Editorial

H-und-G.info Schwerpunkt: Vor der Mauer- das alte Westberlin

Ursprünglich gab es Westberlin gar nicht. Im vornehmen Westbezirk Zehlendorf residierte zunächst der Vater von Gregor Gysi nach dem Ende der Hitler-Zeit als Bürgermeister auf Weisung der sowjetischen Besatzungsmacht. Deren Diktator Stalin hatte Druck gemacht und ohne Rücksicht auf Verluste seine rote Armee über die Oder gepeitscht, um den Wettlauf um die Reichshauptstadt zu gewinnen. Aber Anfang 1945 hatten die Kriegsallianz auf einer Konferenz in Jalta auf der Krim festgelegt, Berlin in vier Sektoren zu teilen. Die Westalliierten, die USU und Großbritanien und die Franzosen sollten schließlich auch ihren Teil bekommen. So musste der den sowjetischen Organen nahestehende Gysi seinen Posten wieder räumen. Aber auch mit dem Einrücken der Westalliierten im Sommer 1945 war Berlin zunächst zwar sektoriert, aber noch nicht geteilt. Ernst Elitz gibt in seinen Erinnerungen einen plastischen Eindruck von diesem –auch inspirierenden– Leben in dieser Melange. Billy Wilder „Eins, Zwei, Drei“ lieferte mit seiner Filmkomödie die Bilder dazu. Allerdings, so schildert es Arthur Schlegelmilch, so offen wie das Brandenburger Tor, war die politische Perspektive im aufkommenden kalten Krieg damals keineswegs mehr, wie das Scheitern des Nachkriegsoberbürgermeisters Otto Ostrowski zeigt.

Zwar blieb Berlin auch nach dem Mauerbau irgendwie das letzte Stück der Antihitlerkoalition. Der Vier-Mächtestatus blieb bis zur Deutschen Einheit eine Art heiliger Kuh, die man nicht antasten durfte. Auch wenn er im Alltag jenseits von jährlichen Tatoos, Volksfesten und Paraden kaum noch sichtbar war, zogen die Westalliierten im Hintergrund bei vielen Fragen, wie Ronny Golz aufzeigt, noch an den Fäden. Ihre Entfremdung mit der Sowjetunion im Kalten Krieg spaltete letztlich auch die Stadt.

Westberlin entstand nicht erst mit der Mauer, jedenfalls wenn man es nicht nur als geographisches Gebilde definiert. Krisen und Charisma formten eine Geisteshaltung, die unabhängig von politischen Institutionen existierte. Geprägt durch Sentenzen wie das „Völker der Welt, schaut auf diese Stadt“ von Ernst Reuter im Jahr1948, mitten in der Zeit, als die „Sowjets“ die Zufahrtswege blockierten und die Westalliierten die Weststadt mit der Luftbrücke durchfütterten. Dazu gehört auch Kennedy, mit seinem „Ich bin ein Börliinärrr“ von 1963, als (späte) Reaktion auf den Mauerbau und die Kubakrise von 1962, die bei Berlinern die Angst geschürt hatte, es könne wieder so kommen wie bei der Blockade ´48- oder schlimmer. Zu den rhetorischen Geburtshelfern gehörten auch die verschiedenen Reden der späteren Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt. Hervorhebenswert die wöchentliche Rubik, „Wo uns der Schuh drückt“ im Radio nach den Klängen der von den Amerikanern gestifteten Freiheitsglocke. Ansgar Hocke hat in seinem Bürgermeisterportrait des Kommunalpolitikers Brandt aufgedeckt, dass seine berühmte Formulierung vom Tag nach der Maueröffnung am 10. November 1989, dass nun zusammenwachse, was zusammen gehört, schon lange vorher angelegt war.

Das alte Westberlin wurde aus einem Freiheitspathos geschmiedet, das im beginnenden kalten Krieg überlebensnotwendig war. Das hatte die ambivalente Folge, dass die Westberliner in dem Bewusstsein lebten, der Nabel der Welt zu sein, allein dadurch, dass die Stadt Seismograph der internationalen Spannungen war. Das wurde zum Problem, als die Stadt mit dem Viermächte- und Transitabkommen von 1971 und der Entspannungspolitik ein solides Maß an Normalität gewann, aber damit auch auf sich selbst geworfen war. „Von nun an gings (irgendwie) bergab…“ möchte man mit Hildegard Knef texten.

