„Halle ist für mich wie ein Trauma"

Rückblick auf die Zeit als Jugenddiakon und die Offene Arbeit in Halle/Halle-Neustadt
von Lothar Rochau2

Foto: Lothar Rochau heute und 1979

 

Anfänge

Am 1. Oktober 1977 kam ich als junger Jugenddiakon nach Halle-Neustadt. Die „Reißbrett-Stadt” diente vor allem den Beschäftigten der Chemischen Werke „Buna” und „Leuna“ als Wohnort, bis 1980 wuchs sie auf über 93.000 Einwohner. Die sozialistische Chemiearbeiterstadt Halle-Neustadt war ein Prestigeprojekt der DDR-Staatsführung. Hier sollte der „neue Mensch einer neuen Gesellschaft“ zuhause sein.

Foto: Lothar Rochau 1979

 

Das Durchschnittsalter der Bewohner lag damals bei 27,2 Jahre. Dies hatte seinen Grund in der komplett staatlich gelenkten Wohnungspolitik der DDR, wonach verheiratete Paare mit Kindern bevorzugt Anrecht auf die „Versorgung mit Wohnraum“ hatten. Folge davon war ein demografischer Überhang von Kindern und zunehmend Jugendlichen in allen DDR-Neubaugebieten.

Auch die Evangelischen Kirchen in der DDR widmeten sich in den 70er Jahren zunehmend den „Neubaugebieten“, indem sie versuchten, mit den dort wohnenden Christen neue Formen der Gemeindearbeit aufzubauen. Die räumlichen Gegebenheiten waren meist schwierig, manchmal wurden als provisorische Räume Bauwagen auf kirchlichen Grundstücken genutzt. In Halle-Neustadt diente die Kirche des südöstlich gelegenen und teilweise abgerissenen Dorfes Passendorf der kirchlichen Arbeit, daneben die nordwestlich am Rande von Halle-Neustadt gelegene Dorfkirche in Nietleben. Zugleich gab es in dieser Zeit verstärkte Anstrengungen Kinder und Jugendliche zu erreichen und sich in der Arbeit mit Jugendlichen auch stärker unangepassten zuzuwenden, die in der kirchlichen Jugendarbeit für sich einen Freiraum entdeckten. Auch in Halle-Neustadt richtet sich die Jugendarbeit einen Bauwagen als ihren Treffpunkt her.

Ich baute mir damals einen großen ehrenamtlichen Mitarbeiterkreis auf, welcher auch im Laufe der Jahre zum Freundeskreis wurde. Wir veranstalteten regelmäßig thematische Abende mit dem Anspruch, offen zu bleiben für das lnfragestellen bisher geltender Konventionen, Doktrinen und Schulmeinungen.

Bereits 1978, also wenige Monate nach meinem Dienstantritt als Diakon für Jugendarbeit, hatte ich wöchentlich mit rund 250 jungen Menschen zwischen 16 – 30 Jahren zu tun.
Höchstens 10% waren konfessionell gebunden. Lehrlinge und Facharbeiter waren die größte Gruppe, die regelmäßig Angebote der Offenen Arbeit wahrnahmen.

Bedingt durch die Altersstruktur, die völlig unzureichenden Angebote an selbstbestimmter Freizeitgestaltung und eine permanente staatliche Vereinnahmung gerade im Schul- und im Erziehungsbereich traten verstärkt soziale Probleme auf. Probleme bereiteten die überproportional vielen Ehescheidungen, Kinder- und Jugendkriminalität, Alkoholismus und eine erhöhte psychische Störanfälligkeit unter den Bewohnern der riesigen Neubaublocks. Junge Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren, wurden im Rahmen der Wiedereingliederung und Aufarbeitung von tieferliegenden Gründen ihrer Delinquenz unterstützt.

Themenreihen gab es wie in anderen Zentren der Offenen Arbeit auch in Halle-Neustadt zu Gerechtigkeit, Abrüstung, Frieden; gesellschaftliche Veränderungen in der DDR und deren Folgen; „Wurzel von Gewalt” und Gewaltphänomene; Fragen nach der Entfremdung des Menschen zur ökologischen Krise sowie religiösen Themen, es gab Buchlesungen und Philosophiekurse.

