Der Krieg gegen die Ukraine

Militärische und propagandistische Vorbereitung

von Vera Ammer 3.4.2022

Als am frühen 24. Februar der Krieg Russlands gegen die Ukraine in vollem Ausmaß losbrach, war eine überwiegende Mehrheit von Politikern, Journalisten und durchaus aufgeklärten Beobachtern überrascht. Angesichts der vorangehenden, über ein Jahr andauernden Entwicklung scheint dies im Nachhinein schwer erklärlich. Der sichtbare und in den Medien deutlich berichtete Truppenaufmarsch an den Grenzen der Ukraine in den Wochen zuvor war nämlich ein Musterbeispiel dafür, wie ein Angriff von langer Hand vorbereitet wird.

Fast in Vergessenheit geraten war dennoch, dass der Aufmarsch schon ein Jahr zuvor begonnen hatte. Nach einigen Wochen wurde damals ein Teil der Truppen zunächst wieder abgezogen, was der Rest der Welt erleichtert zur Kenntnis nahm. Dies mag zum späteren Optimismus beigetragen haben. Dabei wurde oft übersehen, dass nur Soldaten abzogen, das Kriegsgerät jedoch zurückblieb, ein klares Indiz dafür, dass nur ein befristeter Abzug intendiert war.

2014 waren die russischen Militäraktionen gegen die Ukraine noch als eine separatistische Bewegung im Osten der Ukraine propagiert und kaschiert worden. Diese wäre allerdings ohne logistische und militärische Unterstützung durch Russland chancenlos gewesen. Sie endete bekanntlich mit einer Teilbesetzung des Landes. Der größere Teil des Donbass blieb allerdings bis zum Kriegsbeginn 2022 unter ukrainischer Kontrolle.

Ebenso wie 2014 ging der Aufmarsch 2021/22 mit einer massiven Propaganda-Kampagne einher, nach alt bewährtem Muster: Die Ukraine wurde als faschistischer Staat diffamiert, ihre Regierung sei durch einen Putsch an die Macht gekommen und daher illegitim, die russische Sprache werde verboten, Russischsprechende würden verfolgt, usw… Wie der Leiter des russischen Umfrageinstitutes Levada-Zentrum, Lev Gudkov, kürzlich in einem Interview sagte, begann die Propaganda, „in der Sprache des Kampfes gegen den Faschismus – in der Sprache des Zweiten Weltkriegs“ zu sprechen: Und das blieb in Russland nicht ohne Wirkung.[1]

Da die russischen Propaganda-Argumente häufig auch in Deutschland verfangen, soll kurz darauf eingegangen werden. Der Stimmenanteil rechtsextremer oder auch nur rechtslastiger Parteien war bei Wahlen in der Ukraine ab 2014 gering, deutlich unter 5 %. In anderen europäischen Ländern würde man sich bei solchen Ergebnissen glücklich schätzen. Im Krieg, der 2014 in der Ostukraine begann, spielten aufgrund des damals desolaten Zustands der ukrainischen Armee Freiwilligenbataillone noch eine große Rolle. Unter diesen gab es tatsächlich solche mit extrem nationalistischer Ausrichtung. Dazu gehört in erster Linie Asov. Letzteres konnte 2014 die Stadt Mariupol befreien und verteidigen, was ihren Ruf aufwertete. Formell wurde Asov – offenbar im Bestreben, es zu domestizieren - im Herbst 2014 in die ukrainische Nationalgarde eingegliedert und untersteht damit dem Innenministerium. Dennoch kam es hin und wieder zu Exzessen von Seiten ASOV, die aber keineswegs typisch für die Ukraine und ihre Regierung sind- im Gegenteil. Heute spielt Asov (wie die anderen Bataillone auch) insgesamt ohnehin nur noch eine geringe Rolle in den gesamten Streitkräften der Ukraine, da die Armee inzwischen deutlich wehrfähiger ist. Asov hatte allerdings in Mariupol sein Hauptquartier, bis es durch russische Bomben zerstört wurde. Asov hat einen wesentlichen Anteil an der Verteidigung der Stadt.[2] Einen hohen Stellenwert hat Asov natürlich in der russischen Propaganda, die seine Bedeutung immer massiv aufgebauscht hat. Allerdings ist es gerade Putins Krieg, der Asov als Verteidiger von Mariupol aufwertet.

