik/extremismus/linksextremismus/191096/linksextremismus-analytische-kategorie-oder-politisches-schlagwort

[4] Armin Pfahl-Traughber: Linksextremismus – analytische Kategorie oder politisches Schlagwort? Begriffsbestimmung – Kritik – Kritik der Kritik. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2014. http://www.bpb.de/politik/extremismus/linksextremismus/191096/linksextremismus-analytische-kategorie-oder-politisches-schlagwort

[5] Armin Pfahl-Traughber: Linksextremismus – analytische Kategorie oder politisches Schlagwort? Begriffsbestimmung – Kritik – Kritik der Kritik. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2014. http://www.bpb.de/politik/extremismus/linksextremismus/191096/linksextremismus-analytische-kategorie-oder-politisches-schlagwort

[6] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/liane-bednarz-ueber-linksextremismus-gewalt-darf-niemals-argumente-ersetzen-a-b0140c8b-4424-44e8-9d8e-33ac062b49fd

[7] https://www.jetzt.de/redaktionsblog/extreme-gestaendnisse-569660 / https://www.linksjugend-solid.de/kampagnen/ich-bin-linksextrem/ / https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/vorwuerfe-gegen-jungpolitikerin-dasselbe-in-gruen-12146844.html

3. Welche Merkmale treffen auf den Hauptakteur bei der Gestaltung des politischen Systems in der DDR, also die SED, zu?

Kann es in der DDR überhaupt Linksextremismus gegeben haben, wenn der heutige Begriff von Extremismus eng an die Demokratie und somit an das erst wieder nach 1989 auch in diesem Landesteil bestehende politische System gebunden ist? Wäre dem so, dann wäre auch die nationalsozialistische Herrschaft kein Beispiel für Rechtsextremismus. Auch für vergangene politische Gebilde kann die Messlatte Demokratie angelegt werden – so werden zudem historische Wurzeln freigelegt. Die mittelalterliche Inquisition war beispielsweise religiös motivierter Extremismus. Für den Linksextremismus war der revolutionäre Furor und Terror der Jakobiner im Zuge der Französischen Revolution die vielleicht wesentlichste erste geschichtliche Ausprägung.

Für die SED war bekanntlich der Marxismus-Leninismus uneingeschränkte Handlungsgrundlage. Laut DDR-Verfassung hatte die marxistisch-leninistische Partei immer an der Macht zu sein. Deren Artikel 1 dekretierte: „Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern. Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei.“ Somit kann die SED-Diktatur als Linksextremismus an der Macht aufgefasst werden. In der DDR war diese Herrschaft erst am 1. Dezember 1989 faktisch beendet als der entsprechende Passus aus dem Artikel 1 ersatzlos gestrichen wurde. Und natürlich agieren Extremisten generell unverblümter, wenn sie sich in einer Herrschaftsphase befinden. Unter den Bedingungen einer wehrhaften Demokratie sind sie gezwungen, Zugeständnisse zu machen und müssen taktisch agieren, also dann, wenn sie sich noch oder wieder in der Bewegungsphase befinden.

Wolfgang Leonhard, jüngstes Mitglied der Führungsriege der Exil-KPD, erlebte 1945 die Gründung der Berliner Bezirksverwaltungen. Damals habe Walter Ulbricht im Kreise vertrauter Genossen die kommunistische Strategie für den Neuaufbau unmissverständlich formuliert: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“[1] Wesentliche Schaltstellen wurden durch zuverlässige kommunistische Genossen besetzt.

Was folgte waren der „demokratische Zentralismus“ ohne demokratische Mindeststandards wie hauptsächlich freie Wahlen, die ideologiegesteuerte Gleichschaltung der Medien und aller gesellschaftlichen Bereiche wie Bildung, Kultur und Wirtschaft (Enteignungen und die zentral von der SED gesteuerte sozialistische Planwirtschaft) sowie die unerbittliche Verfolgung politischer Gegner. Bereits der frühe Terror mit Speziallagern und Todesurteilen sollte die Bevölkerung zu absoluter Fügsamkeit und Anpassung zwingen. Es gab in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und DDR etwa 200.000 aus politischen Gründen Inhaftierte, wobei die ca. 50.000 durch sowjetische Militärtribunale Verurteilten nicht einmal mitgezählt sind.[2] Renitenz konnte langjährige Haft und sogar die Todesstrafe zur Folge haben. Bis 1981 verhängte die SBZ/DDR-Justiz 372 Todesurteile.[3] Ein wie auch immer gearteter Dialog mit Andersdenkenden war nicht vorgesehen, selbst dann nicht, wenn diese sich (noch) als Marxisten verstanden. Im glimpflichsten Fall wurden sie als bildungsunwert ausgesondert und jeglicher Karrierechancen enthoben, sozusagen hinabgestoßen in die vorgeblich „herrschende Klasse“: das Proletariat.[4] Der erste Dialog war der nach polnischem Vorbild von der Opposition durchgesetzte „Runde Tisch“ ab Dezember 1989.

Die ideologische Ausrichtung und der Herrschaftsanspruch der Marxisten-Leninisten wurden, wie bereits erwähnt, in der DDR-Verfassung verankert. Erst am 1. Dezember 1989 wurde dieser Passus ersatzlos gestrichen, womit der Weg zu freien Wahlen möglich wurde. Rein formal kann dieses Datum als Ende der kommunistischen Herrschaft gewürdigt werden.

