Die Lüge putscht, die Wahrheit siegt

Prag 68 - Ukraine 2022

Als 1968 Truppen des Warschauer Paktes in die CSSR einmarschierten, galt die Beshnev-Doktrin der vermeintlich brüderlichen Hilfe. So wurde der Einmarsch inszeniert. Unter Gorbatschow wurde diese Doktrin zugunsten der Selbstbestimmung der ehemalgen Satelitenstaaten aufgegeben. Vor der Invasion 2022 wurden in Moskau wieder Bestandsvereinbarungen, diesmal für das Donbas und Luhansk in der Ostukraine unterschrieben. Die Bruderhilfe lebt unter Putin wieder auf, nur dass es das Imperium von damals gar nicht mehr gibt.  Sibylle Plogstedt zieht einen Vergleich zwischen beiden Ereignissen.

von Sibylle Plogstedt

Der erste Teil dieses Textes entstand auf die Bitte von Christian Boss hin und von ehemaligen politischen Häftlingen der DDR. Ich möge doch einen Vergleich zwischen der CSSR 68 und der Ukraine schreiben. Das war kurz nach dem 14. Februar 2022, als die Besetzung der Ukraine sich zunächst ähnlich anließ wie in der CSSR. Die Aktualisierung habe ich am 2. Juli 2022 für die Sommerakademie Streetz in Damnatz vorgenommen. 

Als ich in der Nacht zum 21. August 1968 durch ein tiefes Brummen von Flugzeugen aufgeweckt wurde, klopfte es an meine Tür. Dann hieß es „Wach auf, die Russen kommen!“ „Sei ruhig, Du Antikommunist“, gab ich verschlafen zurück. Für mich war es undenkbar, dass etwas eintrat, wovor die Politik, die Medien und nicht zuletzt die Familie immer gewarnt hatten. 

Mich holte damals bereits eine neue Realität ein, in der meine bisherigen linken Überzeugungen – ich gehörte zum Berliner SDS, dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund -  -  und der Einmarsch der Truppen als neue Realität nicht zueinander passten.

54 Jahre später sind wir alle in einer neuen Realität aufgewacht, als russische Truppen am 24. Februar 2022 in die Ukraine eindrangen. Wir hatten es nicht wahrhaben wollen, obwohl wir mitbekamen, wie sie wochen-, ja monatelang an den Grenzen zu angeblichen Manövern aufmarschiert waren.

Die Täuschung erinnert an Walter Ulbricht, der sagte: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen.“ Das erklärte er am 15. Juni 1961 - und am 13. August 61 stand die Mauer. Auch das Manöver an den Grenzen der Ukraine blieb keines. Die russischen Truppen marschierten ein.

In Prag wurden 1968 die Panzer des Warschauer Pakts, die das kleine Land schnell durchquert hatten und plötzlich überall im Land standen, von Menschen umzingelt. Sie diskutierten mit den Soldaten. Sie seien doch 1945 ihre Befreier gewesen. Und nun das!

Nachts waren schon Hausnummern und Straßenschilder abgenommen worden. Richtungsschilder waren unkenntlich gemacht worden und wiesen in falsche Richtungen. Die Truppen sollten umherirren. Und in der Stadt: Sie verwandelte sich in eine einzige Druckerei. Flugblätter und Plakate wurden hergestellt und hingen überall. „Jdi domu, Ivane!“ „Geh nach Hause, Ivan!“ stand da. In Prag waren die Waffen das Wort, das Bild und der Witz.

2022:  In Kiew begannen schon früh Vorbereitungen für eine Selbstverteidigung. Befreundete Staaten lieferten schon vor der Invasion Waffen. US-Präsident Biden sagte den Termin für die russische Invasion voraus. Sie sollte am 16. Februar stattfinden. Am 24. Februar 2022 war es tatsächlich so weit.  

Prag 1968: Der tschechoslowakische KP-Chef Alexander Dubcek war ein Parteifunktionär alter Schule mit Ausbildung in Moskau. Er war liberaler als seine Vorgänger und hatte den Prager Frühling toleriert. Aber die Liberalisierung war nicht sein Kind. Unter sowjetischem Druck gab er nach. Die 30 Jahre Prozesse in der Sowjetunion und die der 50er Jahre in der CSSR waren der tschechoslowakischen Machtelite noch zu bewusst. Niemand wusste, wie weit die Repressionen diesmal gehen würden.