Im letzten Jahr hat sich der Ton hier nochmals massiv verschärft. Es war immer wieder von einem Genozid die Rede, der im Donbass drohe oder schon stattfinde. Stichwortgeber dafür war der Journalist Kirill Wyschinski, der einige Zeit in der Ukraine inhaftiert gewesen und durch einen Gefangenenaustausch freigekommen war. Seitdem gehört er dem Menschenrechtsrat beim Präsidenten der russischen Föderation an – einem inzwischen fast völlig gleichgeschalteten Gremium – und befasst sich mit angeblichen Menschenrechtsverletzungen gegen Russen im Ausland (Baltikum, Ukraine usw.). Auf der jährlichen Sitzung des Menschenrechtsrats im Beisein des Präsidenten am 9. Dezember 2021 plädierte er dafür, die Tatbestände des „Genozid“ und der „Aufrufe zum Genozid am sowjetisch-russischen multiethnischen multinationalen Volk“ in die russische Gesetzgebung aufzunehmen. Putin nahm die „Anregung“ auf (der Auftritt war sicher vorher abgestimmt) und verkündete, Russophobie sei eine Vorstufezum Genozid, und „was sich jetzt im Donbass abspielt (…) erinnert natürlich sehr an einen Genozid, von dem Sie gesprochen haben.“[3]

Verbal bereitete Putin hiermit den Angriffskrieg vor, „legitimiert“ durch die angeblich drohende Ausrottung der russischen Bevölkerung im Donbass. In den de facto russisch kontrollierten Gebieten der „Volksrepubliken“ hatte die russische Regierung für einen hohen russischen Bevölkerungsanteil gesorgt, indem sie russische Pässe an die Bürger ausgegeben und massiv für die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft geworben hatte. Dass das ein eklatanter Verstoß gegen die Minsker Vereinbarungen war, schien irrelevant und stieß auch nicht auf nennenswerten Protest seitens der anderen Unterzeichner (Deutschland, Frankreich). Zudem haben viele Ukrainer seit 2014 diese Gebiete nolens volens verlassen.

Zugleich verschärfte Putin die Rhetorik gegen Europa und Amerika mit der alten Argumentation gegen die NATO-Osterweiterung und konfrontierte den Westen mit Maximalforderungen, bei denen allen Beteiligten klar war, dass es hier kein Nachgeben und angesichts des russischen Verhaltens auch keinen Kompromiss geben konnte. Für den Fall, dass der Westen nicht nachgebe, drohte Putin unverhohlen mit einer „militärisch-technischen“ Reaktion. Dies – sowie die innenpolitische Entwicklung in Russland – waren eindeutige Hinweise auf den bevorstehenden Einmarsch.

Eindeutige Hinweise auf eine bevorstehende außenpolitische Eskalation gab es in der russischen Innenpolitik ebenfalls schon im Herbst 2021. Die Repressionen gegen Oppositionelle und kritische Nichtregierungsorganisationen hatten zwar in den Jahren zuvor immer mehr zugenommen. Als es aber im Herbst im Falle der Internationalen Gesellschaft Memorial nicht nur zu einer weiteren Schikane und Verschärfung kam, womit man gerechnet hatte, sondern ein Verbotsverfahren gegen Memorial International und das Menschenrechtszentrum Memorial eingeleitet wurde, war das ein Fanal – ein unmissverständliches Signal an alle anderen, noch existierenden NGOs. Der Spielraum von NGOs, die von ausländischen Stiftungen unterstützt wurden, hatte ohnehin in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen. Sie wurden als „ausländische Agenten“ diffamiert und gezwungen, sich selbst auf Publikationen als solche zu bezeichnen. Diese Eskalation in Form einer Zwangsliquidation von Memorial markierte eindeutig den Übergang von einem autoritär geführten Staat zu einer Diktatur. Und wenn es auch nicht offen gesagt wurde, so war vielen doch klar, dass diese extreme innenpolitische Wende ihre Entsprechung in der Außenpolitik haben würde. Die letzte Pressekonferenz, die Memorial International veranstaltete – drei Tage bevor das Verbot am 28. Februar rechtskräftig wurde und einen Tag nach Kriegsbeginn – stand ganz unter diesem Zeichen. Zugeschaltet war einer der Anwälte von Memorial, Ilja Novikov, der sich in Kyjiv aufhielt und bereits eine Nacht mit Luftalarmen hinter sich hatte. Elena Zhemkova, die Geschäftsführerin von Memorial International, erinnerte an die Tradition der Bürgerrechtsbewegung in der Sowjetunion, die das Regime konstant ermahnt hatte, die eigene Verfassung und die eigenen Landesgesetze einzuhalten – dies gelte heute ebenso: Das russische Strafgesetzbuch verbietet ausdrücklich die Planung, Vorbereitung, Entfesslung und Führung eines Aggressionskriegs (Art. 353/1 und 2 des StGB der Russischen Föderation).[4]