 

Weiteres dazu

Jährlich veranstaltete die Offene Arbeit in Halle-Neustadt eine Werkstatt als Gemeindefest an einem Wochenende. Ziel der Werkstätten war es mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen, zentrale Fragen und Probleme hierarchiefrei zur Sprache zu bringen und Antworten zu versuchen; unterschiedliche Richtungen, Aktivitäten und Interessen zu konzentrieren und an gemeinschaftlich gefundenen Themen zu arbeiten.

Fünf Elemente waren bei den Werkstätten kennzeichnend: Erstens die Auseinandersetzung mit einem Thema, die Sensibilisierung des Publikums und die Bereitstellung von Informationen. Der „rote Faden” des Themas zog sich durch mehrere Stellen der Werkstattbausteine. Zweitens die Kreativität und Einbringung des Publikums, drittens Elemente von Kunst und Kultur wie Musik, Theater, Lesung, Malerei etc., viertens die Einbeziehung der Kinder: es wurden Feste, ein Kinderladen und Puppenspiele organisiert und fünftens Religiöse Elemente, z.B. Gottesdienst, liturgische Nacht und politisches Nachtgebet.

Foto: Werkstatt 1979

IV. Werkstatttreff

Zeitgenössicher Werkstattbericht. Mehr...

Vor allem der IV. Werkstatttreff vom Oktober 1979 erlangte große Bedeutung. Ziel war es junge Menschen durch das Evangelium wacher zu machen, ihr bewusstes Erleben zu steigern, ihre Verkrampfungen zu lockern, Verhärtungen abzubauen - kurz, Menschen lebendiger zu machen. Jenseits des Gottesdienstes, der religiösen Meditation und der liturgischen Nacht war das Thema Südafrika ein Schwerpunkt, kritische Liedermacher, wie Bettina Wegner und Ekkehard Maaß traten auf. Es wurden zeitkritische Karikaturen ausgestellt. Das Programm zog auch ohne große Werbung zwei Tage lang zwischen 400 bis 600 junge Leute von 16 - 30 Jahren an.

Foto: Werkstatttreff 1979

Das geplante Motto, „Du, laß Dich nicht verbittern – Zeichen unserer Hoffnung,“ nahm Bezug auf ein Lied von Wolf Biermann, der in der DDR nicht mehr öffentlich auftreten durfte. Dies führte schon im Vorfeld zu Konflikten mit der Amtskirche. Sie reagierte offenkundig auf staatlichen Druck. Ich bin am 18.10.1979 von hauptamtlichen Mitarbeitern der Kirchengemeinde Halle aufgefordert worden, den ersten Teil des Themas wegzulassen. Plakate mit dem Motto wurden abgerissen. Wir wurden aufgefordert, die kritischen Karikaturen nicht zu zeigen. Die beschäftigten sich mit Themen wie kleinbürgerliche Verhaltensweisen in der DDR, der Wehrpflicht in der NVA (Pflicht und Ehrendienst?), Wahlen in der DDR, Beziehungen zwischen Ost und West. Einer der Karikaturisten befand sich seinerzeit in U-Haft. Doch deren Aufforderung an Mitarbeiter der Gemeinde, die Karikaturen zu entfernen, wurde nicht Folge geleistet.

Die eigene Person in die Waagschale werfen- Konzept und Motivation

Die offene (Jugend) Arbeit, die ich gemeinsam mit Freunden aufbaute, setzte von Anfang auf eine eigene Ausrichtung. Es war keine offene Jugendarbeit, Sozialarbeit oder Straßensozialarbeit nach heutigem Verständnis, sondern der Versuch, gemeinschaftlich, authentisches Leben zu praktizieren. Diese Arbeit lebte von der Stärke der Gemeinschaft und von der Einmaligkeit der Stärken eines jeden Einzelnen.

Man war mit dieser Arbeit nicht im staatlichen Raum, aber auch nicht im herkömmlichen kirchlichen Raum angesiedelt. Die Suche nach Freiräumen wurde ständig thematisiert. Eine beeindruckend große Zahl junger Menschen verzichtete bewusst auf eine berufliche Karriere, da die eigene Glaubwürdigkeit als höheres Gut angesehen wurde. Mit dieser Haltung nahmen die Freunde und Freundinnen der offenen (Jugend) Arbeit eine gewisse exponierte Rolle ein, in der sie jederzeit erkennbar, aber auch angreifbar waren. In der Auseinandersetzung mit dieser Rolle wurde eine Streitkultur erlernt, die für die späteren Lebensjahre und Ereignisse, gerade in den Jahren 1989 und danach, von großer Bedeutung werden sollten.