Prüft man die allgemeinen Merkmale des politischen Extremismus bezüglich des Handelns der SED, so ergibt sich ein klares Bild.

Die Marxisten-Leninisten der SED frönten einer monistischen, dogmatischen Ideologie mit absolutem Wahrheitsanspruch – und hegten einen totalitären Herrschaftsanspruch.

Ihre Feindbilder leiteten sich aus dieser Weltdeutung ab. Feind war zunächst jeder, der anders denkt. Dazu zählten Kirchenvertreter, Bürgerrechtler, Ausreise- und Fluchtwillige (die SED betrachtete die DDR-Bürger quasi als Staatseigentum). „Kapitalisten“ wurden nach der kommunistischen Machtübernahme umgehend enteignet und verfolgt, auch die letzten selbständigen Kleinunternehmer wurden gejagt und mit hohen Steuerabgaben in den Ruin getrieben, Kleinbetriebe wurden endgültig 1972 verstaatlicht. Weitere Feindbilder waren außenpolitisch das gesamte „Nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet“ (NSW abgekürzt) und besonders die politischen Akteure der Bundesrepublik (die BBUs, die Bösen Bonner Ultras) sowie der „US-Imperialismus“ – was Antiamerikanismus und Antisemitismus vornehmlich in Form von Israelfeindschaft einschloss.

Kompromissunfähigkeit und Dialogverweigerung blieben bis zu ihrer Entmachtung Markenzeichen der SED – statt einer argumentgestützten Debatte wurden flächendeckend Agitation und Propaganda verabreicht. Die Vorgänge und Entscheidungsfindungsprozesse im Machtapparat, der Nomenklatura, liefen streng abgeschottet vor jeglicher Öffentlichkeit ab – ähnlich wie die in einer konspirativen Zelle klandestine Anschläge vorbereitender Autonomer oder auf höchster Kaderebene der linksmilitanten Rote-Armee-Fraktion (RAF).

Politische Gewalt und bedrohliche Gewaltbereitschaft waren an der Tagesordnung. Die Haftbedingungen in den Gefängnissen der Geheimpolizei MfS zielten mit physischen und psychologischen Mitteln auf die Brechung oppositioneller Persönlichkeiten. Die Militarisierung der Gesellschaft schritt noch im letzten Jahrzehnt unaufhörlich voran. In der DDR-Armee herrschte stete „Gefechtsbereitschaft“ unter dem immerwährenden Tagesbefehl: „Der Feind ist auf seinem eigenen Territorium vernichtend zu schlagen!“ Der vorgebliche „Friedenskampf“ der Kommunisten bedeutete Friedhofsruhe im eigenen Herrschaftsbereich und weltrevolutionärer Expansionsanspruch zugleich (dies bringt der saloppe – und heutzutage vielleicht schon als sexistisch geltende – Spruch damaliger Friedensbewegter auf den Punkt: „Fighting for Peace is like Fucking for Virginity“). Rigoros unterschied die offizielle DDR-Propaganda zwischen den friedlichen SS 20, die eine strahlende sozialistische Zukunft verhießen und den kriegerischen Nato-Atomraketen vom Typ Pershing. Nur letztere brächten die Auslöschung der Menschheit mit sich.

Uniformierungen (Kampfgruppen, GST und FDJ) und Symbole (Hammer und Sichel, Parteiabzeichen mit den abgehackten Händen) prägten den öffentlichen Raum. Der vor allem unter Stalin zur Blüte getriebene Geschichtsrevisionismus mit gründlichen Umdeutungen, Ausmerzungen (Cancel Culture), Retuschen und unverschämten Lügen (Fake News) wurde fortgesetzt. Zum Beispiel wurden die Morde der sowjetischen Roten Armee an polnischen Offizieren und Intellektuellen in Katyn oder der Hitler-Stalin-Pakt mit seinen Zusatzprotokollen, der den nationalsozialistischen und den kommunistischen Einmarsch in Polen ermöglichte und die baltischen Staaten der sowjetischen Okkupation anheimgab, schlicht geleugnet.

Es ließen sich noch einige weitere Details aufzählen, verwiesen sei auf die von Klaus Schroeder und Monika Deutz-Schroeder zusammengetragenen Beispiele.[5] Deutlich aber wird bereits jetzt, dass die SED eindeutig als linksextremer Akteur qualifiziert werden kann und ihre Herrschaftspraxis exemplarisch für einen Linksextremismus an der Macht steht. Durchaus gab es in der Geschichte des Kommunismus entsetzlichere Ausprägungen wofür die Namen der Diktatoren Lenin, Trotzki, Stalin, Mao Tse-tung und Pol Pot stehen.

 


[1] Vgl. Wolfgang Leonhard: Mit der Gruppe Ulbricht von Moskau nach Berlin (2), 02.09.2011. https://www.youtube.com/watch?v=_AJ0lwF3am4 bzw. Kirsten Baukhage: Als die "Gruppe Ulbricht" aus Moskau kam, in: Frankfurter Rundschau, 30.04.2005. https://www.fr.de/politik/gruppe-ulbricht-moskau-11731821.html bzw. https://de.wikipedia.org/wiki/Gruppe_Ulbricht

[2] Vgl. Steffen Alisch: Zwischen Kontrolle und Willkür – Der Strafvollzug in der DDR, in: Deutschland Archiv, 12.5.2016. www.bpb.de/227634 / https://m.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/227634/zwischen-kontrolle-und-willkuer-der-strafvollzug-in-der-ddr#footnode13-13

[3] Klaus Schroeder / Monika Deutz-Schroeder: Der Kampf ist nicht zu Ende. Freiburg: Herder 2019. S. 93.

