Wie ich die Entspannungspolitik erlebte

von Siegmar Faust

1976 wurde ich von der Bundesrepublik freigekauft. Ich war sehr dankbar. Doch sollte ich nun schweigen, was ich in der DDR, besonders in den Gefängnissen der ach-so-fortschrittlichen DDR erleben musste?

Selbst im Jahre 1987 bestand bei der Stasi-Hauptabteilung XX/5 noch Informationsbedarf, wie es hieß: zur weiteren Aufklärung und Bearbeitung der Feindperson FAUST, Siegmar. Ich sollte ihrer Einschätzung nach, die schon auf guten Beobachtungen meiner Tätigkeiten im Westen basierte, noch perfekter überwacht werden. An Spitzeln im Westen schien es nie gemangelt zu haben. So konnten sie zu der Einschätzung kommen, dass ich im verstärkten Maße meine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten, die sich gegen den Sozialismus insgesamt und die DDR im Besonderen richten, fortsetze.

Mein Gott, was erlaubten sie sich denn anzunehmen, als sie mich einst aus dem Gewahrsam ihres „Fürsorgewesens“ entließen? Glaubten sie etwa, dass ich mein Erinnerungsvermögen gegen meine Entlassungsurkunde aus der DDR-Staatsbürgerschaft eingetauscht hatte? Wehleidige Anfragen der Führungsoffiziere entdeckte ich, um mich glauben zu lassen, dass ich bedeutungsvoll sei, und dass ich ihnen - nach ihrem Wunsche möglichst vom Hass zerfressen - dennoch als Gefahr erschien, mit eigenem Kopf, eigener Stimme, ja, einer sarkastisch interpretierenden Stimme, die sie mir nie zutrauen wollten. Ja, sie versuchten, meinen Gedanken auf die Spur zu kommen, ersannen Maßnahmepläne, um mich zum Schweigen zu bringen, um meinem Leben den Sinn zu verkürzen, den Unsinn zu verlängern, mir weiszumachen, dass ich fremdgesteuert sei, ha!
So liest sich das:

            Informationen und Hinweise über weitere Verbindungen und Kontakte, insbesondere zur „Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“ (IGFM) und weiteren feindlichen Organisationen und Einzelpersonen in der BRD/Westberlin, wobei besonders interessieren:

            - Kontakte, die vorrangig um eine mögliche nachrichtendienstliche Tätigkeit des FAUST bzw. dessen Steuerung durch im § 97 (1) StGB genannte Stellen oder Personenhinweisen.

Ich ließ sie im Glauben, was sie gern glauben wollten, dass der Mensch des Menschen höchstes Wesen sei, weil sie ohnehin nicht den Glauben an den Einzigen, an den es zu glauben lohnt, gefunden hatten – an Gott. Wie sollte man sich vor ihnen in Acht nehmen, ohne zu werden wie sie: misstrauisch, argwöhnisch, verschlagen, hinterhältig, also menschenverachtend? Lieber einfältig bleiben als es mit gleicher Münze heimzuzahlen. Gar meine Feinde lieben? Das konnte ich nicht und das kann ich bis heute nicht. Nur Gegner kann ich lieben, aber keine, die mein Leben zerstören wollen. Ich überließ ihnen großzügig meine Worte, sollten sie mir diese im Mund herumdrehen, wie sie es brauchten, denn meine Worte gehörten mir keinesfalls allein; ich hatte sie nicht erfunden, sondern übernommen in einem schmerzhaften Lernprozess. Oh, die Stasi-Schnüffler waren wissbegierig, so wollten sie nach einer ihrer endlosen Listen zum Beispiel auskundschaften:

- Hinweise zu Parteien, Organisationen, staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen im Operationsgebiet, die FAUST in seiner gegen die DDR gerichteten feindlichen Aktivitäten unterstützen.

- Informationen und Hinweise über Widersprüche und Differenzen zwischen FAUST mit seinem Umgangs- und Kontaktkreis, einschließlich in der familiären Sphäre.

- Angaben zum Persönlichkeitsbild des FAUST, insbesondere zu solchen Charaktereigenschaften wie Bestechlichkeit, Feigheit, materielle Interessiertheit, Interessen und Neigungen, zu Gepflogenheiten (z.B. regelmäßiges Aufsuchen bestimmter Gaststätten,Aufenthalt in bestimmten Hotels, Benutzung von Fahrzeugen bzw. öffentlichen Verkehrsmitteln, Reisetätigkeit innerhalb der BRD und nach Westberlin und Auslandsreisen).

