Linksextremismus ein verdrängtes Thema?- Einleitung

Anti-Nazi-Demo 2005 in Jena
Foto: Matthias Sengewald

Warum das Thema Linksextremismus jetzt?
Dies wird den einen oder anderen wundern oder gar Kritik hervorrufen. Denn gerade der letzte Verfassungsschutzbericht 2019/20 hat auf das Ansteigen rechter Gewalt fokussiert, gibt es seit geraumer Zeit eine Debatte um das Versagen staatlicher Behörden gegenüber Rechtsextremen. Dertige Fragen wollen wir mit dem jetzt gewählten Thema keineswegs wegblenden, zumal es unter denen, die aktiv an der Überwindung der SED-Diktatur beteiligt waren, viele gibt, die sich jetzt gegen nationalistische und rassistische Tendenzen wie gegen alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und damit immer noch „für ein offenes Land mit freien Menschen“ engagieren.

Aber erstens war unsere Planung schon älter. Zweitens gibt es gerade unter den früheren Oppositionellen und Aufarbeitungsaktivisten immer wieder Debatten um den Einfluss und die Gefährlichkeit linker Ideologen und Akteure. Und drittens wird zu oft mit Statistiken, die das eine oder das andere oder ein drittes Thema für das Wichtigste erachten, oft nur die eigene Sicht zu bestätigt, anstatt unabhängig der Frage nachzugehen, was unsere Demokratie und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft bedroht, unabhänig vom Etikett „links“ oder „rechts“. Notwendig ist die differenzierte Auseinandersetzung.

Die akuellen Befunde, die FUB-Forscher Klaus Schröder aus den letzten Jahren zusammengestellt hat, sind alarmierend genug, sich mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen. Er lenkt den Blick auf die aktuelle linke Gewalt und ihre Hintergründe, tut dies aus einer diesbezüglich grundsätzlich kritischen Position und kommt zu dem Schluss: „Eine reale Bedrohung für die soziale und politische Stabilität der Republik sind sie weiterhin nicht. Eine im wahrsten Sinne des Wortes streitbare und notfalls kämpferische Demokratie darf gleichwohl den Feinden der offenen Gesellschaft keinen Spielraum lassen, ihre freiheits- und demokratiefeindlichen Überzeugungen umzusetzen.“

Nach wie vor gibt es noch viele, die derartigen Akteuren here soziale oder antifaschistische Ziele, die Herkunft aus einer gemeinsamen Szene zubilligen oder überharte staatliche Reaktionen als Ursache für vermeintliche Gegengewalt benennen. Ein Dokument der Hilflosigkeit ist kürzlich die Antwort von Berliner Kommunalpolitikern, die als Reaktion auf einen Hilferuf von Nachbarn der besetzten Rigaer Straße in Berlin ausschließlich mit sozialarbeiterischem Verständnis reagieren. Doch Gehwegplatten, geworfen von Dächern auf Polizisten, gewalttätige Angriffe aus einem besetzten Haus auf Nachbarn und sogar Sanitäter und der Aufruf, die Corona-Krise zu nutzen, den Staat zu destabilisieren, lassen darauf schließen, dass sich die Urheber schon längst von den Mininalnormen des menschlichen Miteinanders verabschiedet haben.

Das führt zu der Frage, ob die Einordnung solcher Tendenzen als „links“ überhaupt noch richtig ist. Wo sich ein Gewaltmythos verselbstständigt, verwischen sich die Grenzen der -ismen. Möglicherweise geht in eine selbstgestellte Falle, wer sich zu lange bei ideologischen Erklärungen aufhält, statt nach anderen, etwa sozialpsychologischen Gründen derartiger, auch medialer, Selbstdarstelltung zu suchen. Allerdings kann man nicht davon absehen, dass meisten hier thematisierten Geschehnisse und Äußerungen von Personengruppen ausgehen , die sich selbst in der Tradition linker Bewegungen sehen. Schröder sieht daher in einem zweiten Aufsatz auch eine Wurzel der Militanz in der Tradition gewaltorientierter Strategien seit der Studentenbewegung von 1968. Das ist ein Erklärungsansatz, wohl aber kaum der einzige für die militante und im Grunde gesellschaftsfeindliche Selbstermächtigung.

Wer durch Kommentierungen und ergänzenden Texte das Thema abrunden möchte, kann dies gerne tun. Zeitnah nat Gerold Hildebrand, der jahrelang Erfahrungen im Linksextremismusprojekt der Gedenkstätte Hohenschöhausen gesammelt hat, einen Diskussionsbeitrag „Linksextremismus und SED-Staat“ in Reaktion auf den Artikel von Klaus Schröder eingereicht, der zur weiteren Anregung der Debatte hier dokumentiert wird.

Aus aktuellem Anlass haben wir zwei Kurzartikel aufgenommen. Dies Diskussion um die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) zeigt, dass es beim Thema Linksextremismus mit der Etikettenkleberei keineswegs so einfach ist, wie Verfassungsschutzämter weis machen. Einige Informationen wurden außerdem zur neuen Freien Deutschen Jugend (FDJ) aufgenommen worden, die neuerdings mit Aktionen in Ostdeutschen Städten von sich reden macht. Ein link führt zu dem essayistischen wie kennnisreichen Diskussions- Beitrag zum aktuellen Thema „Antifa“.

Ergänzendes findet sich auch in den Aufarbeitungsnachrichten, die im Wesentlichen auf einer Zusammenstellung von Gerold Hildebrand beruhen.