[4] Vgl. exemplarisch Siegfried Reiprich: Der verhinderte Dialog. Meine politische Exmatrikulation. Eine Dokumentation. Schriftenreihe des Robert-Havemann-Archivs. Berlin 1996.

[5] Kapitel „Politische Gewalt in der DDR“, in: Klaus Schroeder / Monika Deutz-Schroeder: Der Kampf ist nicht zu Ende. Freiburg: Herder 2019. S. 75-99.

4. Gab es Verflechtungen und eine Zusammenarbeit der politikgestaltenden Hauptakteure mit anderen linksextremen Akteuren?

Zu erwähnen ist hier neben dem engen Bruderbund mit anderen kommunistischen Parteien und Herrschern, solange diese dem poststalinistischen Dogma folgten, vor allem die Unterstützung der RAF-Terroristen, die sich, ausgestattet mit falschen Identitäten, bis zu ihrer Enttarnung der Strafverfolgung für die von ihnen begangenen schwersten Gewaltverbrechen entziehen konnten.

Mit neuen Namen und gefälschten Biografien hatten die zehn Terroristen unter dem Schutz der Stasi-Hauptabteilung XXII zur „Terrorabwehr“ (Orwells „Neusprech“ lässt grüßen) gelebt und gearbeitet, so in Briesen bei Frankfurt (Oder), Leipzig, Neubrandenburg, Schwedt, Wandlitz, Marzahn, Dresden, Cottbus-Sachsendorf, Schipkau, Senftenberg, Schwarzheide, Eisenhüttenstadt, Hoyerswerda, Köthen, Erfurt, Magdeburg – und am „Vereinigten Institut für Kernforschung“ in Dubna.[1] Schließlich besaßen sie mit den grauen Kampfgenossen der SED ein gemeinsames gefestigtes Feindbild und auch sonst so manch ideologische Gemeinsamkeit.

Bildeten sich allerdings konkurrierende linksextreme Gruppen, wie die maoistisch orientierte KPD/ML-Sektion DDR, die die SED-Politik kritisierten, so wurden diese genauso wie demokratie- und menschenrechtlich-orientierte Oppositionelle bekämpft.[2] Trotzkismus, Titoismus und Maoismus galten den Marxisten-Leninisten als Gedankenverbrechen und Feindbilder – obwohl sie der gleichen Ideologiefamilie entstammten. Der Anarchismus wurde bereits seit der Kontroverse Bakunin versus Marx als feindlich angesehen. Lenins Verdikt vom „Linksradikalismus“ als „Kinderkrankheit des Kommunismus“ weist allerdings auf die gemeinsamen Wurzeln und Ziele hin.[3]

 


[1] https://www.nordkurier.de/mecklenburg-vorpommern/untergetauchte-raf-terroristen-in-ddr-verhaftet-0239562106.html / https://www.spiegel.de/geschichte/raf-mitglieder-in-der-ddr-untergetaucht-im-sozialistischen-exil-a-1034857.html / https://www.welt.de/geschichte/raf/article209042173/Terrorismus-So-flogen-die-RAF-Mitglieder-in-der-DDR-auf.html / https://www.lr-online.de/lausitzer-geschichte-gut-kirschen-essen-mit-kollege-raf-37916116.html

[2] Vgl. Tobias Wunschik: Die maoistische KPD/ML und die Zerschlagung ihrer „Sektion DDR“ durch das MfS (BF informiert 18/1997). Hg. BStU. Berlin 1997, sowie weitere Veröffentlichungen von Tobias Wunschik.

[3] Wladimir Iljitsch Lenin: Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus. Petrograd 1920.

5. Welche linksextremistischen Hypotheken ragen in die Gegenwart hinein?

Hauptsächliche Aktionsfelder[1] gegenwärtiger Linksextremisten sind der Antikapitalismus und der Antifaschismus[2] / Antirassismus sowie die unter dem Label Antirepression laufende Gewalt gegen Polizeibeamte und Sicherheitsfirmen. Einen linksextrem konnotierten Antikapitalismus und Antifaschismus praktizierte auch die SED. Die Klammer bildet dabei die Dimitroff-These, die besagt, dass der Kapitalismus die Ursache für den Faschismus sei und zwangsläufig auf diesen hinauslaufe.[3] Die ehemalige Diplomatin Zsuzsa Breier verdeutlicht diesen Zusammenhang: „Der linke Kampfbegriff «Antifaschismus» ist nicht deckungsgleich mit unserem demokratischen, rechtsstaatlichen antitotalitärem Konsens. Der Begriff «Faschismus» ist in der linken Terminologie klar definiert. Der von der SED und in ihrer Tradition von der Partei Die Linke zu bekämpfende Faschismus ist ein Codewort für den Kapitalismus. Nach der marxistischen Lehre folgt der Faschismus nämlich «notwendigerweise» aus dem Kapitalismus. Linker Antifaschismus hat das Ziel, die kapitalistische Wirtschaftsordnung abzuschaffen. Von diesem Wortgebrauch zeugt, dass die SED die Berliner Mauer «antifaschistischen Schutzwall» nannte, wo diese in Wahrheit den DDR-Bürgern den Zugang zum freien, demokratischen, «kapitalistischen» Westen verwehrte.“[4] Die militante Variante des „Antifaschismus“ reicht in ihrer Tradition bis zum Rotfrontkämpferbund der 1920er Jahre zurück und ertüchtigt sich gegenwärtig zunehmend mittels Kampfsporttrainings - mit dem Trend zu proaktiven Kampfsportarten.[5]

Das Feld Antigentrifzierung hatte die SED bereits erfolgreich „beackert“, indem sie flächendeckend die Innenstädte verrotten ließ. Das Feld Antirepression entdeckten die ostdeutschen Kommunisten nachdem sie sich nach 1989 in durchaus verschwindend geringer Zahl vor Gerichten verantworten mussten und dies als Klassen- bzw. „Siegerjustiz“ anprangerten. Solcherlei kommt natürlich nicht vor, wenn Linksextremisten selbst an der Macht sind, sie müssten sich gegen sich selber stellen.