Andersals Dubcek kam Wolodymyr Selenskij durch die Kämpfe beim Maidan und Euro-Maidan und die folgenden Wahlen an die Regierung. Die rechtsnationalen Parteien der Ukraine sind nicht mehr ins Parlament gekommen. 

In Prag ging es um die Freiheit der Medien, die Freiheit des Wortes, die der wissenschaftlichen Konferenzen. Auch um den berühmten Kafka-Kongress, der schon 1966 stattfand. Und um ein angedachtes freies Unternehmertum. All das wirkte auf die kommunistischen Hardliner innerhalb der KPC  so bedrohlich, dass vier von ihnen Moskau und seine Truppen zu Hilfe riefen.  Breznew nutzte das gern als Vorwand für den Einmarsch.

In Kiew geht es um freie Medien, die gab es bereits im Lande. Doch daneben liegt Russland, dass keine abweichende Meinung zulässt. Ein Land, das in vielen Bereichen in einer Fake-Realität lebt. Eines, das seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sich von jeder Art von sozialistischem Anspruch gelöst hat und in Staat und Religion eine rechtsorthodoxe Richtung eingeschlagen hat.

In Prag verhaftete eine Sondereinheit zwei Tage nach dem Einmarsch führende Parteifunktionäre um Alexander Dubcek. Neben ihm als Parteichef der KPC waren dabei Ministerpräsident Oldrich Cernik, Parlamentspräsident Josef Smrkowsky und der Chef der Nationalen Front Frantisek Kriegel.  In der Nacht wurden sie nach Moskau entführt. Tagelang herrschte in Prag atemlose Ungewissheit, ob sie wohl zurückkämen. Und wenn ja: in was für einem Zustand.

Der Widerstand blieb gewaltfrei, zählte aber dennoch 120 Todesopfer.  Erinnerungstafeln vor dem Nationalmuseum am Wenzelsplatz zeugen davon. Auch die Kugeleinschläge in die Fassade des Museums.

Mehr als 100 000 TschechInnen und SlowakInnen emigrierten. Überwiegend nach Österreich und Deutschland. Aber auch nach Frankreich und England.

Die Ukraine hat eine andere Geschichte als die Tschechische Republik. Während der Okkupation der Nationalsozialisten war Kiew die einzige Hauptstadt, die bewaffnet Widerstand gegen die deutsche Besetzung geleistet hat. Paris, Brüssel und Prag haben das nicht geschafft. Von Wien ganz zu schweigen.

Schon in den 1917-20er Jahren hat die Ukraine gegen eine Übernahme der russischen Revolution rebelliert. Der Anschluss war Teil des Abkommens von Brest-Litowsk gewesen. Im folgenden Bürgerkrieg wurde die Ukraine von dem sowjetischen Kriegskommissar Leo Trotzki geschlagen.

Anfang der 30er Jahre wurde das Land dann Opfer der sogenannten Ent-kulakisierung. Bauern wurden enteignet, deportiert und erschossen, weil sie angeblich Korn oder Fleisch versteckt hatten. Das Saatgut wurde konfisziert. In der Ukraine kam es zu einer Hungerepidemie, die heute Holodomor genannt wird. An der „Tötung durch Hunger“ – das ist die Bedeutung von Holodomor - starben in der Ukraine zwischen 8 und 9 Millionen Menschen.

Das Ziel, die tschechoslowakische Identität zu vernichten, gab es in Prag 1968 nicht. Das entstammt dem stalinistischen Arsenal der Deportation von ganzen Völkern nach Sibirien in den 1930er und 40er Jahren. Nur die Emigranten im Moskauer Hotel Lux hatten gesehen, wie bekannte KP Funktionäre auf Nimmerwiedersehen verschwanden.

Nach 1948 hat man das brutale Gesicht des Stalinismus in Prag dann doch noch erfahren.  1952 wurden führende Parteifunktionäre wie Rudolf Slanskij mit 10 weiteren Mitgliedern der Parteiführung hingerichtet wegen einer angeblich jüdisch-trotzkistischen Verschwörung. Drei weitere wurden zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Anfang der 50er Jahre gab es mehrere solcher antizionistischen Prozesse in der Tschechoslowakei. Und dann kam natürlich die Niederschlagung der Aufstände 1953 in der DDR, 1956 in Ungarn durch die Sowjetunion.