- Angaben und Hinweise zum Wohnmilieu des FAUST und seiner gesellschaftlichen Stellung im Wohnort; Hinweise auf sein Grundstück, zur Wohnungseinrichtung, in der Wohnung vorhandene organisationstechnische Mittel, Adresskarteien u. ä., zu vorhandenen finanziellen Mitteln und Wertgegenständen sowie Beschreibung der Wohnung (Grundriss,Lage).

Der Apparat muss so aufgebläht gewesen sein, dass die Linke nicht wusste, was die Rechte unterließ. Eigentlich wussten sie fast alles, doch sie fingen immer wieder einmal von vorn an. Dabei hatten sie schon aus den frühen siebziger Jahren ein ergiebiges Persönlichkeitsbild gewonnen, sogar mit Hilfe psychiatrischer Begutachter. Wollten sie nun testen, ob der Systemwechsel meine inneren Werte verdreht hatte? Glaubten sie im Ernst, dass ich nun bestechlich, feige und besonders materiell interessiert geworden sei? Es konnte mich außer Rand und Band bringen, dass meine Feinde zu vermuten wagten, ich würde regelmäßig eine Kneipe aufsuchen; das tat mir weh, heute noch, immerdar. Was heißt: mein Grundstück? Dachten sie wirklich, ich sei in den Westen gegangen, um mein Herz an ein Grundstück zu verpachten, mich irgendwo festzulegen? Mir solches zu unterstellen – Frechheit! Ich, der ich mich lieber als Hermann Hesses „Steppenwolf“, manchmal sogar als Zigeuner am Rande des Universums empfand, klappte gekränkt den Aktendeckel zu.

Freiheit schien diesen Leuten tatsächlich unvorstellbar zu sein. Zum Glück erwachte ich wieder aus seiner Naivität, denn die Feinde der Freiheit wussten seit jeher viel zu genau, was sie ist: die Urkraft des Lebens. Nach einer Weile war ich wieder so frei, einen der Aktendeckel wieder zu öffnen, denn die Neugier war eine meiner Schwächen oder Stärken. So erfuhr ich aus den Akten, dass bereits 64 Tage nach meiner Übersiedlung 1976 ein erneuter Haftbefehl mit Zustimmung des Generalstaatsanwaltes gegen mich ausgestellt worden war, der erste von einigen weiteren. Die Begründung:

            FAUST ist dringend verdächtigt, staatsfeindliche Hetze im schweren Fall betrieben zuhaben, indem er nach seiner Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR im September 1976von Westberlin und der BRD mit dem Ziel, gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR aufzuwiegeln, fortgesetzt und planmäßig in mündlicher und schriftlicher Form die Tätigkeit staatlicher Organe der DDR, insbesondere der Sicherheits- und Justizorgane diskriminierte, gegen Repräsentanten der DDR hetzte und dazu aufforderte, Widerstand gegen die Staatsordnung in der DDR zu leisten.

Am 11.11. desselben Jahres, wahrscheinlich zur Karnevalseinführung um 11 Uhr 11, wurde das Ermittlungsverfahren vorläufig eingestellt, da sich der Beschuldigte außerhalb des Staatsgebietes der DDR aufhält. Ich litt zunehmend mehr an der Erbarmungslosigkeit, die sich seit damals noch zu steigern schien, obwohl ich die „DDR“ mittlerweile um 33 Jahre überlebt habe. Was mag in mir vorgegangen,was in mir zerstört worden sein, dass ich so offensichtlich falsch empfinde? Oder sind meine Wahrnehmungen wahrer als die Börsen- und Wirtschaftsberichte, die Nachrichten in den Medien? Überall scheint es schön zu sein, wenigstens im Westen Europas, ringsum trügt ein schöner Schein, allerorts ist der Wurm drin, um eine Redensart zu bemühen, die man erst einmal auf ihren Ursprung zurückführen müsste, um sie verstehen zu können, und es wurmt mich nicht einmal, dass ich selber draußen bin, außerhalb der Möglichkeit, unseren Lebensbereich, die schöne bunte Welt, zu retten. Ich muss innehalten, um in mir selbst noch einen Funken Hoffnung zu finden, dazu muss ich mit bloßen Händen in der Asche wühlen, der Gefahr ausgesetzt, mir die Finger zu verbrennen, also wühle ich weiter, fortgesetzt und planmäßig in mündlicher und schriftlicher Form, der noch größeren Gefahr ausgesetzt, mir die Zunge zu verbrennen. Mein längst verstorbener Freund Sieghard Pohl, der einst mein erstes Lyrikbändchen illustrierte, warnte mich inmitten einer Zeichnung: HÜTE DIE ZUNGE,FAUST – MAN FING SIE DIR! Meine Waffe war stets nur die Zunge, scharf wie eine rostige Rasierklinge, flink wie ein Florett, schwer im Zaume zu halten. Nein, von der Zunge war hierüber Gebühr die Rede, obwohl sie kaum des Geredes wert ist, der läppische und schleimige Ausläufer, der sich Zunge nennt und mir selber oft genug zum Hals heraushing. Der Kugelschreiber war's, der mich ins Unglück stürzte, wenn das Gefängnis einer totalitären Diktatur überhaupt als Unglück aufzufassen ist, was natürlich falsch ist im richtigen Leben, denn ein solches System filtert anständige Menschen aus, sperrt sie folglich ein, so dass mich meine Schreiberei, durchaus geführt von Gottes Hand, ins Glück verführte, jedenfalls dorthin, wo sich menschlicher Anstand als Bodensatz ansammelte, als Hefe, die schließlich das System von innen sprengte und zum Einsturz brachte.