Ein unverfälschtes, authentisches Leben war unter den Bedingungen der Diktatur in der DDR schwer zu leben. Wir hatten uns damals mit drei Ebenen auseinanderzusetzen: der Welt der kleinen und großen Lügen des Staates, der Welt der persönlichen Erfahrungen, der Welt der Träume und Visionen. Heute sind die Lebensentwürfe, Wertvorstellungen und Interessen von Kindern und Jugendlichen von der Chance auf Selbstgestaltung, Selbstverwirklichung und Selbstorientierung bestimmt. Diese Chance zur Eigenverantwortlichkeit birgt Risiken, die Übergänge zwischen den Lebensabschnitten nicht erfolgreich zu bestehen.

Damals, 1977, konnte ich meine berufliche Identität schnell finden, weil die „Gegenwirklichkeit” ziemlich klare Konturen hatte. Entscheidend war für uns Mitarbeitende in der Jugendarbeit die Beziehungsarbeit. Es gibt keine andere Möglichkeit, als das Menschen, die mit anderen Menschen in einer Beziehung stehen, die eigene Person in die Waagschale geben. Wir fühlten uns in unserer beruflichen Tätigkeit auch deswegen so stark, weil sie so sehr den eigenen Vorstellungen vom Leben entsprach und unsere Profession authentisch mit dem eigenen Leben abgedeckt war.

Verkündigung und der Glaube an Gott waren für uns die Suche nach dem, was zwischen Himmel und Erde wahr ist und über das der Mensch nicht verfügen kann. Die Auseinandersetzung mit unserer Umwelt, die wir mit dieser Wahrheit konfrontierten, das war Gottesgeschehen, egal ob es Liebe, Bewahrung der Schöpfung oder Gerechtigkeit genannt wurde.

Wir waren alle besessen von Mythen. Das in einer so wenig mythenreichen Zeit.
Und wir haben immer von Geschichten gelebt. Geträumt haben wir aber immer von der Revolution - die sollte natürlich friedlich sein. Und diese „Revolution“ ist mir mit den Geschichten des Neuen Testaments erzählt und erklärt worden. Diese habe ich leidenschaftlich weitererzählt. Wer sich nicht für die Liebe begeistern kann, ist tot.
 

Werkstatt-Treffen 1979 und Konflikte

Das geschilderte IV. Werkstatttreffen stellte in jeder Beziehung einen neuen Abschnitt in unserer Arbeit dar. Es zeigten sich große Differenzen zwischen der traditionellen Kirchgemeinde Halle-Neustadt und der Offenen Arbeit in Halle-Neustadt. Wir waren enttäuscht, dass unser Geprächsangebot von Seiten der Gemeindeleitung nicht angenommen worden war. Unabgestimmt und daher geschwächt ging man mit unterschiedlichen Standpunkten in Gespräche mit staatlichen Stellen. Es war schon zu größeren Auseinandersetzungen vor allem mit der „Abteilung für innere Angelegenheiten” beim Rat der Stadt Halle-Neustadt gekommen. Der hier zuständige Mitarbeiter für Kirchenfragen war eingebunden in eine enge Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit und der SED. Während die Offene Arbeit in anderen Zentren der ehemaligen DDR (z.B. Erfurt) kirchenleitente Fürsprache hatte, musste sich die Offenen Arbeit in Halle-Neustadt immer von neuem rechtfertigen. Sie gefährde den „guten und partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Staat und Kirche“3. Dabei waren wir damals sogar teilweise kooperationsbereit. In dieser Zeit war ich immer wieder dafür eingetreten, eine punktuelle Zusammenarbeit mit der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und anderen staatlichen Institutionen und Einrichtungen zu suchen.

Aus Sicht der offenen Arbeit erwies sich die Großstadtgemeinde Halle-Neustadt als unfähig, die Außenseiter und Unbequemen zu integrieren. Sie verleugnete die Zusage Jesu: „Keinem der zu mir kommt, werde ich zurückstoßen”. Die institutionalisierte Kirchengemeinde machte sich damit schuldig am Sendungsauftrag der Kirche. Es ging darum, wie weit sich die Gemeinde öffnen und damit Jesu nachfolgen will oder wie weit sich die Gemeinde aus Angst, Unwissenheit, Bequemlichkeit, Überraschungen und Fremdheit verschließt. Die Frage der Offenheit der Gemeinde Halle-Neustadt war gerade in einer völlig säkularisierten Umwelt auch eine Überlebensfrage der kirchlichen Betätigung.

