Drei skeptische Gedichte zum Krieg gegen die Ukraine und die Haltung des Westens.

von Vytaustas Landsbergis

Drei skeptische Gedichte zum Krieg gegen die Ukraine und die Haltung des Westens.

Die Opferung der Ukraine

März 2023

Es zeichnet sich ein eher unschönes Bild ab. Das der Opferung der Ukraine. Eine öffentliche Vivisektion. 
Alle Karten liegen nun auf dem Tisch und die Zocker haben ihre Plätze eingenommen. Die „Chirurgen“ der Operation und die Beobachter. 

Der Hauptakteur, der nicht erschreckt, und die zweitklassigen Akteure, die erschrecken werden. "Oni strusiat"  - „Sie werden Angst haben“, wie die Presse des Aggressors es voraussagte. 

Die Karten des Spielers sind die absolute Grausamkeit und Unmoral seiner Politiker und die überwältigende zahlenmäßige Überlegenheit der seelenlosen Sklaven, die sich glücklich schätzen, als Hackfleisch zu enden. Fleisch denkt nicht. 

Vielleicht empfindet es, wenn es erst einmal im Fleischwolf ist, nichts als Rache für sein unglückliches Schicksal und den Wunsch, immer mehr andere zu Fleisch werden zu sehen. 

Russische Frauen, als ob sie keine Frauen der Menschen wären, sagen das so: "Lasst die ukrainischen Frauen auch weinen, und je mehr Schmerz sie empfinden, desto besser". Das ist ihr nationaler Trost, wenn die alten Begrifflichkeiten noch gelten.

Natürlich ist das der Abgrund. Früher kannten wir Maxim Gorkis Drama, den  Abgrund im „Nachtasyl“. Nun breitet sich der russische Abgrund, seine Verzweiflung und sein Hass auf andere Länder aus. Lasst uns nicht wie Russen sein, lassen wir uns nicht in den Abgrund reißen. 

Das versklavte russische Volk - das ehemalige Volk der ehemaligen Russen – ist nicht länger ein möglicher erweckender Faktor in der Operation; er wird, wenn nötig, wie einst durch die verrückte  hysterische Wahrsagerinnen "Klikushka" auf den Plätzen ersetzt.

Und die Plätze – das ist in erster Linie das monopolisierte Fernsehen, das zu einer totalen Kreml-Waffe und ebenso zu einem Fleischwolf geworden ist. 

Betrachten wir die Betrachter: Diejenigen, die diese Operation beobachten und sich um deren Fortführung bemühen. Vielleicht dauert sie ein bisschen länger. In der ersten Phase – bis das Opfer verblutet. Dies ist der so genannte Zermürbungskrieg. Herr Putin sagte: „Bis zum letzten Ukrainer“. Russland kann eine Million in den Fleischwolf werfen, aber für die Ukraine wird selbst bei einem Verhältnis von 1:10, also hunderttausend echten Menschen, diese Einsatzsituation unerträglich werden. So rechnet man im Bunker der Moskauer Wolfsschanze. 

Vielleicht tragen die absurde Sinnlosigkeit dieses Holocausts und die grundlegende Gleichgültigkeit der betroffenen Beobachter dazu bei.  

Irgendjemand kümmert sich gut darum, dass von den nötigen Verteidigungswaffen nicht so viele wie nötig an die Ukraine geliefert werden. Nur so viele, wie der  Kaiser Europas in Moskau erlaubt. Vielleicht wird das von Berlin aus telefonisch koordiniert. 

Wer wird dem Kreml sagen: STOP? Morgen gehen alle eure tiefen Bunker im Ural in die Luft! - Die feigen Beobachter, die nicht verstehen wollen, dass sie auf der Seite der finanzierten Menschenfresser stehen, werden dies nicht sagen. 

Lasst uns nicht Europas Rettung "eskalieren", lasst uns lieber in einer stinkenden Kloake versinken.

Also tretet vor, ihr unfassbar würdigen und einsamen Ukrainer, in die entworfene Grube. Und wir, die angeblichen Demokraten, werden Ihnen die Kränze der westlichen Heuchelei schicken. Wir sind schon besiegt. 

Aber heute ist die Ukraine immer noch ein Name der Hoffnung. Zumal sie die vorgesehene Opferrolle nicht akzeptiert.


Indien rührt sich

Juni 2023

Indiens Name ist in Berichten über den russischen Krieg aufgetaucht. Die "Ukraine-Krise" ist für Delhi ein Grund zur Sorge. In der Vergangenheit war der Westen immer „sehr besorgt“.

Das größte Land der Welt ist entschlossen, ein Wort mitzureden. Indien würde es vorziehen, dass es den verheerenden Krieg, der grob als Krise bezeichnet wird, in dieser Ukraine nicht geben würde.