Gleich zu Beginn, als ich aus der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Dresden über drei Tage mit dem sogenannten „Grotewohl-Express“, einem Gefangenenwaggon, der äußerlich wie ein Postwaggon aussah, in der Strafvollzugsanstalt Cottbus ankam, musste ich, wie die ebenfalls angekommenen Mithäftlinge, mit Bleistift auf die Seite eines zugeteilten Blattes meinen Lebenslauf schreiben. Auf der Rückseite sollte jeder eine Stellungnahme zu seiner Straftat abgeben. Ich schrieb kurz und provozierend bündig:

            Ich fühle mich keiner Straftat schuldig!

Des Weiteren wurden wir aufgefordert, schriftlich zu fixieren, wie wir uns im Strafvollzug zu verhalten gedächten. Ich quälte mir elf Zeilen ab. Jedenfalls hatte ich damals noch allen Grund, optimistisch zu sein und ans Überleben zu denken. Nun, da ich überlebt habe und ans Ableben denke, sträubt sich in mir zwar noch die Feder (heutzutage der Bildschirm), solches als Beweis meiner nationalen Resignation zu hinterlassen, dennoch gibt’s beim Schreiben nichts zu schonen, nichts zu berücksichtigen, nichts zu verheimlichen. Man kann im Beruf des Schriftstellers letzte, uralte Fragen stellen, archetypische Bilderzeichnen und wie Samuel Beckett vom Ende der Träume sprechen, vom Ende des Seins, vom Ende der Lügen. Schön wär's! Solange das System des real exerzierenden Sozialismus bestand, fußte es auf Lügen, selbst wenn hin und wieder richtige Einschätzungen aus dem gefürchteten Stasi-Ministerium abgesondert wurden:

            Die politische Einstellung des FAUST ist eindeutig antikommunistisch und von Hass gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung geprägt. Es handelt sich bei ihm um einen politisch verfestigten Feind des realen Sozialismus im allgemeinen und einen gegenüber der DDR im besonderen. Ließ er sich bei seiner Hetze in der DDR von sogenannten linken Positionen leiten, so befindet er sich jetzt eindeutig auf politisch rechten Positionen. Er spricht sich offen für einen Kampf gegen die DDR aus, der offensiv und wirkungsvoll geführt werde müsste.

Weiter so! Das möchte ich den Ehrenmännern noch nachträglich zurufen, denn ich finde, dass sie hier immerhin auf dem rechten Wege der Erkenntnis waren; es wurde nichts geschont oder geschönt, sondern drastisch und herzerfrischend ausgedrückt, was der Wahrheit, so es denn eine einzige außerhalb Gottes gibt, ziemlich nahe kommt. Die mich wegen meiner Haltung damals vom Westen aus rechts abstempelten und links liegen ließen, die mir die Solidarität verweigerten,obwohl sie dieses Bekenntnis zu Verbundenheit und Gemeinschaftssinn ständig in ihren Maultaschen führten, die ständig das SED-Regime hübsch redeten und sich nicht oft genug mit dessen Bütteln treffen und verständigen konnten, regierten mich nun. Wäre diese friedliche Revolution nicht in ihren Kinderschuhen stecken geblieben, hätte sie diese Verräter bis Hochverräter mit hinwegfegen müssen. Hätten sich die Damen und Herren nicht nur opportunistisch den neuen Verhältnissen angepasst, müssten sie sich eigentlich bei mir und meinen Freunden entschuldigen.