Einer der letzten formellen Schritte zum Krieg war die Abstimmung in der Staatsduma über die staatliche Anerkennung der „Volksrepubliken“, der kurz vor Kriegsbeginn, parallel zum Staatsbesuches von Kanzler Olaf Scholz, eilends behandelt und mit großer Mehrheit angenommen wurde. Diese „Staaten“ konnten dann um Hilfe Russlands gegen den angeblichen Genozid bitten, ein schon zu Sowjetzeiten bewährtes Muster, um militärische Interventionen durch Moskau zu legitimieren (Prag 1968. S. Artikel von Plogstedt).  Fraglich war zu Beginn noch, ob sich die Anerkennung nur auf die derzeit von diesen „Staaten“ verwalteten Gebiete bezog oder auf den gesamten Donbass, also die kompletten Gebiete (Oblasts) Donezk und Luhansk (deren größeren Teil, wie erwähnt, zu diesem Zeitpunkt noch die ukrainische Regierung kontrollierte). Spätestens als klargestellt wurde, es gehe um den gesamten Donbass, war klar, dass das in jedem Fall Krieg bedeutete.

Kriegsbeginn, Kriegsführung, Verlauf

Mit der Erklärung, die Ukraine zu „entnazifizieren“ und „entmilitarisieren“ zu müssen, leitete Putin den Krieg gegen die gesamte Ukraine ein und setzte Angriffe auf das ganze Land in Gang. Er begründete das damit, dass der Donbass vor Angriffen aus der Ukraine und dem drohenden Genozid geschützt werden müsse. Die offizielle Sprachregelung in Russland ist bis heute, dass es sich um eine „militärische Spezialoperation“ nur im Osten der Ukraine handele, mit jeder anderslautenden Aussage macht man sich in Russland neuerdings strafbar. Das Wort „Krieg“ in diesem Zusammenhang ist auch nach über einem Monat Krieg tabu. Allerdings wurde alsbald eingeräumt, dass die „Spezialoperation“ nicht auf den Donbass allein beschränkt bleiben könne.[5]

Die häufigen Beteuerungen der russischen Regierung, diese Operation verlaufe „nach Plan“, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das ganz offensichtlich nicht der Fall ist und die Widerstandskraft der Ukraine unterschätzt wurde. Eine voreilig von einer russischen Agentur ins Netz gestellte weitgehende Siegesmeldung vom 26. Februar[6] wurde eiligst wieder entfernt, weist aber darauf hin, dass die russische Führung mit einem „kurzen siegreichen Krieg“ gerechnet hatte. Damit stand sie im Übrigen nicht allein, eine Reihe westlicher Politiker teilte diese Erwartung, was sogar dazu führte, dass den Ukrainern von manchem eine eilige Kapitulation angeraten wurde, angeblich, um Menschenleben zu retten.

Die angebliche „Spezialoperation“, bei der vor allem militärische Ziele angegriffen und ausgeschaltet werden, gibt es nur in den russischen Propaganda-Medien. In Wirklichkeit werden gezielt zivile Ziele bombardiert. Massive Kriegsverbrechen von russischer Seite werden bereits von zahlreichen Stellen dokumentiert.[7] Streumunition, Vakuum- und Phosphorbomen und das Dauerbombardement und der Beschuss von Wohnvierteln sind inzwischen medienbekannt. Die Belagerung und Aushungerung von Städten wie Mariupol, das Behindern und Torpedieren von Fluchtkorridoren gehören dazu, vor allem aber auch die Inhaftierung und Deportation ukrainischer Staatsbürger aus besetzten Gebieten.

Kriegsverbrechen und Menschenrechtverletzungen werden auch der ukrainischen Seite zur Last gelegt, und es ist kaum anzunehmen, dass es dazu überhaupt nicht kommen sollte. Ein Bericht über Folterungen von Kriegsgefangenen in Charkiv ist noch zu prüfen: Die ukrainische Regierung hat aber ausdrücklich betont, dass dergleichen vollkommen intolerabel ist und strafrechtlich verfolgt wird[8].
Das Vorführen von Kriegsgefangenen – wie das Zeigen von Videos mit ihren Aussagen im Internet – verstößt ebenfalls gegen das Völkerrecht. Ukrainer tun dies jedoch gezielt, um die Informationsbarriere in Russland zu durchbrechen und die Angehörigen der Gefangenen sowie die dortige Öffentlichkeit darüber informieren, dass russische Soldaten (mitunter auch-im Gegenteil zu Putins Zusagen- Wehrpflichtige) in der gesamten Ukraine im Einsatz sind, getötet und verwundet werden und in Gefangenschaft geraten. Diese Methode ist fragwürdig, am Anfang mag sie vielleicht verständlich sein, aber auf lange Sicht müssten andere Wege gefunden werden, die internationalem Recht entsprechen Das Ausschalten entsprechender russischer NGOs wie der Soldatenmütter in Russland, die nicht mehr offen agieren können und über die diese Nachrichtenübermittlung hätte erfolgen können, macht Alternativen im Augenblick extrem schwierig. Es bleibt hier nur das Internationale Rote Kreuz und internationale Medien.