Die kommunistische Ideologie sieht keine Offene Gesellschaft vor. Eine Skepsis bis hin zu offener Gegnerschaft gegenüber der freiheitlichen Demokratie sind weitere relevante Hypotheken. Eng verknüpft damit ist ein kommunismusnahes Geschichtsbild bzw. ein interessegeleiteter Geschichtsrevisionismus. Hinzu kommt der auch von der SED propagierte Antiamerikanismus sowie ein im Gewand des Antizionismus daherkommender Antisemitismus[6] inklusive Israelfeindschaft.

 


[1] Zur Kategorisierung vgl. die Linksextremismusskala in: Klaus Schroeder / Monika Deutz-Schroeder: Gegen Staat und Kapital – für die Revolution! Linksextremismus in Deutschland – eine empirische Studie. Frankfurt am Main 2015.S. 558f.

[2] Bettina Blank: „Deutschland, einig Antifa“? „Antifaschismus“ als Agitationsfeld von Linksextremisten. Baden-Baden: Nomos 2014. / jüngst: http://www.linke-militanz.de/publikationen/podcast/das-phaenomen-antifa-eine-spurensuche-in-geschichte-und-gegenwart/

[3] Faschismus an der Macht sei die „offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ http://www.mlwerke.de/gd/gd_001.htm#11

[4] Zsuzsa Breier: Gewaltbereite Extremisten wollen den Staat unterhöhlen – es verbietet sich, über Erschiessungen zu phantasieren, in: NZZ vom 01.04.2020. https://www.nzz.ch/feuilleton/gewaltbereite-extremisten-wollen-den-staat-unterhoehlen-es-verbietet-sich-ueber-erschiessungen-zu-phantasieren-ld.1548884?reduced=true

[5] https://www.welt.de/politik/deutschland/article214068746/Linksextremismus-Kampfsport-der-Antifa-bereitet-Verfassungsschutz-Sorge.html

[6] https://www.anders-denken.info/informieren/antisemitismus-von-links

5.1. Wie geht die ehemals herrschende Partei mit ihrer Vergangenheit und ideologischen Prägung um?

Zum linksextremistischen Geschichtsrevisionismus gibt es kaum Untersuchungen[1], obwohl selbst gemäßigte Linke in Regierungsverantwortung den Begriff Unrechtsstaat bezogen auf die SED-Diktatur ablehnen.[2] Denn mit der Nutzung dieses Begriffs sei eine Gleichsetzung unterschiedlicher Diktaturen verbunden. Ein Vorhalt, der auch regelmäßig gegen die Extremismusforschung und das Totalitarismuskonzept[3] ins Feld geführt wird. Doch das wäre so, als dürfe man beispielsweise den Begriff Vulkanausbruch nur für den am verheerendsten ausgeprägten verwenden.[4] Dabei müsste doch nachvollziehbar sein, wie es der Historiker Heinrich August Winkler ausdrückt: „Nicht nachgeben dürfen Demokraten in der Frage, ob die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei. Ein Unrechtsstaat beginnt nicht mit Konzentrationslagern und Massenvernichtung, sondern mit der Vorenthaltung von Menschen- und Bürgerrechten, mit der Aufhebung der Gewaltenteilung, der Abschaffung einer unabhängigen Justiz und der Unmöglichkeit, Regierende in freien Wahlen abzulösen. All dies war in der DDR gegeben.“[5] Der Philosoph und Theologe Richard Schröder bringt es auf die einfache Formel: „Wenn erklärtermaßen Macht vor Recht geht, handelt es sich um einen Unrechtsstaat.“[6] Hingegen befürchtet der Rechtsphilosoph Ernst-Wolfgang Böckenförde „Die globale Kennzeichnung der DDR als Unrechtsstaat ist nicht nur falsch, sie kränkt auch die Bürger und Bürgerinnen der ehemaligen DDR.“[7] Eine solche Interpretation würde aber höchstens beim missverständlichen Begriff „Unrechtsgesellschaft“ greifen. Die SED-Diktatur war kein Staat, an dessen politischen Entscheidungen die Bürger partizipieren konnten – und somit war sie auch nicht „ihr“ Staat, auch wenn ihnen das 40 Jahre lang versucht wurde einzureden: „unsere DDR, „unsere Menschen“. Die Einwohner waren im Prinzip Geiseln der Herrschenden, die ihre Untertanen gern auch als Staatseigentum betrachteten, indem sie ihnen Reisefreiheit und Freizügigkeit verwehten. Die ehemaligen DDR-Insassen können durch eine klare Benennung des Unrechts, das ihnen in unterschiedlicher Weise widerfuhr, somit auch nicht „gekränkt“ werden – sieht man ab von den Tätern, die verantwortlich waren für die politischen Verhältnisse: Angefangen vom Politbüro bis hin zu den vielen kleinen Helfern in den bewaffneten und unbewaffneten „Organen“. So ist kein Wunder, dass die mit der SED rechtsidentische Partei, die nach fünfmaliger Umbenennung heute „Die Linke“ heißt, den Unrechtscharakter ihrer Herrschaft vehement von sich weist.[8] Auch andere linksextreme Akteure aus dem Spektrum dogmatischer Marxisten betreiben aktiven Geschichtsrevisionismus wie die DKP (hier unlängst „Tapetenkuttes“ Tochter Nina Hager)[9] und schon fast kabarettreif die FDJ, die im gleichen Haus wie die Linkspartei ihren Hauptsitz hat.[10] Auch die MLPD wollte mit einer Lenin-Statue in Gelsenkirchen[11] der Stadt Trier mit ihrem rotchinesischen Riesen-Marx[12] nicht nachstehen.