Statt der Charismatiker Reuter und Brand regierten nun die Schütz´ und Stobbes und irgendwann Diepgen, der das ihm angedichtete Image des blassen Eberhardts partout nicht loswurde. Unterbrochen wurde die Ahnenreihe der Glanzlosigkeit durch die Bürgermeister Jochen Vogel und Richard von Weizäcker. Beide mussten quasi eingeflogen werden, als sich die Berliner Politik endgültig in den Sumpf geritten hatte. Der erfahrene SPD-Kommunalpolitiker hatte neue Ideen, konnte aber das Ruder nicht mehr rumreißen; der CDU-Seigneur plagiierte einiges davon und die Christdemokraten gewann die Wahlen, was bis dato im sozialdemokratisch geprägten Berlin als undenkbar galt.

Es zeigte sich bei der Autorensuche, dass das Thema Westberlin irgendwie gerade nicht wirklich „In“ zu sein scheint. Die Neuberliner, die inzwischen die Innenstadt erobert haben, verbinden offenbar wenig damit, die Alt-Westberliner haben sich in ihre Reservate zurückgezogen oder sind alt geworden. Dabei trägt Vieles in der vereinten Stadt von heute, noch deutliche Spuren des Damals. Z.B. die Begabung eher Geld auszugeben, als einzunehmen, datiert, was den Westen angeht, aus der Zeit, als Westberlin mit dutzenden von Vergünstigungen und Zuweisungen am Leben gehalten wurde und am Tropf des Bundes hing. Der Wirtschaftswissenschaftler Karl Brenke erinnert an die ökonomischen Auswirkungen. Die Deindustrialisierung hatte spätestens seit der Blockaden eingesetzt und wurde durch den Mauerbau verstärkt. Die hochgepäppelten langen Werkbänke, die Subventionen, aber wenig wirklichen Wert schöpften und kaum Arbeitsplätze schufen, kollabierten, als mit der Mauer die Sonderkonditionen wegfielen.

In einem Stadtstaat, indem so viel Geld durch die Hände des Senats verteilt werden wurde, konnte viel politisch gestaltet werden, v.a. im Wohnungsbau und der Kultur. Aber die Gefahr von Miss- und Vetternwirtschaft ist bei einer derartigen Struktur nicht weit. Von der Pleite des Steglitzer Kreisels über die Garski-Pleite zum Antes-Skandal zieht sich eine breite Spur, die Berlin manchem als Hauptstadt von „Sumpf und Korruption“ erscheinen ließ, vor allem im Bausektor.

Mit den Subventionen wuchs der öffentliche Dienst. Die Eigenbetriebe zur Daseinsvorsorge schufen viel Vorsorge für ihr eigenes Dasein und ähnelten in manchzielverlorener Selbstgenügsamkeit den Ostberliner Volkseigenen Betrieben (VEB) Blaskapelle und „Schulungsheim“ am Wasser inklusive. Der Berliner Gewerkschaftsvorsitzende war fast so mächtig wie der „Regierende“, Walter Sickert, SPD, war in Personalunion, jahrelang Vorsitzender des Abgeordnetenhauses.

Westberlin entwickelte damals eine Begabung für Surrogate. Wo der primäre und sekundäre Sektor nichts brachten, schufen Grüne Woche und Industrie- und Funkausstellung die Illusion, noch immer die Wirtschaftsmetropole zu sein, die sie vor dem Krieg zweifelsohne war. Und natürlich die Berlinale seit 1951, die Berlin gleichermaßen als Schaufenster der Freiheit herausstellte, der Stadt internationales Flair und Bedeutung geben sollte, je mehr ihre politische Bedeutung abnahm. Kultur, angefangen vom Karajan-Kult, war ein wichtiges Bindemittel in der Stadt, aber auch unverhohlen Lockmittel für Berlintouristen.