Motive und Kriegsziele

Die militante und aggressive Rhetorik der russischen Regierung in den Monaten vor dem Krieg lässt oft übersehen, welches die eigentlichen Motive und Ziele der russischen Politik gegenüber der Ukraine und des gegen sie entfesselten Kriegs sind. Es ist allerdings nicht so, dass Putin sie verschwiegen hätte.

In der (europäischen) Wahrnehmung spielte die NATO eine große Rolle, vor allem die NATO-Osterweiterung und die seit zwei Jahrzehnten immer wiederkehrende Behauptung, der Sowjetunion sei seinerzeit versprochen worden, die NATO nicht nach Osten auszudehnen. Das Argument, Russland sei von NATO-Staaten „umzingelt“, verfing im Westen durchaus, so sehr, dass man die tatsächliche militärische Umzingelung der Ukraine durch Russland und Belarus, eine Schlinge, die sich immer mehr zuzog, bereitwillig übersah. Putin fürchtete keinen Angriff der NATO auf Russland, auch wenn er dergleichen inzwischen behauptet. Allerdings wollte er einen NATO-Beitritt der Ukraine um jeden Preis verhindern, um einen verpflichtenden NATO-Beistand im Angriffsfall, wie jetzt geschehen, auszuschließen.

Entscheidend für Putins Politik gegenüber der Ukraine ist seit jeher, dass er die Ukraine weder als eigenständige Nation noch eigenen Staat betrachtet und in keinem Fall als autonom anerkennen will. Daraus hat er selten einen Hehl gemacht. Es passt zu seiner vielzitierten Aussage, der Zerfall der Sowjetunion sei die größte geopolitische „Katastrophe“ im 20. Jahrhundert gewesen. Seine Theorie, Russen und Ukrainer seien ein Volk, legte er am ausführlichsten in einem zweisprachig (russisch und ukrainisch) auf seiner Website veröffentlichten Artikel vom 12. Juli 2021 dar[9]. (In einem Interview hatte er zuvor schon betont, wie sehr ihn der Tod ukrainischer Soldaten im Krieg im Donbass schmerze, da sie ja zum eigenen, russischen Volk gehörten.) Wesentliche Teile dieser Aussage wiederholte Putin in seiner Fernsehansprache kurz vor Kriegsbeginn.[10]

In diesem Aufsatz beschreibt er die derzeitige Ukraine als „Anti-Russland“, ein „Projekt“, das EU und USA diesem Land aufgezwungen habe und mit dem sich Russland niemals abfinden werde. Das war bereits eine eindeutige Kriegsdrohung. Die Aussage zeigt indes auch, worum es Putin eigentlich geht: Er will in der Nachbarschaft kein eigenständiges, demokratisches, prosperierendes Land haben, das sich nicht an Russland und seinem autokratischen, inzwischen diktatorischen System orientiert. Diese Haltung zeigte sich sehr deutlich bereits vor und während der Orangenen Revolution. Wenn es der Ukraine gelänge, Reformen erfolgreich zu Ende zu bringen, die Korruption und andere Missstände zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren und ein stabiles demokratisches System zu etablieren (vor allem in letzterem war sie erfolgreich), dann könnte sie gefährlich attraktiv für Russland werden. Zum Teil war sie das schon, aber nur für ohnehin oppositionell eingestellte Personen in Russland und Belarus, die immer wieder Zuflucht in der Ukraine suchten.

Eine politische „Ansteckung“ zu vermeiden, ist Putins oberstes Ziel. Er versucht dies mit Propaganda und Diffamierungen zu erreichen und verleumdet seine Gegner, Mitglieder der ukrainischen Regierung, als Neonazis und Drogensüchtige, die (natürlich mit Unterstützung der EU und den USA) ABC-Waffen entwickelten und planten, diese gegen Russland einzusetzen.

Darüber hinaus geht es der russischen Führung nicht so sehr darum, die alte Sowjetunion wiedererstehen zu lassen, sondern darum, Russland als imperiale Großmacht, genauer, ein russisches Imperium - zu etablieren und zu erhalten. Unabhängige Nachbarländer mit einer attraktiven demokratischen Entwicklung und einer freien Zivilgesellschaft passen nicht in dieses Konzept.