Ab 1980 setzten sich die staatlichen Vertreter eine härtere Linie gegenüber der Offenen Arbeit Halle-Neustadt durch. Erklärtes Ziel war die Ausschaltung der „Sekte“ und des „Staatsfeindes” in der Offenen Arbeit. Gleichzeitig fand ein zähes und stetes Ringen mit der Kirchenleitung auf Gemeinde, Kreis- und Landesebene statt. Die verfasste Kirche ermahnte uns „gebetsmühlenartig” ruhig zu bleiben und keinerlei spektakuläre Aktionen zu machen. Eine Begrenzung auf nur religions- und sozialpädagogische Zielstellungen widersprach jedoch unserem Verständnis vom prophetischen Auftrag der Kirche. Das Erlernen des „aufrechten Ganges” im Kontext einer sozialistischen Neubaustadt führte unweigerlich und sehr schnell zum gesellschaftskritischen Engagement und staatlicher Repression.

Zuspitzung und Verhaftung

Im Frühjahr 1981 forderte der damalige Staatsanwalt des Bezirkes Halle (Saale) meine Entlassung aus der Kirche. Der Hintergrund war meine Mitarbeit als Christ in einem Arbeitskreis, der sich mit Fragen des real existierenden Sozialismus, der Korruption und des Machtmissbrauchs beschäftigte. Wir haben uns deutlich gemacht, dass zu einem der unbestrittenen Ziele des Kommunismus die Abschaffung des Prinzips des Staates und der Herrschaftsbeziehungen zwischen Menschen gehört. Wir waren aber so realistisch, dass wir uns mit Möglichkeiten beschäftigt haben, wie der einseitigen Anhäufung von Macht zu begegnen sei.

Im September 1981 erklärte ich meinem damaligen Bischof Werner Krusche, mein Konzept vom Christsein in der DDR. „In Jesu Forderung der Liebe sehe ich die Aufforderung und den Auftrag, die Würde des Menschen als Person radikal zu verteidigen. Ich bin zu der festen Überzeugung gekommen, dass jeder Mensch einen Eigenwert hat und dieser darf in keiner menschlichen Gesellschaft dem Zwang einer Ideologie oder eines Systems unterworfen werden. Von diesem Ansatzpunkt, den ich persönlich identisch sehe mit einem ursprünglichen Christentum, bin ich auf der Suche nach einem Sozialismus, der es gut meint mit den Menschen.“

Die Rückendeckung durch den Bischof blieb jedoch aus. Dr. Werner Krusche erklärte gegenüber dem Bezirksstaatsanwalt und dem stellvertretenden Ratsvorsitzenden für Inneres im Bezirk Halle„Wenn der Diakon Rochau gegen bestehende Gesetze verstoßen hat, so möge er genau wie jeder andere DDR-Bürger zur Rechenschaft gezogen werden".4 Er wünsche keinerlei Sonderbehandlung für kirchliche Amtsträger und Mitarbeiter.5 Dieses Zitat entstammt einer Stasi-Protokollierung, möglicher Weise mit der Absicht zugespitzt, Rochau sofort kriminalisieren zu können. Möglicherweise war es aber auch vom Bischof so gemeint, dass Rochau gegen gein Strafgesetz verstoßen hätte und daher nicht zu verfolgen sei.

MfS-Dokument der Kirchen-Abteilung  XX/4 der Stasi- Bezirksverwaltung Halle

Die Staatssicherheit reagierte dann allerdings aus kirchenpolitischen Gründen differenzierter. Sie ließ zwei meiner Freunde verhaften und zu je 30 Monaten verurteilen. Der vertretende Rechtsanwalt war Wolfgang Schnur, der später als lnoffizieller Mitarbeiter (IM) der Staatssicherheit enttarnt wurde.

Ich selbst wurde in einem neuen „Operativen Vorgang” überwacht. Da wir uns gerade in dieser Zeit mit Fragen von Krieg und Frieden („Schwerter zu Pflugscharen” und „Sozialer Friedensdienst") der Zerstörung der natürlichen Umwelt im Großraum Halle/Leipzig und Fragen zur Jugendproblematik beschäftigten, hatten die staatlichen Stellen ein verstärktes Interesse mich aus der „Vorzeigestadt" Halle-Neustadt zu entfernen.