Kiew blieb bis zum Zerfall der Sowjetunion und des Warschauer Pakts unter Moskaus Einfluss. Die Unabhängigkeit der Ukraine wurde 1994 von der Sowjetunion garantiert. Damals verzichtete die Ukraine auf Atomwaffen gegen eine Garantie ihrer Grenzen. Dieselbe Garantie erhielten Belarus und Kasachstan.

Nach der ersten, der „orangenen Revolution“ erlebte man immer wieder, wie gegen die ukrainische Unabhängigkeit verstoßen wurde. 2004 überlebte der prowestliche Präsidentschaftskandidat Wiktor Juschtschenko knapp einen Giftanschlag, er blieb ein Leben lang davon gezeichnet. Möglicherweise litt darunter seine Präsidentschaft. Nach vier Jahren wurde er abgewählt und der prorussische Wiktor Janukowitsch kam an die Regierung. Bis er 2014 durch die „Revolution der Würde“ während des Euromaidan gestürzt wurde. Damals wollte Janukowitsch ein Assoziierungsabkommen mit der EU nicht unterzeichnen.

Tage- ja wochenlang – nämlich von 21. November 2013 bis zum 26. Februar 2014 verharrte die Bevölkerung bei Eiseskälte auf dem Platz des Maidan. Bis die prorussische Regierung nach Moskau floh. Zwei Mal hat die Ukraine den überwiegend friedlichen Widerstand gewonnen. Die Folge: Knapp drei Wochen später besetzte Russland die Krim und Teile der Ostukraine. Das war der Beginn des Krieges - zunächst einer ohne Hoheitszeichen.

Zurück nach Prag: Hier kamen die entführten Politiker nach wenigen Tagen wieder. Sie hatten am 27. August 68 im sogenannten Moskauer Protokoll ihre Kapitulation unterschrieben. Nur Frantisek Kriegel verweigerte seine Unterschrift.  Er war Vorsitzender der Nationalen Front, dem Zusammenschluss mehrerer Blockparteien.

In Prag begann die sogenannte Normalisierung der Gesellschaft. Polizei und Justiz wurden zu den alten KP-Normen zurückgeführt. Der Partei- und Staatsapparat war ja geblieben. Presse und Kultur wurden wieder gleichgeschaltet. Während der Entführung Dubceks hatte der XIV. Parteikongress, der später für illegal erklärt wurde, die Gründung von Arbeiterräten verabschiedet. Diese begannen den Widerstand zu koordinieren.

Mit den Arbeiter- und Studentenräten haben im Herbst 68 mein damaliger tschechischer Partner Petr Uhl und unsere „Gruppe der revolutionären Jugend“ zusammengearbeitet. Wir waren eine linke Gruppe, die sich an den Zielen des SDS und des französischen Mais orientierte. 

2022: Für den Einmarsch in die Ukraine passte das Prager Drehbuch von der schnellen Besetzung der Hauptstadt nicht. In Kiew gab es keine Kapitulation. Präsident Selenskij entkam einer Verhaftung und bisher 12 Mordanschlägen.  Selenskij rief den Verteidigungsfall aus. Der Marsch der russischen Truppen auf Kiew wurde aufgelöst und der Angriff auf den Osten und den Süden der Ukraine verlagert. Dort wurde er zu einem Stellungskrieg mit verhältnismäßig geringen Geländegewinnen für die russische Armee.

Die Drehbücher, die man nun in Moskau in aller Eile hervorzog, heißen Tschetschenien  – der 1. und der 2. Krieg – , Georgien mit dem abgetrennten Abchasien und Südossetien und das zerstörte Aleppo in Syrien. Alles Kriege, in denen Länder und Städte total zerstört oder ganze Landesteile abgetrennt wurden.

CNN benutzt sein einigen Tagen das Wort friedliche Besetzung. In Prag war es eine verhältnismäßig friedliche Besetzung, in der Ukraine eine terroristische.

In Prag kam es erst Ende 1969, also eineinhalb Jahre nach dem Einmarsch, zu den ersten Verhaftungen. Unsere Gruppe gehörte dazu. Wir wurden zu Strafen zwischen einem und vier Jahren verurteilt.