Dass die Auseinandersetzung um die Vergangenheit nicht nur akademisch bleibt, sondern in „Handarbeit“ ausartet, zeigen entsprechende gewaltförmige Übergriffe und Zerstörungen. So verwüstete in Stuttgart „eine örtliche Gruppierung, die dem linksextremen Spektrum zuzuordnen sei“ 2013 die Ausstellung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur „Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR“ mit Fotos von Harald Hauswald und Texten von Stefan Wolle, die am Tag der Deutschen Einheit hätte eröffnet werden sollen. Die linksextremen Freunde der SED-Diktatur entwendeten 13 der insgesamt 20 Ausstellungstafeln.[13]

Die Linke ist zwar keine kommunistische Kaderpartei „neuen Typhus“ mehr, dennoch beherbergt sie Arbeitsgruppen, die sich unverhohlen zur marxistisch-leninistischen Ideologie bekennen: „Antikapitalistische Linke“, „Kommunistische Plattform“, „Sozialistische Linke“, „Marxistisches Forum“, „marx 21“ oder „Cuba Si“.[14] Programmatisch verfolgt sie einen „Systemwechsel“ und hält an der Utopie eines „antikapitalistischen“ Sozialismus[15] fest. Werden antisemitische Haltungen in den eigenen Reihen kritisiert, kommt es schon mal zu unschönen Szenen.[16] Und bei einem aktuellen Parteitag erblühten klassenkämpferische Liquidierungs- und Zwangsarbeitsfantasien.[17] Der „Wege zum Kommunismus“[18] gibt es eben sehr viele.

Militante anarchistisch-autonome Gegner einer demokratischen Bürgergesellschaft wiederum wollen zwar keine DDR zurück und keine marxistisch-leninistische Diktatur der „proletarischen“ Elite-Funktionäre, setzen aber Gewaltfantasien schon mal in die Praxis um. Vertreter der Linken lassen hier klare Kante, wie sie sie gegenüber realen und manchmal nur vermuteten rechtsextremen Umtrieben zeigen, oft vermissen.

Joachim Gauck äußert dazu: „Was mich, der ich fünf Jahrzehnte … in einer linken Diktatur gelebt habe, verwundert und auch ein wenig bitter macht, ist die Tatsache, dass Linksextreme … mit ihren Auffassungen zumindest in abgeschwächter Form auf erhebliche Zustimmung stoßen.“[19] Die linksliberale Publizistin Liane Bednarz vermutet, dass Linksextreme keinen maßgeblichen Einfluss auf die Partei Die Linke haben, macht aber deutlich, dass „Selbstermächtigungen zur Gewalt in einem Rechtsstaat vorbehaltlos zurückzuweisen“ und Relativierungen linksextremer Gewalt fehl am Platz sind.[20] Übergriffe zu relativieren nach dem Motto „Gute Gewalt – schlechte Gewalt“ ist auch nicht hinnehmbar, so hält der Journalist Andreas Kopietz fest, wenn Politiker von Gewalt betroffen sind, die einer Partei angehören, deren Handeln und Meinen abgelehnt wird.[21]

Funktionäre der Linken wie die Frankfurter Stadtverordnete Merve Ayyildiz lassen sich gern mal mit einem "ACAB"-T-Shirt fotografieren.[22] Auch in Leipzig ist dieser Slogan, der als „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ angesehen werden kann, allgegenwärtig.[23] Anstoß erregte auch das polizeifeindliche Graffiti „No Cops“ in einer öffentlichen Basketball-Anlage am Connewitzer Kreuz und wurde entfernt, aber bald wieder übermalt.[24] Die Leipziger Linken-Politikerin Juliane Nagel unterbreitete dem Stadtrat daraufhin eine Beschlussvorschlag: „Die Stadt Leipzig stellt ein Budget in Höhe von 5000 Euro zur Verfügung, um die Wandmalerei mit dem Schriftzug „No Cops - No Nazis - Antifa Area“ wiederherstellen zu lassen.“[25] Durchaus verurteilt sie Gewalttaten.[26] Doch twittert sie auch schon mal die „wahren Schuldigen“ von Randale und Gewaltübergriffen. Das liest sich dann so: die "Cops" hätten "ekelhafte" Gewalt ausgeübt und "kalkuliert" provoziert.[27] Und am 21. September 2014 fand im Connewitzer Herderpark das Fest „Kontrollbereich 04277“ statt, organisiert von „linXXnet“[28]. Eine Podiumsdiskussion „Ist Stadtentwicklung Ordnungspolitik?“ wurde von Juliane Nagel (MdL, Die Linke) moderiert. Und was hielt das Programm sonst noch so bereit? „Zwille vs. Kameras, Bullenschießen“[29] Allerdings fielen die Übungsstunden für die nächste revolutionäre Demo dann ins Wasser - wegen eines Gewitters flüchteten die Revolutionäre in einen „trockenen Unterstand“.[30]