Nein, das wäre viel zu wenig. Glimmten in ihnen noch ein paar Funken Anstand, um nicht von Ehre zu reden, hätten sie sich eigentlich längst erschießen müssen. Stattdessen hielten sie Feiertagsreden zum 17. Juni, 13. August oder zum Tag der Menschenrechte, heizten dem Tag der deutschen Einheit ein, überreichten ein paar willkürlich ausgesuchten Oppositionellen das Bundesverdienstkreuz, ohne sich erinnern zu wollen, wie sie den Machthabern der zweiten deutschen Diktatur entgegen- nein,nicht traten, sondern sich ihnen entgegen schleimten: unterwürfig, bewundernd. Alles im Namen des Friedens und im Kampf gegen rechte Positionen. O Jesus, komm und vertreibe dieses Natterngezücht, diese Brut der Heuchelei und Korruption wieder einmal aus dem Tempel, dieses Mal aus dem demokratischen. Meine Kraft verschleißt sich im Kampf gegen meine Feinde, die mir nach dem Leben trachteten, nein, schlimmer noch: nach der Freiheit. Aus dem Eröffnungsbericht der Hauptabteilung XX/5 zur „Operativen Personenkontrolle“ (OPK) des Siegmar FAUST unter dem Decknamen „Mephisto“ vom 5. Februar 1987 heißt es des Weiteren:

            Charakteristisch für seine sich weiter verfestigten feindlichen Positionen zur DDR drückt sich darin aus, dass er jetzt erklärte, dass er das System in der DDR nicht mehr als Gegnerschaft sondern als Feindschaft bezeichnen müsste, woraus die Aufgabe entstehe, „ein solches menschenversklavendes System durch die Wandlung der Menschen zu destabilisieren“.

Abgesehen davon, dass sie ihre Muttersprache noch weniger beherrschten als die meisten ihrer Opfer, denen sie zumeist die Bildung verweigert hatten, mussten sie sich laufend wiederholen, um sich bei der Stange ihrer Fahne halten zu können. Irgendetwas Eingeschränktes muss es gewesen sein, dass sie ständig flatternde Worte und windige Ausdrücke benutzen ließ. Ich ertappte mich dabei, mich ihrer weiterhin zu schämen, obwohl ich nie nachtragend sein mochte, und es trotzdem mit einer Verbissenheit war, die sich Biss um Biss an Gewissensbisse heran biss. Diesseits solcher Akten hätte ich die grausame Vergewaltigung des Denkens, der Logik, der Wahrheit und Wirklichkeit niemals ertragen können, obgleich im Schutze der Akten, die jetzt zur Historie gehörten, sich mein Gesicht zu einem gütigen Lächeln verzerrte, das bald wieder einer gelangweilten Abwesenheit wich,denn der nächste Satz im Stasi-Text ging folgend weiter:

            Die erarbeiteten Erkenntnisse zu FAUST zeigen deutliche Tendenzen einer sich weiterverfestigten feindlichen Haltung und eine Zunahme der feindlich gegen die DDR gerichteten Aktivitäten

- als Mitglied der Feindorganisation „Internationale Gesellschaft für Menschenrechte e.V.“ und der Anfang 1986 gegründeten Zeitschrift „DDR heute“ der IGFM „Deutsche Sektion“, deren Chefredakteur er ist. Diese Hetzzeitschrift erscheint 2-monatlich und soll ab Dezember1986 in einem Umfang von 20 Seiten verlegt werden.

- Durch den Versand von Hetzmaterialien an Rückverbindungen in der DDR, wie die Hetzzeitschrift „DDR heute“, den „Ost-Kurier“, deren Herausgeber das Studienzentrum für „Ost-West-Probleme e.V.“ ist, Hetzschriften bzw. Hetzartikel, die durch FAUST und weitere Feinde in der Presse veröffentlicht wurden und Mitteilungen des „Brüsewitz-Zentrums“

- Bei seinem Auftreten vor zahlreichen feindlichen Organisationen/Einrichtungen und auf Hetzveranstaltungen –„Gesellschaft für Menschenrechte“, „Bund freies Deutschland“, „Arbeitsgemeinschaft 13. August e.V.“ (auch zum 25. Jahrestag der Sicherung der Staatsgrenze) „Vereinigung der Opfer des Stalinismus“, „Hilferufe von drüben“, „Gesellschaft für Deutschlandpolitik“, „Demokratischer Klub“, „Europäisches Studienwerk“, „Europäische Akademie“ Berlin, „Studienzentrum Weikersheim“.

- FAUST ist Unterzeichner zahlreicher Aufrufe und Forderungen, die sich gegen die DDR, die Sowjetunion, die CSSR und die VR Polen richten.