Über unsere Verhaftung und die Höhe des Urteils von ein bis vier Jahren hat im Politbüro Alexander Dubcek noch mit abgestimmt. Er stimmte für unsere Verhaftung. Geholfen hat es ihm nicht. Im April 1970 wurde Alexander Dubcek aus der KPC ausgeschlossen. Für die sogenannte Normalisierung, die Rückkehr der alten Normen, steht vor allem der Name Gustav Husak. Als Generalsekretär der KPC dankte er der Sowjetunion für die Niederschlagung des Prager Frühlings. Die Intellektuellen des Prager Frühlings wurden in der Folge aus ihren Berufen entlassen. Das gehörte zur sogenannten Normalisierung. Als sie sahen, dass die Gefängnisstrafen, die z.B. unsere Gruppe erhielt, nicht die Dimensionen der 50er Jahre erfüllte, entschlossen sich viele, ebenfalls den Weg des Widerstands zu gehen. Ihre bürgerlichen Berufe hatten sie ja schon verloren. Im Juni 1977 wurde die Menschenrechtsgruppe Charta 77 gegründet. 242 Menschen hatten die Charta am 1.1.1977 unterschrieben. Bis zur Samtenen Revolution im Jahr 1989 waren es 1900 UnterzeichnerInnen. Die niedrige Zahl zeigt, wie viel Mut es für eine Unterschrift brauchte.  

Übrigens waren fast alle Mitglieder unserer „Bewegung der revolutionären Jugend“ in der Charta 77 und zeitweise sogar ihr SprecherInnen.

Der Exit aus der konservativen Normalisierung in Prag war die Samtene Revolution im Jahr 1989. Von 1968 an gerechnet, waren das bittere 21 Jahre. Die Samtene Revolution war gewaltfrei. In der gewählten Regierung wurden viele Mitglieder unserer Gruppe Minister und Ministerinnen. Zunächst in der tschechoslowakischen und nach der Teilung des Landes in der tschechischen Regierung. Der Austritt der Slowakei aus der CSSR brachte keine nationalistisch gesonnenen Gemüter in Wallung. Es war Ehrensache, dass die Trennung gewaltlos erfolgte.

Zurück zur Ukraine. Obwohl die UN den Angriffskrieg mit dreiviertel ihrer Mitglieder verurteilt haben, hat Russland den Krieg gegen die Ukraine nicht beendet. Als Putin die Ausdehnung der Nato als Kriegsgrund vorschob, erreichte er das Gegenteil. Finnland und Schweden beantragten die Nato-Mitgliedschaft, die sie vorher abgelehnt hatten. Das erleben wir gerade.

Dass Putin sich in der Ukraine verkalkuliert hat, macht ihn nicht ungefährlicher. Im Gegenteil.

Wer im Ukrainekrieg auf einen Einfluss der russischen Oligarchen gesetzt hat, sieht sich getäuscht. Unter ihnen hat gerade ein Massensterben eingesetzt. Mehr als acht von ihnen wurden zum Teil samt ihren Frauen und Kindern umgebracht. Egal, ob sie in England, Spanien oder in Russland lebten. Nach außen sah es manchmal nach einem Suizid aus, doch die Polizei ermittelt. Der Grund: Diese Oligarchen waren mit dem Ukraine-Krieg nicht einverstanden.

Neue Wirtschaftsdaten besagen, dass die Zahl der aus Russland emigrierenden Millionäre gegenwärtig einen Höchststand erlebt. Bis zum Jahresende rechnet man mit 15.000 Millionären, die Russland verlassen und Asyl beantragen. Ähnliches zeichnet sich schon jetzt in China ab.  Dort beträgt die Zahl bereits 10.000 emigrierte Superreiche.

Ulrike Herrmann, die Wirtschaftskorrespondentin der taz, ging in einem Vortrag in Brünkendorf im Juni 2022 davon aus, dass wir aktuell den Zusammenbruch Russlands erleben. Sie vergleicht Russland mit Deutschland. Ehe bei uns eine Demokratie möglich wurde, musste Deutschland erst durch die Niederlage des Kaiserreichs, dann durch die Niederlage der Hitler-Diktatur gehen. Ähnliches sieht sie auf Russland zukommen. Und verbindet damit die Hoffnung, dass in Russland nach dem Zusammenbruch des Putinismus eine Demokratie entsteht.