Westberlin, das waren aber nicht nur die Frontstadt Berliner, Berlin hatte auch eine unorthodoxe rebellische Seite. Auch sie ist mit einem Charismatiker, dem Studentenrebellen Rudi Dutschke, verbunden. Im Osten geboren, der ihm mental und politisch zu eng war, redete der Theoretiker und Agitator seine Generation nahezu sprichwörtlich auf die Barrikaden. Wenn man genau hinsieht, gab es jedoch Rebellentum in Berlin schon früher. Man muss nicht die revolutionären Jahre 1848 oder 1919 bemühen. Im Jahr 1965 wurde die Waldbühne anlässlich eines Rolling Stones Konzertes gerockt. Und 1962 hätten die Kreuzberger anlässlich der Ermordung des Ostflüchtlings Peter Fechter fast die Mauer gestürmt und die Westalliierten am liebsten mit. Was sogar, wie wir jetzt mit Lars-Broder Keil wissen, auch JF Kennedy beunruhigte. Aber Ende der 1960er, wie später in den Hausbesetzerkrawallen der frühen 1980er kulminierte dieses Rebellentum jedoch und machte, wie könnte es anders sein -weltweit- Furore, spaltete aber die Stadt, wie Michael Sontheimer noch einmal schlaglichtartig illustriert. Gerade ihrem Verhältnis zur globalen Medienresonanz nahmen sich die Frontstadt-Berliner und ihr Gegenüber aber nichts, wie Belinda Davis feinsinnig nachzeichnet. Nicht die einzige Gemeinsamkeit. Politisiert war die halbe Stadt wie kaum eine ganze in „Westdeutschland“.

Die Westberliner Studenten hatten noch 1948 „ihre“ Freie Universität mit Hilfe der Amerikaner gegründet, als die politischen Verhältnisse an der Ostberliner Humboldt-Universität immer unerträglicher wurden. Und nach dem 13. August 1961 halfen FU-Studenten ihren Kommilitonen aus dem „Osten“ mit gefaketen Papieren und Tunneln in den Westen. Warum Westberliner Studenten einige Jahre später Ikonen hinterherliefen, die totalitärer waren als Parteiführer Walter Ulbricht in der DDR, bleibt bis heute etwas rätselhaft. Unbedingter Freiheitswille und Orientierungslosigkeit durch die mit dem Vietnam-Krieg enttäuschte Liebe gegenüber dem Westen, suchten groteskerweise bei Mao, Thälmann, und Enver-Hoxha Halt.

Diese politisch-mentale Wende der Ostberliner Geheimpolizei, zuzuschreiben, wie das nach der Öffnung der Stasi-Akten manche meinten, ist wohl zu viel der „Ehre“ für die Stasi und die SED, wie Thomas Klein für die Zeit der außerparlamentarischen Opposition (APO) akribisch nachweist. Stasi-Spitzel gab es freilich in Berlin zuhauf, wie nicht nur Helmut Müller-Enbergs aufzeigt, sondern gleich mehrere Autoren wie der linke Journalist Hannes Schwenger oder auch die Frauenrechtlerin Sybille Plogstedt erinnern.

Der kulturelle Umbruch – so called 1968-, der keineswegs auf Berlin und die Linke beschränkt blieb, war letztlich ein Kulturbruch, der in fast alle Lager bis in den aufgeklärten Konservatismus hinein wirkte, und bis heute Ost- und Westdeutschland mental unterscheidet. Da kam vieles zusammen, der Überdruss der jungen Generation am postfaschistischen Staat, die überlange Adenauer Ära die Deutschland Stabilität und Wohlstand aber auch Erstarrung gebracht hatte, der internationale Aufbruch der Rock‘n Roll Ära. Mit dem American Forces Network von AFN und dem Berliner Nachtbetrieb ohne Sperrstunde war die Stadt für viele Nonkonformisten verlockend. Der vier Mächte Status befreite Westberliner vom Wehrdienst, was ebenso viele Jungerwachsene anlockte. Und irgendwann war der Mythos der Berliner APO mit seiner Mischung aus Teachin, Pudding-Attentat und Kinderladen so attraktiv, dass aus der spießigen Bundesdeutschen Provinz junge Leute in Scharen nach Berlin pilgerten um hier was zu erleben. Das wirkliche Leben war, wie Wolfgang Büscher seine Berliner Anfangsjahre erinnert, in den verfallenen Altbauquartieren innerhalb des S-Bahnringes, wo der Wohnraum oft im Hinterhof noch mit Podesttoilette und Kohleheizung noch billig zu haben waren, keineswegs immer so idyllisch wie die Phantasie davon.