Kann Indien einen Beitrag dazu leisten? Natürlich, ist Indiens Engagement bereits willkommen. Sich dem Angriff zu widersetzen, ist – oder wäre – um so bedeutsamer.

Allerdings ist es noch nicht richtig, die Situation als Krise nur des Opfers eines Angriffs zu bezeichnen. Das ist ein vorläufiges Wörterbuch.

Vielmehr handelt es sich um eine Krise des Angreifers und eine globale Krise der Illusionen. Einige davon wurden bereits aufgegeben oder werden gerade aufgegeben.

Ein neues globales Konzept einer blutigen Lage nimmt Gestalt an, an der Indien nicht nur aus der Distanz beteiligt sein wird.

Die Dias werden der Realität und den Vokabularen der Länder immer ähnlicher. Es ist unwahrscheinlich, dass eines von diesen Ländern, z. B. Ungarn oder Nordkorea, die Geschichte erzählen wird, dass es die Ukraine und ihre Clique waren, die Russland angegriffen haben.

Einen Krieg zu unterstützen, indem man sich mit einem bestimmten Aggressor anfreundet und gleichzeitig einen abstrakten Frieden unterstützt, wäre selbst für das große Vaterland der Weltweisheit zu philosophisch. Aber sowohl die Weisheit als auch ihr Ausdruck sind ein fortlaufender Prozess.

Sogar der verstorbene Michail Gorbatschow, der Litauen angegriffen hat, hätte die Ukraine nicht angegriffen, so hat er davon gesprochen. Prozess als das Sein. 

Es ist gut, dass Indien sich geäußert hat.


Eine Welt ohne Mitleid

2022

Im Krieg der Menschenfresser gegen die Menschen verfestigen sich

die Regeln der rücksichtslosen Absurdität.

Die Regeln werden von den Menschenfressern festgelegt und durchgesetzt,

aber die Menschen akzeptieren sie. Und so findet die letzte Aufteilung statt. Menschen und Unmenschen.

Kain hat immer gelogen.

Er schämte sich ein wenig, dass er angeblich nicht wusste, wo sein Bruder war.

Jetzt äußert er offen, sogar mit Stolz,

was er getan hat und weiterhin tun wird.

Vergessen Sie die Barmherzigkeit Gottes und der Menschen.

 

Der Menschenstaat Ukraine ist das erste geopolitische

Stadium im heutigen Europa, das erste und das entscheidende Opfer. Sie wird total zerstört das Land und seine Bewohner, aber das Land der Menschenfresser

Russland - nicht. Deshalb werden die Menschenfresser diesen Kampf gewinnen, sie werden die Menschen auffressen. Mit der Zustimmung der Menschen.

 

Russland wird, anders als die Ukraine, nicht zerstört. Und das ist bereits

als eine Zustimmung für einen unaufhaltsamen Kreml zu werten. Russland erlebt lediglich einige Schwierigkeiten. Es hat seine Philosophie und Taktik gut berechnet und

fühlt sich ungestraft als Zerstörer und Sieger.

 

Keine Gnade für die Ungehorsamen auch in der Zukunft – auch nicht für die Kapitulanten,

die bald ihre eigenen Kinder in den Rachen des Molochs stopfen werden.

 

Die Ukrainer sind jetzt die Kinder, die der Westen als vermeintlicher Freund, für ihre Tapferkeit lobt, aber in Wirklichkeit in die Vernichtung gestoßen werden.

 

Moloch, so wird suggeriert, ist eine vermeintlich objektive Gegebenheit,

die weder zerstört noch zurückgewiesen werden kann. Es ist "notwendig", mit dem spottenden Moloch zu leben und die Kinder mit ihm zu stopfen. Zuerst die fremden, dann ihre eigenen.

 

Erst die Ukrainer ("bis zum letzten!"), dann die anderen. Diese anderen

sind froh, dass sie noch Wahlen spielen dürfen.

 

Die Ayatollahs des Kremls haben von Anfang an hervorgesagt: "Der Westen wird sich fürchten!"– und das bestätigt sich als wahr.

Während dessen Asien wartet – auf die Zertrümmerung Russlands und Europas...

Für Amerika bleibt dann nur die Tribüne der Zuschauer.


Der Musikwissenschaftler und lange Jahre Professor an der Musik und Theaterakademie in Vilnius war nach der Unabhängigkeit Lithauens 1990 ihr erstes Staatsoberhaupt. Die skeptische Gedichte während des Ukraine-Krieges sind in der deutschen Fassung mit ihm abgestimmt und auf Deutsch in H-und-G.info Erstveröffentlichungen. Wir danken Fausta Simaityte für die freundliche Vermittlung und Üebrsetzungshilfen.