Der belarussische Schriftsteller Artur Klinau, der heute im Exil lebt, wurde jüngst gefragt, warum denn die belarussische Opposition nicht gesiegt habe, obwohl in Minsk und anderen Städten hunderttausende Menschen gewaltfrei demonstriert hätten.

Belarus und die Ukraine seien russisches Einflussgebiet, machte Klinau deutlich. Doch dies sei der einzige Punkt, der beide Länder vergleichbar mache.

Der Hauptunterschied: Belarus lebte seit dem 1. Weltkrieg kontinuierlich in einer Diktatur. Es gab nie eine gewählte Regierung. Die Institutionen waren in der Hand des kommunistischen und postkommunistischen Apparates. Hätte die Revolution in Belarus gewonnen, wäre Russland sofort einmarschiert. Das wäre der Preis für eine erfolgreiche Revolution gewesen.

Von allen postkommunistischen Ländern Osteuropas sei die Ukraine das einzige Land, das einem Angriff Russlands möglicherweise standhalten könne.Die Aussagen über Belarus gelten ähnlich für Prag. Auch die CSSR wäre 1968 nicht auf einen bewaffneten Widerstand vorbereitet gewesen.

Ein wichtiger Punkt noch: Die Verantwortung Deutschlands, dass es zu diesem Krieg kommen konnte.

Es wird viel darüber spekuliert, dass die Ausdehnung der Nato der Grund sei für die Invasion in der Ukraine.  Angesichts des inneren Zustands des Nato-Verteidigungsbündnisses, das intern bereits als hirntot galt, halte ich das für eine haltlose Spekulation.

Auch angesichts dessen, dass es in der Bundesrepublik kaum noch funktionierende Waffen und Flugzege gab, ist eine militärische Bedrohung von Seiten der Bundesrepublik auszuschließen, zumal selbst MinisterInnen und sogar die Bundeskanzlerin ihre Ziele mit Militärflugzeugen immer wieder nicht erreichen konnten, weil die Flugzeuge unzulänglich gewartet und deshalb untauglich waren.

Dennoch gibt es eine Verantwortlichkeit des Westens und der Bundesrepublik.  Die russische Politologin und Friedensforscherin Tatjana Vorozheikina erkärte am 30.6. im DLF, dass die Verantwortung Deutschlands in den Geschäften mit Russland liege, die abgeschlossen wurden, ohne sich um die Bedingungen in Russland zu kümmern. Weder die Kriege in Tschetschenien, der in Syrien noch die Besetzung der Krim habe internationale und deutsche Firmen gehindert Geschäfte mit Russland abzuschließen. Die russische Führung konnte sich sicher wähnen.  Zumal zweitens die deutschen politischen Eliten – nicht nur der SPD übrigens – sich in Aufsichtsräte russischer Konzerne haben wählen lassen, wobei niemand nach den Menschenrechten in Russland und in den Kriegsgebieten gefragt habe . Und drittens habe der Westen gute Bedingungen für die Oligarchen geschaffen, so dass sie ihr Vermögen im Westen in Aktien und Immobilien anlegen konnten – unabhängig von ihren Netzwerken mit Putin, die sie reich gemacht hatten. Die Oligarchen mussten sich nicht um eine Verbesserung der Bedingungen innerhalb von Russland kümmern. Heute noch solch eine unabhängige Haltung aus Russland zu hören, stimmt mich angesichts der Verfolgung Andersdenkender optimistisch.

Wir lesen im Moment ziemlich viele Prognosen über den Ausgang des Überfalls auf die Ukraine. Wird die Ukraine siegen? Wird es zu einer Abtrennung der östlichen Länder der Ukraine kommen? Oder kommt es gar zu einem Zusammenbruch Russlands? Welche ist wahr, welche eine kriegsbedingte Lüge?

Die Wahrheit ist das Opfer jedes Krieges. Zum Glück gibt es darüber schon erste Witze. Seit dem Ukraine-Krieg gibt es die Vermutung, Putins langer Tisch sei aus Pinoccio-Holz hergestellt. Er werde immer länger, wenn Putin lüge.  

Vortrag gehalten in der Streetzer Sommerakademie in Damnatz am 2.7. 2022