Nachdem sich der Konflikt zuspitzte und nun Jugendliche davon betroffen waren, kam es zur Beurlaubung und Kündigung durch den Kreiskirchenrat von Halle (Saale). Nun ging man aber auch gegen mich repressiv vor. Es kam im Juni 1983 zur Verhaftung. Da ich nun kein kirchlicher Mitarbeiter mehr war, wurde ich wurde am Bezirksgericht Halle (Saale) angeklagt und gemäß §§ 106, 214, 219, StGB der DDR (Hauptvorwurf: „Staatsfeindliche Hetze”) zu drei Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Am 31.10.1983 wurde vom Obersten Gericht der DDR, das Urteil von 3 Jahren Freiheitsentzug bestätigt.

Nach meiner Beurlaubung im Herbst 1982 veränderte sich die Offene Arbeit in Halle-Neustadt stark. Die Teilnehmer zogen sich gezwungener Maßen aus der Kirchgemeinde zurück und teilten sich in verschieden große Hauskreise auf. Die Hauskreise funktionierten gut, die Privatwohnungen waren übervoll, aber die Enttäuschung über das Verhalten der Kirche saß tief.

Besonders ärgerlich war der Vorwurf an die Offene Arbeit, in ihrem Verständnis und ihrer Arbeit nicht anfragbar zu sein. Offene Arbeit war in Halle-Neustadt immer anfragbar gewesen, solange eine Legitimation aus dem Evangelium nicht bestritten wurde. Zum ersten Mal wurde im größeren Stil das „schützende Dach der Kirche” verlassen - eine Vorwegnahme der Ereignisse ab 1988.

Manchmal sprechen mich heute noch Menschen an auf die damalige Zeit und die offene (Jugend) Arbeit. Ich bin dann ganz dankbar, denn wie heißt es so schön: „Die erste Stelle ist wie die erste Liebe” und die sollte man niemals verleugnen.

Anmerkungen

1 Zitat von Walter Schilling. Er war Pfarrer in Braunsdorf, einem Dorf bei Saalfeld. Als nebenamtlicher Kreisjugendpfarrer war er einer der Inspiratoren und Gründer der „Offenen Arbeit“ in den evangelischen Kirchen der DDR.

2 Stark überarbeitete Neufassung des Beitrages „Die Konflikte um den Jugenddiakon- Lothar Rochau und sein Dienst in Halle“, Gemeinschaftswerk Ev. Publizistik. Frankfurt am Main 1996: Es gibt eine sehr ausführliche Internetdokumentation der Ausstellung von 2013, gestaltet von Sebastian Bonk, Florian Key und Peer Pasternack im Institut für Hochschulforschung (HoF) Halle-Wittenberg an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

3 Dieser Formulierung, die in den Gesprächen mit Kirchenvertretern von staatlicher Seite verwendet wurde, kräftig unterstützt von der Blockpartei CDU, verdeutlicht die Ziele der Kirchenpolitik in der DDR: Die Kirchen sollten sich auf den traditionelle Amtshandlungen und religiösen Kultus begrenzen. Das fiel aber insofern teilweise auf Zustimmung, als ein erheblicher Teil Christen und Amtsträger konservativ eingestellt waren.

4 BV Halle/Abt. XX. Bericht. 31.3.1981. BStU, BV Hal

Rebellion im Plattenbau: Die Offene Arbeit in Halle-Neustadt 1977-1983

Eine Ausstellung und der Katalog dazu entstanden in Kooperation eines wissenschaftlichen Teams vom Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit einer Zeitzeugen-Gruppe der früheren OA und dem damaligen Jugenddiakon Lothar Rochau.

Eine sehr informative und gründlich recherchierte Dokumentation. 

https://www.hof.uni-halle.de/publikation/rebellion-im-plattenbau-die-offene-arbeit-in-halle-neustadt-1977-1983-katalog-zur-ausstellung/ 

Die Ausstellung: http://oa-halle-neustadt.de/ 

Vom „Roten Ochsen“ geprägt (2) – Berichte politisch Inhaftierter aus den 80er Jahren

In der Broschüre erzählen Menschen über ihre Empfindungen während der Untersuchungshaft beim Ministerium für Staatssicherheit in Halle. Darin auch eine Erinnerung von Lothar Rochau, S. 74ff.

https://aufarbeitung.sachsen-anhalt.de/service/broschueren-betroffene-erinnern-sich/