Dass es sich hierbei nicht nur um witzig gemeinten Jugendulk handelt, zeigt eine Bilanz linksextremer Gewalttaten. Im Januar 2016 appellierten die Leipziger Bürgerrechtler Tobias Hollitzer, Uwe Schwabe und Gunter Weißgerber: „„Leipzig ist bunt“ und nicht nur braun oder rot!“ und beklagten sowohl „zuwanderungsfeindliche und teils rechtsextremistische Demonstrationen von Legida sowie abscheuliche Übergriffe auf Flüchtlinge und Asylbewerberheime“ als auch „massive linksextremistische Gewalt“. Sie verwiesen darauf, dass Leipzig „in einem sehr fragwürdigen Wettbewerb der deutschen Linksautonomen zum „Randalemeister 2015" gekürt“ wurde.[31]

Die Aktivitäten der „Autonomenliga“ waren stolz auf der mittlerweile verbotenen Plattform linksunten.indymedia[32] publiziert worden. „Penibel wurden dort alle Brandanschläge, Überfälle und Zerstörungswerke aufgelistet, um zu beweisen, dass die sächsischen Genoss*_innen mehr Angriffe auf's Schweinesystem verübt haben als die Revolutionäre in der Hauptstadt.“, berichtete der Publizist Peter Grimm im August 2017.[33]

Allerdings ist die Hauptstadt inzwischen wieder Spitzenreiter.[34] Selbst vor gefährlichen Körperverletzungen – vornehmlich gegenüber Polizeibeamten, aber auch politischen Gegnern und in der Immobilienbranche Tätigen – wird nicht mehr zurückgeschreckt, wie diese Situationsbeschreibung aus Berlin-Neukölln zeigt: „Wie friedlich das Ansinnen der Demonstranten war, zeigt der Ruf eines Anheizers durch einen Lautsprecher. „Ich kann Euch ja gut verstehen. Aber wenn ihr Sachen schmeißt, denkt bitte an die Genoss_Innen, die weiter vorne stehen. Nicht, dass die es abkriegen.“ Der Beamte der Einsatzhundertschaft hat etwas abbekommen. Schlimmstenfalls, befürchtet die GdP, wird er nie wieder sehen können.“[35] Eine Glasflasche hatte dem Beamten die Nase zertrümmert, Splitter gerieten in seine Augen.[36] Politiker der Linken hingegen kritisierten den Polizeiaufmarsch als „sehr martialisch“, denn die Proteste seien „vergleichsweise friedlich“ gewesen.[37] Was ist hier der Maßstab? Übergriffe im Gefahrengebiet rund um die Rigaer/Liebigstraße werden ebenfalls von linken Politikern verharmlost.[38] Sehenswert in diesem Zusammenhang ist ein kürzlich ausgestrahlter Kontraste-Beitrag.[39]

 


[1] Ausnahmen sind: Udo Baron: Die DDR im Spiegel des Linksextremismus. Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft gestalten, in: Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen 104, 2015. https://www.hss.de/download/publications/AMZ_104_DDR_04.pdf sowie Klaus Schroeder / Monika Deutz-Schroeder: Gegen Staat und Kapital – für die Revolution! Linksextremismus in Deutschland – eine empirische Studie. Frankfurt am Main 2015.

[2] https://www.tabularasamagazin.de/brief-an-ministerpraesident-bodo-ramelow-die-ddr-war-ein-unrechtsstaat/ / https://starke-meinungen.de/blog/2019/11/03/war-die-ddr-ein-unrechtsstaat/

[3] Karl Popper, Carl Joachim Friedrich/Zbigniew Brzezinski, Hannah Arendt, Erich Fromm und Juan Linz sezierten den totalitären Herrschaftsanspruch vor allem des Kommunismus, Nationalsozialismus und Faschismus.

[4] http://www.vulkane.net/vulkanismus/katastrophen/tambora.html

[5] Heinrich August Winkler: „Platzeck liegt falsch“. Interview, in: Der Tagesspiegel vom 04.11.2009. https://www.tagesspiegel.de/wissen/interview-platzeck-liegt-falsch/1626924.html

[6] https://www.maik-foerster.de/pdf/unrechtsstaatrichardschroeder.pdf

[7] Ernst-Wolfgang Böckenförde: Begriffsklärung. Rechtsstaat oder Unrechtsstaat? in: FAZ vom 13.05.2015. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/war-die-ddr-ein-unrechtsstaat-13587574.html

[8] Zur Unrechtsstaatsdebatte innerhalb der Partei Die Linke siehe Sebastian Prinz: Die Linkspartei und der Unrechtsstaat DDR, Politische Studien 464, S. 44-53. https://www.hss.de/download/publications/PS_464_SICHERHEIT_07.pdf

[9] https://www.tabularasamagazin.de/sed-opfer-hat-es-nie-gegeben-nina-hager-leugnet-die-ddr-realitaet/

[10] Siehe hierzu den Artikel auf diesem Portal http://h-und-g.info/forum/default-title/fdj

[11] https://www.gelsenkirchen.de/de/stadtprofil/stadtthemen/erinnerungskultur/_doc/Textstatements_zur_Aufstellung_eines_Lenin_Denkmals.pdf