- Als Mitglied des Vorstandes des im Januar 1984 in Neustadt/Pfalz gegründeten „Ost-West-Studienzentrums“, dessen Vorsitzender der Fernsehjournalist Fritz SCHENK und als Stellvertreter Fritz WEIDLICH, Landesvorsitzender des „Bundes der Mitteldeutschen“ in Rheinland/Pfalz fungiert. Ziel dieser Vereinigung ist es, „der Verständigung der Landsleute zwischen Ost und West zu dienen, das kommunistische Regime der Politbürokraten in Ostberlin und an der Moskwa zu entlarven, unserem ganzen Vaterland zu dienen...“

- FAUST ist „Ehrenmitglied im Kuratorium des Brüsewitz-Zentrums“,

- Weiterhin ist FAUST „Präsidiumsbeauftragter des Freien Deutschen Autorenverbandes für Autoren aus Mitteldeutschland“ und Mitglied des FDA-Landesverbandes Rheinland/Pfalz.

- Bei seiner Referententätigkeit in der gesamten Bundesrepublik und Westberlin greift er fast alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens an, besonders jedoch die führende Rolle der Partei, die sozialistische Staatsmacht und ihre Schutz- und Sicherheitsorgane, die marxistisch-leninistische Ideologie, die sozialistische Demokratie, die Kulturpolitik und führende Persönlichkeiten unserer Republik. Häufig tritt er vor Studenten und Schülern mit seiner Hetze gegen die DDR und der Verleumdung des Sozialismus auf, aber auch bei „Werkstattkreisen von Exilschriftstellern“, Bundeswehrsoldaten, NATO-Offizieren, Bundesgrenzschutzangehörigen, Bundespost, „Wehrkundeverein“, „Verband der Heimatvertriebenen“ und der „Jungen Union“. Nachweislich erfolgt sein Einsatz als Referent durch die „Konrad-Adenauer-Stiftung“ und das „Gesamtdeutsche Institut“.

- Neben zahlreichen Veröffentlichungen in Zeitschriften der BRD und Westberlins wie z. B. In der

• Springer Presse „Die Welt“

• Antisowjetische Zeitschrift „Kontinent“

• „Europäische Ideen“

• Literaturzeitschrift „Criticon 75“

• Hetzzeitschrift der IGFM „DDR heute“

• „Berliner Morgenpost“

erscheinen hauptsächlich Veröffentlichungen in der regionalen Tageszeitung „Rheinland/Pfalz“, die inhaltlich seinen Vorträgen gleichen. Neben der 6teiligen Hetzserie „Freiheit, die ich meine“ mit dem Untertitel „über Christen und Marxisten in der DDR“, die er 1979 produzierte und im ZDF ausgestrahlt wurde, ist er Verfasser von folgenden Büchern:

1979 „Die Knast- und Wunderjahre des Faustus Simplicissimus“ (Klaus Guhl-Verlag)

1980 Autobiografischer Text „In welchem Lande lebt Mephisto? - Schreiben in Deutschland“ (Olzog-Verlag München/Wien)

1983 Dokumentationsband „Ich will hier raus“ (Guhl-Verlag)

1984 Roman „Ein jegliches hat sein Leid“

1986 Romanhafte Bewältigung seiner Jugend in Dresden „Der Freischwimmer“

1987„Menschenhandel in der Gegenwart – Literatur der DDR im Zeugenstand“ (MUT-Verlag Asendorf) Alle Bücher beinhalten die bekannten Angriffe gegen die DDR. In seinem Buch „Ich will hier raus“ wird seine feindliche Haltung zur DDR und sein verleumderisches Auftreten besonders deutlich. Zitat:

            „In einer gewissen Deutschen Demokratischen Republik.... ist nichts demokratisch. Nichts republikanisch im Sinne einer offenen Gesellschaft. Und sein Deutsch-Sein besteht vor allem darin, dass er das grässlichste Kapitel unserer Geschichte und unseres Charakters – die Zeit der nationalsozialistischen Terrorherrschaft – mit anderen Mitteln fortschreibt.“

Hier wurde allerdings unterschlagen, dass dieses Zitat von meinem Freund Ulrich Schacht stammte, der auf der vierten Umschlagseite ein Nachwort verfasste. Inhaltlich passte es genau zur Aussage des Buches.