Perspektiven

Mit dem Krieg gegen die Ukraine hat Russland kurzfristig eines seiner Ziele erreicht – die Ukraine kämpft ums Überleben und nicht mehr oder noch nicht wieder um Reformen. Wenn die Ukraine ihre Selbstständigkeit verteidigen kann, wird sich das wieder ändern, denn die zivilgesellschaftlichen Initiativen bestehen weiter und werden sich nicht zerstören lassen. Im Augenblick kümmern auch sie sich um die Verteidigung des Landes und um die Dokumentierung von Kriegsverbrechen.[11]

Der Ausgang des Krieges und die Zukunft beider Länder, der Ukraine und Russlands, sind ungewiss, Prognosen sind hier kaum möglich, auch wenn immer wieder Szenarien entworfen werden. Eine freiwillige Kapitulation der Ukraine ist kaum vorstellbar, und westliche Politiker oder Publizisten, die der ukrainischen Regierung dergleichen nahelegen, sind bestenfalls ignorant. Vor allem aber begreifen sie nicht, was eine besetzte Ukraine bedeuten würde – nämlich keinen Frieden, in dem Menschenleben geschont werden, sondern die Etablierung eines Terrorregimes unter russischer Herrschaft, die mit Frieden nichts gemein hätte. Einschlägige Berichte über Misshandlungen politischer Gefangener in den seit 2014 besetzten Gebieten liegen inzwischen zur Genüge vor, hier sie vor allem auf die Zeugnisse des Journalisten Stanislav Aseyev verwiesen, der Ende 2019 durch einen Gefangenenaustausch freikam[12]. Und Russland hätte in diesem Fall mit einer massiven Widerstandsbewegung und einem Partisanenkampf zu rechnen.

Auf Dauer kann eine Lösung der euphemistisch als „Konflikt“ bezeichneten Situation nur in einer grundsätzlichen Änderung und Neuausrichtung der russischen Politik bestehen – was mit der derzeitigen Führung (die nicht nur aus dem Präsidenten besteht) allerdings nicht zu erreichen ist.

 


[1]https://www.youtube.com/watch?v=i8Rxewn2NC8.

[2]Detailllierte Informationen zu Asov in diesem englischen Video von Anton Shekhovtsov: https://www.youtube.com/watch?v=7CPlZT3hKxY, aktuell auch hier: https://edition.cnn.com/2022/03/29/europe/ukraine-azov-movement-far-right-intl-cmd/index.html, https://www.fr.de/politik/ukraine-konflikt-russland-asow-neonazis-babushka-bataillon-mariupol-91349712.html; außerdem: Tetjana Bezruk/Andreas Umland: Der Fall Azov, in: OSTEUROPA 1-2/2015, S. 33–42, Andreas Heinemann-Grüder: Geiselnehmer oder Retter des Staates? Irreguläre Bataillone in der Ukraine, in: OSTEUROPA 3-4/2019, S. 51-80; Johann Zajaczkowski: Homogenität und Fragmentierung. Ukrainische Freiwilligenbataillone im Wandel, ebd., S. 81-102.

[3]https://rg.ru/amp/2021/12/09/putin-zaiavil-o-genocide-na-donbasse.html.

[4]https://youtu.be/oppFqxPrmxg.

[5]http://kremlin.ru/catalog/keywords/128/events/67996 (abgerufen im März 2022. Die Seite kremlin.ru ist zurzeit nicht immer zugänglich).

[6]https://web.archive.org/web/20220226051154/https://ria.ru/20220226/rossiya-1775162336.html.

[7]https://www.atlanticcouncil.org/blogs/ukrainealert/ukrainian-civil-society-can-help-hold-russia-accountable-for-war-crimes.

[8]https://www.rferl.org/a/ukraine-investigating-torture-video/31774747.html.

[9]http://kremlin.ru/events/president/news/66181, In deutscher Übersetzung nachzulesen in Osteuropa, 71. Jahrgang, 7/2021, S. 51-65.

[10]http://kremlin.ru/events/president/news/67828, s. a. seine Pressekonferenz vom 22.2.: http://kremlin.ru/events/president/news/67828.

[11]https://www.atlanticcouncil.org/blogs/ukrainealert/ukrainian-civil-society-can-help-hold-russia-accountable-for-war-crimes/.

[12] Stanislav Aseyev: Heller Weg. Geschichte eines Konzentrationslagers im Donbass 2017-2019. Stuttgart 2021.