[12] https://www.nwzonline.de/politik/hubertus-knabe-im-interview-ueber-karl-marx-ein-vordenker-der-diktatur_a_50,1,2059864532.html / https://www.cicero.de/innenpolitik/karl-marx-statue-trier-verbuendet-sich-mit-kommunistischen-diktatoren

[13] https://www.evangelisch.de/inhalte/88870/02-10-2013/linksextreme-zerstoeren-ausstellung-zum-tag-der-deutschen-einheit / https://www.badische-zeitung.de/linksextreme-zerstoeren-ausstellung-zum-tag-der-deutschen-einheit--75816120.html / https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/tag-der-deutschen-einheit-anschlag-auf-ddr-ausstellung-in-stuttgart/8880070.html

[14] Michael Leh: Was sagt der Verfassungsschutz über „Die Linke“?, in: Die Tagespost vom 03. Januar 2020. https://www.die-tagespost.de/politik/aktuell/Was-sagt-der-Verfassungsschutz-ueber-Die-Linke;art315,204336

[15] https://www.nzz.ch/international/linkspartei-will-kapitalismus-beenden-und-betriebe-verstaatlichen-ld.1572947

[16] https://www.welt.de/politik/deutschland/article134236216/Gregor-Gysi-flieht-vor-Antizionisten-auf-Toilette.html

[17] Zsuzsa Breier: Gewaltbereite Extremisten wollen den Staat unterhöhlen – es verbietet sich, über Erschiessungen zu phantasieren, in: NZZ vom 01.04.2020. https://www.nzz.ch/feuilleton/gewaltbereite-extremisten-wollen-den-staat-unterhoehlen-es-verbietet-sich-ueber-erschiessungen-zu-phantasieren-ld.1548884?reduced=true

[18] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/programmdebatte-linke-chefin-erklaert-kommunismus-zum-ziel-der-partei-a-737780.html

[19] Joachim Gauck / Helga Hirsch: Toleranz – einfach schwer. Freiburg: Herder 2019. S. 118.

[20] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/liane-bednarz-ueber-linksextremismus-gewalt-darf-niemals-argumente-ersetzen-a-b0140c8b-4424-44e8-9d8e-33ac062b49fd

[21] https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/gute-gewalt-schlechte-gewalt-warum-anschlaege-auf-die-afd-alles-nur-schlimmer-machen-li.98666

[22] https://www.zeit.de/2020/02/leipzig-connewitz-polizist-gewalt-demokratie-parteien

[23] https://www.l-iz.de/melder/wortmelder/2019/04/Auf-Petitionsuebergabe-im-Landtag-zu-Polizeigesetz-folgt-Bussgeld-269180

[24] https://www.lvz.de/Leipzig/Stadtpolitik/Katz-und-Maus-Spiel-in-Connewitz / https://www.bild.de/regional/leipzig/leipzig-news/leipzig-connewitzer-cop-hasser-zurueck-aus-corona-pause-70032956.bild.html

[25] https://www.bild.de/regional/leipzig/leipzig-news/leipzig-soll-polizisten-hass-graffiti-bezahlen-72003862.bild.html

[26] https://www.mdr.de/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/politik-leipzig-connewitz-linke-juliane-nagel-verurteilt-anschlaege-100.html

[27] https://www.zeit.de/2020/02/leipzig-connewitz-polizist-gewalt-demokratie-parteien

[28] https://jule.linxxnet.de/

[29] Zum Programm: https://noblogs.org/members/admina/

[30] http://www.connewitz-leipzig.de/leipzig-connewitz-kiez/strassenfest-aktionen-bands-podiumsdiskussion/20140921

[31] https://www.l-iz.de/melder/wortmelder/2016/01/buergerkomitee-leipzig-e-v-leipzig-ist-bunt-und-nicht-nur-braun-oder-rot-122100

[32] https://www.verfassungsschutz.de/de/aktuelles/schlaglicht/schlaglicht-2020-01-bundesverwaltungsgericht-bestaetigt-verbot-der-linksextremistischen-internetplattform-linksunten.indymedia?pk_campaign=bfv-newsletter-2020-01&pk_kwd=18969

[33] http://sichtplatz.de/?p=8982  / http://www.achgut.com/artikel/zensur-wettbewerb_zwischen_maas_und_de_maiziere // Der Eintrag war nach dem Verbot des Linksunten-Teils der Internet-Plattform indmedia bis 2020 nicht mehr verfügbar: Komitee der 1.Liga für Autonome: Randalemeister 2015, indymedia, 02.12.2015. https://linksunten.indymedia.org/de/node/160914

[34] https://www.bz-berlin.de/berlin/berlin-ist-spitzenreiter-bei-gewalttaten-von-links-und-rechtsextremisten

[35] https://www.tagesspiegel.de/berlin/nach-raeumung-der-kneipe-syndikat-wie-gruene-und-linke-indirekt-gewalt-legitimieren/26078868.html

[36] https://www.bz-berlin.de/berlin/neukoelln/gdp-vize-militante-linksautonome-szene-geht-offensiv-und-strukturiert-gegen-polizisten-vor / https://www.bz-berlin.de/berlin/neukoelln/polizei-bei-syndikat-demo-massiv-attackiert-und-an-augen-verletzt

[37] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1140152.syndikatbleibt-syndikat-ist-geschichte.html

