Bericht über das IV. Werkstatt- Treffen der Offenen Arbeit Halle-Neustadt

19.-20. Oktober 1979

  1. Vorbemerkung:

Vom 19.-20. Oktober 1979 fand auf dem Gelände der Kirchengemeinde Halle-Neustadt, unser IV. Werkstatt-Treffen statt.
Es sollte unter dem Thema stehen: „Du, laß Dich nicht verbittern – Zeichen unserer Hoffnung.“

Ich bin am 18.10.1979 von hauptamtlichen Mitarbeitern der Kirchengemeinde Halle aufgefordert worden, den ersten Teil des Themas wegzulassen.

Begründung:
Hier würde mit Wolf Biermann für eine kirchliche Jugendveranstaltung geworben. Außer zwei Plakate, die aber nach wenigen Stunden auf Veranlassung von hauptamtlichen Mitarbeitern aus Halle-Neustadt entfernt worden, passierte keinerlei offizielle Werbung für dieses Werkstatt-Treffen.

Die Teilnehmerzahl schwankte zwischen 400 und 600 jungen Leuten zwischen 16 - 30 Jahren. Der Trägerkreis dieser Veranstaltung war der Vorbereitungskreis der Offenen Arbeit Halle-Neustadt.
Ihm gehören zum überwiegenden Teil junge Arbeiter über 20 Jahre an. Finanziell wurde diese Veranstaltung (rund 4200,- Mark (Ost) Vorauslagen) einzig und allein von der Offenen Arbeit Halle-Neustadt getragen.

Zielgruppen:

Junge Berufstätige, Schüler und Studenten und sozial und emotional gestörte Menschen

Zielvorstellung:

Junge Menschen durch das Evangelium wacher zu machen, ihr bewußtes Erleben zu steigern, ihre Verkrampfungen zu lockern, Verhärtungen abzubauen - kurz, Menschen lebendiger zu machen

II. Programmablauf:

Sämtliche Leute die an der direkten Programmgestaltung teilgenommen haben, sind vorher über Thema und Zielvorstellungen ausführlich informiert worden.

Freitag, den 19.10.1979

- 19.00 Begrüßung durch einen Freund aus dem Vorbereitungskreis Organisatorische Einzelheiten

- 19.30 Meditation zum Thema (L. Rochau)
Hoffnung im Sinne Jesu weckt Leidenschaft für das Mögliche
Begleitung durch Klaviermusik

- 20.00 Bettina Wegener (Liedermacherin-Berlin)

a.) Lieder über Kinder

b.) sozialkritische Lieder

c.) Liebeslieder

- 21.30 Songs & Folk & Blues
(Ekkehard Maaß - Berlin) im Wechsel mit 2 Freunden der Offenen
Arbeit Halle-Neustadt

- 23.00 Kurze Verabschiedung mit Hinweis auf den Gottesdienst am 20.10.1979, 11.00 Uhr

Übernachtungen waren in Privatquartieren in halle und Halle-Neustadt.
Gegen 23.15 Uhr konnten die Leute von außerhalb bequem mit Bus und S-Bahn Halle erreichen. Bei größeren Gruppen gingen jeweils Leute aus dem Vorbereitungskurs der Offen Arbeit mit.

Sonnabend, den 20.10.1979

- 11.00 Gottesdienst
„Selig sind, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden”

Konkrete Situation: Südafrika

Gestaltet wurde dieser Gottesdienst von Schülern der jüngeren Offenen Arbeit von Halle-Neustadt

- 12.00 Angebote
bis
14.00 Henry Jentsch - Halle/Lettin (Malerei und Grafik)

Heike Köhler - Halle-Neustadt (Grafik)

Claus Bach - Weimar (Fotosausstellung z. Thema)

W. Blaschke - Halle (Malerei und Grafik)

Ali Kuhn - Erfurt (Karikaturen)

Vermerk:

Uns war bekannt, daß Ali Kuhn seit dem 25.8.1979 in U-Haft in Erfurt einsitzt. Trotzdem war der Vorbereitungskreis der Meinung, daß die Karikaturen gezeigt werden sollten.