Die Altberliner wichen dagegen zunehmend in die Peripherie aus. Wer sich kein Haus dort leisten konnte, siedelte sich im Märkischen Viertel, Lichtenrade, derGropiusstaat oder an der Heerstraße an, wo es Zentralheizungen gab. In den Hochhaussiedlungen, wie das Gegenstück zum ostdeutschen Plattenbau hieß, war wie es über Düppel Nord in einem Lied hieß, jeder Tag ein Sonntag, also tote Hose. Beide Bevölkerungsteile der Halbstadt entfremdeten sich zusehends. Irgendwie bis heute steht Spandau gegen Kreuzberg.

Auch andere Ghettos entstanden, Ausländerghettos in der zweitgrößten türkischen Stadt nach Istanbul. Bevor die erste Ausländerbeauftragte Deutschlands ihre Geschäfte aufnahm, war –heute schwer denkbar –vom „Türkenproblem“ die Rede. Berlin war eigentlich immer ein Melting Pot, nicht immer erfolgreich, wenn auch spürbar. Das Berlinerische, kein wirklicher Dia- eher ein Soziolekt. Wörter der 1950er wie mauken (für Fußballspielen), Schnafte (Super!) oder Schampe (Polizist=Gendarm) starben angesichts des Massenansturms aus dem Westen aus. Das „Wa, ej“ hinter jedem Satz, was sich bei manchen Neuberlinern festsetzte, war nicht als Schwaben- Sozialarbeiterlyrik.

Es gab aber immer wieder Brückenschläge zwischen den beiden Schichten den alt und den Neuberlinern. Angefangen von der E-Musik und der Jugendkultur. „Marmor Stein und Eisen bricht…“, gehören wie „Ton Steine Scherben“ einfach zum Groove der Stadt. Es waren auch tragische Todesfälle die zum Innehalten und teilweise zum Umdenken des „Stadt-Establishments“ führte: der Tod von Benno Ohnesorg nach einer Demonstration gegen den autoritären Schah von Persien 1967; oder der des Provinzdesparados Klaus Rattay, der 1981 bei einer Hausbesetzerdemo unter einen Bus kam. Im ersten Fall trat ein reumütiger regierender Namen Heinrich Alberts zurück, Anfang der 1980er suchten die Modernisierer in der neuen konservativen Regierung mit modernen Senatoren nach sozialintegrativen Modellen, die sie teilweise bei der SPD abgekupfert hatten. Dass CDU-Senatoren am Wochenende in Jeans mit Familie in Projekten auftauchten, die als illegal besetzt galten, war kurz vorher noch undenkbar. A la longue machten das die 79er der Stadt allerdings leichter als die ideologischen 68er. Sie wandten sich von der Uni ab und den Kiezen zu und experimentierten mit Wohn-Produktions- und Lebensformen an. Kurioserweise war es gerade das politische Missmanagement, das hierfür die Freiräume geschaffen, wie Franziska Eichstadt am Beispiel der verfehlten Wohnungspolitik der 1970er Jahren und den daraus erwachsenen Hausbesetzungen und Wohnmodellen erinnert. Westberlin wurde in den 1980ern zur Hauptstadt der Alternativbewegung, nach dem Motto TAZ statt Tagesspiegel. Arnulf Rating wurde mit den „Drei Tornados“ zu ihrem kabarettistischen Aushängeschild.