[38] https://www.bz-berlin.de/berlin/friedrichshain-kreuzberg/liebig-rigaer-strasse-verzweifelte-nachbarn-der-links-chaoten-bitten-um-hilfe-und-das-ist-die-freche-antwort-der-politik

[39] https://www.ardmediathek.de/ard/video/kontraste-kontraste-vom-06-08-2020/das-erste/Y3JpZDovL3JiYi1vbmxpbmUuZGUva29udHJhc3RlLzIwMjAtMDgtMDZUMjI6MDU6MDBfOWQ0MWU5OWQtNGYwMC00Zjc5LTgzYTgtNWFlMjEyMDNiODlmL3dpZS1yb3Qtcm90LWdydWVuLWRpZS1wb2xpemVpLWF1c2JyZW1zdA/ / https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/ard-kontraste-ueber-linksextremismus/

5.2. Bleiben Spuren der Indoktrination in der DDR-Bevölkerung?

Die stete Gehirnwäsche durch die kommunistischen Ideologen und das zerstörte Vertrauen durch die allgegenwärtige Stasibespitzelung hinterließen Spuren bei vielen Ostdeutschen.

Im Zuge der friedlichen Revolution wurde die Einsicht in die Stasi-Akten möglich. Die Bürger wollten endlich wissen: Was befand sich hinter dem Vorhang?[1] Zuweilen bemerkten sie erst jetzt: „Vierzig Jahre lang haben sie uns belogen und betrogen!“ Eine Folge der von Auslassungen und Umdeutungen bestimmten Wirklichkeitskonstruktion der herrschenden Partei ist eine anhaltende Politikerverdrossenheit und Politikabstinenz eines Teils der Ostdeutschen. Nicht wenige sind nun sehr sensibel bezüglich einer „offiziellen“ Informationspolitik. Kritisches Hinterfragen wird mündigen Bürgern durchaus gerecht. Schwierig wird es, wenn angesammeltes Mistrauen umschlägt in eine trotzige Verweigerungshaltung bis hin zum Hang für simplifiziertes Schwarz-Weiß-Denken, wie an gegenwärtigen politischen Konflikten bezüglich Zuwanderung, Sicherheitspolitik oder Umgang mit der Corona-Pandemie abzulesen ist. Hartnäckig hält sich bei einem nicht unerheblichen Teil der Ostdeutschen auch der Glaube an einen „echten“ bzw. „demokratischen Sozialismus“.[2]

Eine empirische Untersuchung zur Verbreitung linksextremer Einstellungen legten 2015 Klaus Schroeder und Monika Deutz-Schroeder vor.[3] Dabei stellte sich heraus, dass Ostdeutsche eine höhere Affinität zu entsprechenden linksextremen Deutungsmustern aufweisen. Knapp 30 Prozent (Ostdeutschland 35 Prozent, Westdeutschland: 28 Prozent) gaben an, sie könnten sich eine wirkliche Demokratie nur ohne Kapitalismus vorstellen. Ein Fünftel der Bevölkerung (Ostdeutschland: 24 Prozent, Westdeutschland: 19 Prozent) hielt eine Verbesserung der Lebensbedingungen durch Reformen nicht für möglich und plädierte für eine Revolution. Knapp 60 Prozent der Ostdeutschen und 37 Prozent der Westdeutschen hielten den Sozialismus/Kommunismus für eine gute Idee, die bisher nur schlecht ausgeführt worden sei. 42 Prozent gaben an, dass für sie soziale Gleichheit aller Menschen wichtiger sei als die Freiheit des Einzelnen. Auch die Behauptung, „Kapitalismus führt letztlich zu Faschismus“ wird von 19 Prozent der ostdeutschen Befragten geteilt.

Aber auch der von der SED gepflegte Antiamerikanismus wirkt weiter und drückt sich heute aus in einer Affinität zum derzeitigen russischen Despoten Wladimir Putin, die kennzeichnend nicht nur für einzelne Vertreter der Linkspartei und der AfD ist, sondern auch unter einem Teil der Ostdeutschen verbreitet ist. Ebenso verhält es sich bezüglich antipolnischer Stimmungen, die von der SED Anfang der 1980er geschürt wurden, als die erste unabhängige Gewerkschaft im Ostblock („Solidarność“) an den Machtgrundlagen der Kommunisten rüttelte. Eine Würdigung der Erhebungen im Ostblock (also auch in Ungarn und im Baltikum) gegen die kommunistische Herrschaft findet viel zu selten statt. Auch gegenwärtig hält sich die Solidarität mit den Demokraten in der Ukraine und in Belarus sowie in Putin-Russland in engen Grenzen.

Dass diese Befunde eine Folge der ideologischen Indoktrinierung im SED-Staat sind, liegt nahe. Nicht nur im Schulunterricht sollte deshalb stärker über den Diktaturcharakter der SED-Herrschaft aufgeklärt werden,[4] auch ostalgische Familienerzählungen müssen stärker hinterfragt werden, wenn auch damit nicht alle Probleme und Konflikte ausgeräumt wären, die in einer streitbaren Demokratie aus weiteren Gründen virulent sind.

 


[1] https://www.songtexte.com/songtext/laurie-anderson/born-never-asked-6bdd1a46.html

[2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/realitaetsverweigerung-linke-covidioten-kolumne-a-19519507-7692-451f-9fbd-7933b6bcf56b

[3] https://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2015/fup_15_044-studie-linksextremismus/index.html

[4] https://www.hss.de/publikationen/demokratie-und-diktatur-pub1081/