Begründung:

1. Menschen wachzuhalten für die Probleme in unserer Zeit und Gesellschaft

2. anzuregen über diese Probleme zu diskutieren

3. deutlich zu machen, daß sich Christen auch mit solchen Fragen in unserer Gesellschaft beschäftigen müssen

Problemfelder in den Karikaturen:

  1. Kleinbürgerliche Verhaltensweisen in der DDR

  2. NVA (Pflicht und Ehrendienst?)

  3. Wahlen in der DDR

  4. Beziehungen zwischen Ost und West

Die Aufforderung von Mitarbeitern der Gemeinde, die Karikaturen zu entfernen, wurde aus diesen Gründen nicht Folge geleistet.

Mittagspause

Verpflegung: Suppe, Bratwürste, Fettbrote, Tee, Cola, Bier

- 14.00 Soul & Blues
P. Neidel und Freunde (P. Neidel ist in der Offenen Arbeit aktiv)

- 15.00 Versteigerung von den gespendeten Gegenständen der Mitglieder (Einnahme: 677,20 M)

- 16.00 Kurzerzählungen zum Thema (mit Diskussion)
K.H. Dienelt (29 Jahre Chemiefacharbeiter - Buna)
Mitglied des Vorbereitungskreises der Offenen Arbeit

- 17.00 Deutsche und Irische Folklore
(teilweise zum mitsingen)

- 18.30 Lyrik zum Thema
(Bert Gorek - Berlin) Diskussion

- 20.00 Klassische Musik
Vier Musikstudentinnen aus Potsdam
Werke von Mozart, Haydn, Telemann

- 21.00 Songs zum längeren Nachdenken
Musikalische Verarbeitung von E. Kästner und K. Tucholsky-Texte
Uwe Kelle - Erfurt

- 23.00 Höhepunkt und Abschluß - LITURGISCHE NACHT -
mit Agape-Mahl
(Du, laß dich nicht verbittern - Zeichen unserer Hoffnung)
Matth. 5.3-10
Begleitung durch Querflöte und Klavier
Gestaltung durch Vorbereitungskreis Offene Arbeit und Stadt-jugendpfarrer Neher - Halle

- 0.30 Schluß (gegen 2.30 Uhr war das Grundstück wieder in einem ordnungsgemäßen Zustand)

III. Schlussbemerkung

Dieses IV. Werkstatt-Treffen stellte in jeder Beziehung einen neuen Abschnitt in unserer Arbeit dar.
Es zeigten sich große Differenzen zwischen der Gemeinde Halle-Neustadt und der Offenen Arbeit in Halle-Neustadt. Diese Differenzen müssen auf der Gesprächsbasis ausgetragen werden.
Der Vorbereitungskreis ist jederzeit bereit, wie wir es mehrfach unter Beweis gestellt haben, mit der Gemeindeleitung von Halle-Neustadt zusammenzuarbeiten.
Wir verstehen es nicht, warum von seiten der Gemeindeleitung dieses Angebot nicht wahrgenommen wurde.
Zum anderen ist es ein Unding, daß von den staatlichen Stellen, genau eine Woche vor Beginn der Veranstaltung, in dieser Art und Weise in die Vorbereitung eingegriffen worden ist.
Für die Zukunft wäre zu fragen, ob die Verhandlungen nicht bereits von Anfang an, auf Kirchenkreisebene geführt werden sollten.
Meines Erachtens nach, kann man nicht von seiten der Kirchengemeinde mit so unterschiedlichen Standpunkten in solch wichtigen Gespräche mit staatlichen Stellen gehen.
Der Vorbereitungskreis der Offenen Arbeit von Halle-Neustadt sieht es als ganz dringend an, möglichst bald auf Kirchenkreisebene ein klärendes Gespräch über die Zukunft dieser Großveranstaltung zu führen.

L. Rochau
- Jugendarbeiter -

Halle, den 8. November 1979