- Auch zu aktuellen Problemen, besonders was die Beziehungen der DDR zur BRD betreffen, nimmt FAUST über die Westmedien in dem Sinne Stellung, indem er vor einer gleichberechtigten Zusammenarbeit auf der Grundlage der friedlichen Koexistenz warnt. So sprach er sich in einer Sendung des SFB für das uneingeschränkte Fortbestehen der Erfassungsstelle Salzgitter aus. Er vergleicht die Notwendigkeit mit der Erfassungsstelle für NS-Verbrechen in Ludwigsburg.

- In einem in der „Die Welt“ erschienen Artikel „Frieden machen mit den Feindbildern?“ warnt er vor der Friedenspolitik, der Entspannungs- und Dialogpolitik der DDR. Sie sei ein taktisches Mittel zur Unterwanderung der BRD. („Die Welt“ vom 18. 01. 1986)

- Als Reaktion auf die Verleumdungen des Bundeskanzlers KOHL auf einer CDU-Veranstaltung in Dortmund 3./4. 1. 1987 über angebliche Konzentrationslager in der DDR trat FAUST auf einer Pressekonferenz der „Jungen Union“ Westberlin auf und begrüßte, „dass der Bundeskanzler mit diesem provozierenden Reizwort diese wichtige Diskussion ausgelöst hat“. In einem offenen Brief an KOHL, den 15 weitere ehemalige DDR-Bürger unterzeichnet haben sollen, wird KOHL dafür gedankt, „dass er in seiner Dortmunder Rede am Wochenende das Wesen des kommunistischen Herrschaftssystems auf deutschem Boden ungeschminkt charakterisiert“ habe.

- Ein weiterer Rundbrief von FAUST (Als „Chefredakteur der IGFM-Zeitschrift DDR –heute“ vom Oktober 1986) fordert zur Spendenaktion für den im Jahre 1983 „ausgebürgerten deutschen Liedermacher und Komponisten Jürgen HERRMANN“ auf und bedankte sich für die vor einem Jahr erfolgte Spendenaktion für „den in Leipzig lebenden Schriftsteller Gert NEUMANN“. Bezugnehmend auf sein Buch „Menschenhandel in der Gegenwart – Literatur der DDR im Zeugenstand“ in dem er „bewusst provozierend“ schrieb:

            „Jene, die nur dem Bankkonto nach konservativ sind, haben sich weder mir noch meinen literarisch oder künstlerisch tätigen Freunden gegenüber als ‚Entwicklungshelfer' betätigt. Von jener Art von Konservativen, die ihren Kunst- und Erbauungsgenuss nur in der subventionierten Oper, in Bayreuth, Salzburg oder in der zur Klassik erstarrten Literatursuchen, können wir wohl nichts erwarten. Viele meiner Freunde leben in Bezug auf den hierzulande üblichen Lebensstandard oft am Rande des Existenzminimums. Die Linken, die sich längst an die öffentlich-rechtlichen Futterkrippen heranprotestiert haben, können uns nur herablassend belächeln. Und dennoch knirschen sie mit den Zähnen, da nicht wir, sondern sie frustriert, verbittert und verschlagen sind“.

Ich hätte auch den Ansichten von Gestern nichts hinzuzufügen, wenn es nicht zunehmend schmerzen würde, dass ausgerechnet meine Feinde mich so überdimensional beachteten, ansonsten kaum jemand anders. Man könnte meinen, ich wäre samt meiner Lebenserfahrung zum Schweigen verurteilt worden. Wenn ich freilich schwiege, was mir keiner übelnähme, würden die anderen noch lauter triumphieren, was sie ohnehin tun, und zwar lauter und greller als je zuvor. Es scheint der Lohn der Reife zu sein, verstummen zu können, obwohl man unendlich viel zusagen und nichts zu verschweigen hätte. Nicht, dass es ein Resignieren oder gar Kuschen wäre, nein, gekuscht haben wir selten. Denken wir nur einmal an Wolfgang R. zum Beispiel, sprach ich zu mir selber, und ich meinte den ehemaligen Haftkameraden aus Cottbus, der aus ähnlichem Hartholz geschnitzt war wie ich. Nicht nur, dass R. zum Gelingen und Verbreitender illegalen, handgeschriebenen Häftlingszeitung „Armes Deutschland“ wesentlich beitrug oder sich durch sein widerständiges Verhalten die Bekanntschaft mit einer Arrestzelle verdiente, nein,er spurte auch später nicht, weder vor Frauen noch vor Behörden. Den Arrest, den auch ich nur allzu gut kannte, beschrieb er einmal so:

            „Täglich zwei Scheiben trockenes Brot, ca. einen Liter stinkenden Kaffee, jeden dritten Tag zusätzlich eine warme Mahlzeit, schlecht geheizte Kellerzelle, eine Decke, Lattenrost zum Schlafen (tagsüber hochgeschlossen), Sitzgelegenheit am Tage auf dem Kübel.“