Die Mauer war das berühmteste und am meisten fotografierte Bauwerk Westberlins, obwohl sie eigentlich schon „drüben“ stand. Sie war nur eben besser vom Westen aus zu sehen. Kein geringerer als Willy Brandt hatte die Mauer-Verantwortlichen anfangs als „KZ“-Baumeister geächtet. Rolf Steininger hat ihre politische Entstehung noch einmal nachgezeichnet. Die verzweifelt und wütenden Westberliner kriegten sich erst wieder ein, nachdem, wie es Gerd Nowakowski als Zeitzeuge und Chronist anschaulich beschreibt, JFK ihnen wieder neues Selbstbewusstsein eingehaucht hatte. Brandts spätere Entspannungspolitik war zunächst nichts anderes, als der Versuch mit kleinen Schritten, die Verhältnisse in einer Stadt, die Familien getrennt hatte, überhaupt wieder lebbar zu machen. Einerseits wurden die Verhältnisse irgendwann so „normal“, dass die Mauer irgendwann kaum noch wahrgenommen wurde. Selbst die Schüsse wirkten, etwas überspitzt formuliert, alltäglich wie Verkehrsunfälle und den Jahrestag des Volksaufstandes vom 17. Juni verbrachten die Berliner eher im Strandbad Wannsee als in einer Feierstunde. Die, die sich gegen die Mauer engagiert hatten oder direkt Betroffene waren, reagierten mit Unverständnis, manche drifteten nach rechts. Der Schriftsteller Peter Schneider beschreibt in seinem Artikel zur Entstehung des Buches der Mauerspringer, wie es erst der Distanz bedurfte, um die die absurde Ungeheuerlichkeit dieses Betonstreifens überhaupt wieder wahrzunehmen.

Aber das Monstrum wurde auch immer durchlässiger. Man musste sie nicht mehr wie in den von Isabel Posselt beschriebenen 1960er Jahren untertunneln. Die Löcher in der Mauer wurde auch so immer größer. Nicht immer so spaßig wie der von Martina Schrey beschriebene Sprung der Kubat-Besetzer an einem Mauerstreifen, die vor der Westberliner Polizei über die Mauer sprangen. Publizistische Kontakte von Literaten, wie der Schriftsteller Günter Grass und Johanno Strasser sie nach Ostberlin (und darüber hinaus) pflegten, wurden von der SED kriminalisiert. Proteste gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann und der Bahro-Kongress aus Anlass der Verhaftung des DDR-Dissidenten, später als alternative „Radio 100“ mit seiner DDR-Rubrik zeigten, dass im politischen Berlin das Interesse an den Geschehnissen jenseits der Mauer größer war, als es auf den ersten Blick schien. Dazu trug auch bei, dass sich immer mehr Ost-Oppositionelle, die die DDR reihenweise ausspuckte, in Westberlin ansiedelten, das politische Klima dort beeinflussten. Sie fanden die Westberliner Szene befremdlich und faszinierend zugleich wie Freya Klier erinnert, fanden aber auch Unterstützung, wie sie Bernd Lippmann beschreibt. Ganz zuhause waren viele da nie, es war ein Exil, wie Sabine Auerbach ihr Leben "vor der Mauer" beschreibt.

Mit dem Filmtitel „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ könnte man das Sentiment vieler Alt-Westberliner heute beschreiben. So konfliktreich, quirlig und lebendig wie dieses Leben war, hat alles auf einer künstlichen Insel stattgefunden. Ein mokant-zynisches Politbüromitglied soll einmal gesagt haben. Ihr seid doch eingemauert! Irgendwie stimmte das. Die Ostberliner konnten am Wochenende wenigsten sind Grüne fahren, den Spreewald oder die Uckermark. Die Westberliner trotteten, wenn sie Luft schnappen wollten, um den Grunewald See. Die einen links, die anderen rechtsherum. Gerade an Wochenenden war man anders als in westdeutschen Städten auf sich selber geworfen. Die Zahl der Kinos und Kneipen, der Hang zum Politisieren haben auch in dieser Sozialform ihre Ursache. Viele Modelle konnten nur gedeihen, weil sich der Status der Stadt irgendwie gefestigt hatte, vieles unfertig war und die D-Mark scheinbar von alleine anrollte. Auch wenn sich Westberlin immer wieder als Modellfall stilisierte, blieb es doch eher nolens volens ein Sonderfall unter -der Weltpolitik geschuldeten- Laborbedingungen.

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