Kurz und bündig: Diese Kunst ist mir wohl verloren gegangen. Ich glaubte immer, viel Raum und Zeit zu benötigen, dass sich Geschichten – ganz nach dem Vorbild des Lebens – in sämtlichen Verästelungen entfalten müssten. Der Nachteil war, dass sich dabei immer neue Episoden mit in den Fluss des Erzählens hineindrängten, so auch diese:

Am zweiten Tag des Prozesses vor dem Bezirksgericht Gera im Jahre 1978 erteilte schließlich der Vorsitzende Richter dem Angeklagten Wolfgang R. das letzte Wort. Er begann damit, den Richter als „Herr Freisler“ anzureden. Da entstand ein riesiger Tumult im Gerichtssaal, denn einige Stasi-Offiziere, die in Zivilkleidung oder in Uniform als Zuhörer der ansonsten geschlossenen Veranstaltung anwesend waren, verstanden sofort diese Provokation, denn Freisler war bekanntlich der Vorsitzende des Volksgerichtshofes der Nazis. Auch sein Verteidiger wurde kreidebleich und sein Gesicht versteinerte, bevor er ihm ins Ohr schrie: „Halt dein Maul, halt dein Maul!“ Nach der Urteilsverkündung wurde er aus dem Verhandlungssaal in einen winzigen Raum gezerrt. Dort erschien sein Stasi-Vernehmer und eröffnete ihm: „Für Sie waren eigentlich sechs Jahre geplant. Aber Ihr unverschämtes Verhalten vor Gericht hat Ihnen ein weiteres Jahr eingebracht.“ Darauf entgegnete Wolfgang: „Wunderbar! Umso eher bin ich im Westen."

Das liegt nun schon 45 Jahre zurück. Und wenn ich über das Phänomen Zeit nachdachte, wurden die Pausen zwischen den Worten etwas länger, vielleicht sogar schon zwischen den Gedanken. Woher rührte die Angst vorm Verstummen, vor der Endgültigkeit des absoluten Schweigens? War es nur die eitle Angst, eines Tages von seinesgleichen vergessen zu sein, abgekoppelt vom Strom aller Auffälligkeiten? Ich brachte laut Stasi-Rundbrief weiterhin zum Ausdruck,
„dass die gutbürgerlichen Kreise den Linken nicht nur die gegenwärtige Kulturszene als ‚Spielwiese‘ überlassen, sondern sogar noch mithelfen, jene preiszukrönen, die ihnen, und das leider nicht nur symbolisch, ins Gesicht spucken“.

- Verbindungen des FAUST innerhalb der BRD, Westberlin setzen sich nach bisherigen Erkenntnissen ausschließlich aus rechten Kreisen zusammen und insbesondere ehemalige DDR-Bürger, die die gleiche Position beziehen:

• BORKOWSKI, Dieter, ehemaliger DDR-Bürger

• DEINERT, Wolf-Peter, ehemaliger DDR-Bürger

• LÖWENTHAL, Gerhard, ZDF

• SCHACHT, Ulrich, seit 1976 BRD, ehemaliger DDR-Bürger

• SCHENK, Fritz, ZDF

- Als operativ bedeutsam müssen seine Rückverbindungen in die DDR betrachtet werden. Es konnten bisher 15 derartige Verbindungen festgestellt werden. Die Personen, zu denen besonders intensive Verbindungen bestehen, werden in OV durch zuständige Diensteinheiten bearbeitet. Als Schwerpunkt gilt dabei der NEUMANN, Gert. Bei dieser Verbindung handelt es sich um die intensivste. Beide stehen fast täglich im Postverkehr. FAUST verschickt regelmäßig Zeitungsausschnitte, selbstverfasste und veröffentlichte Artikel, Ausschnitte aus der Hetzzeitschrift der „IGFM“ sowie andere Materialien, welche ausschließlich Hetze und verleumderische Aussagen gegen die DDR, die Sowjetunion und die sozialistischen Staaten beinhalten. Mit diesen Materialien und eigenen Stellungnahmen nimmt er mit Erfolg zielgerichtet politisch-negativen Einfluss auf den NEUMANN. Besonders seit ca. Mitte 1985 wird erkennbar, dass sich der NEUMANN immer mehr den feindlichen Positionen des FAUST nähert und die Bereitschaft des NEUMANN gewachsen ist, von FAUST „politische Ratschläge“ und Einschätzungen zu erlangen und zu übernehmen. Die Einflussnahme  des FAUST ist dazu geeignet, den NEUMANN zur politischen Untergrundtätigkeit zu inspirieren.

Sein erklärtes Ziel „Untergrundpoeten“ zu ermutigen und in den Westmedien zu popularisieren, um sie vor den staatlichen Organen zu „schützen“, praktiziert er bei dem NEUMANN intensiv. Im verstärkten Maße versucht er den NEUMANN in der BRD bekannt zu machen und zu profilieren. So übergab er nach eigenen Darstellungen zur Buchmesse in Stuttgart am 20.10.1985 eine „Darstellung“ von NEUMANN und sprach mit dem Kulturminister von Baden-Württemberg B. MAYER-VORFELDER, der angeblich etwas für NEUMANN tun will. In Veröffentlichungen, aber auch in seinen Vorträgen bezieht er sich immer mehr und direkter auf NEUMANN. So referierte er auf einem Seminar mit dem Thema „Die Würde des Poeten Gert Neumann“. Andererseits verwendet er in seinen Vorträgen Informationen des NEUMANN, die er zum Teil wörtlich wiedergibt. Sie sind geeignet, dem Ansehen der DDR zu schaden.

Das Würdelose, das Verlogene und Beklemmende waren Symbole dessen, was den Staat, seine Rechtsauffassung und den Sozialismus verkörperten. Dementsprechend unbehaglich sah es in den meisten Schulen, Kasernen, Erziehungsanstalten, volkseigenen Fabriken, Altersheimen, psychiatrischen Kliniken, Arbeitslagern und Strafvollzugseinrichtungen aus. Ich kannte das Letztere aus mehreren Varianten. 17 Monate Stasi-Untersuchungshaft in zwei Raten, dann weitere 16 Monate Zuchthaus in Cottbus; insgesamt über zwei Jahre Einzelhaft, davon über 401 Tage, einschließlich 63 Tage strenger Hungerarrest, in halbdunklen, feuchten und zumeist kalten Kellerzellen, und das zu jener Zeit als die in Ost und West polarisierte Welt in Helsinki Entspannung zelebrierte, wo Bundeskanzler Schmidt neben Diktator Honecker saß. Ich trat währenddessen den Offizieren, die sich „Erzieher“ nannten, mit entschiedener Haltung gegenüber. In einem Führungsbericht heißt es dazu:

            In der DDR gibt es, nach seiner Meinung, keine Demokratie und Freiheit. Die Freiheit wird er aber in der BRD haben, und dem Ziel ordnet er alles unter. In seinem Charakter ist er sehr überheblich und arrogant, er lässt sich nichts sagen und ist unbelehrbar. Trotz Aussprachen und Disziplinarmaßnahmen lehnt er, mit dem März '75, grundsätzlich im Strafvollzug eine Tätigkeit aufzunehmen, ab. Er zeigt keinerlei Bereitschaft zur Umerziehung und ist auch nicht bereit, sich unterzuordnen. [...] Er zählte in unserer Einrichtung zu den besserungsunwilligen Gefangenen und wird auch in Zukunft versuchen, sich außerhalb der Verhaltensnormen zu bewegen. Grube / U-Ltn. des S.V.

Damals, also im Jahre 1968, als die edelsten Vertreter des Fortschritts sich von links und rechts, also von allen wesentlichen Seiten bedroht sahen, im Westen von den rebellierenden Studenten, im Osten von den von der Linie abweichenden Genossen, sowohl in Polen als auch in der CSSR, fielen die Urteile besonders hart und demzufolge „gerecht“ aus. Den Auflösungserscheinungen im Besatzungsstaate DDR ab Mitte der sechziger Jahre musste Einhalt geboten werden. Die Beatles durchdröhnten den realen Sozialismus; das großzügige vom Staat propagierte Tanzangebot unter dem Namen „Lipsi“, kostenlos zu Kursen angeboten, sogar auf öffentlichen Plätzen publik gemacht, nahm die undankbare Jugend nicht an. Über tausend Jugendliche protestierten derweilen gegen das Verbot von Beatgruppen auf dem Leuschnerplatz; Leipziger Medizinstudenten weigerten sich, Blut dem Vietnamkrieg zu spenden; Schauspielschüler schickten ein pazifistisches Pamphlet an den Zentralrat der FDJ; Kunsterziehungsstudenten trugen unter meiner Anleitung „unzensierte Lyrik“ vor; Proteste formierten sich gegen die Sprengung der kulturhistorisch wertvollen Universitätskirche St. Pauli; anlässlich des Bachwettbewerbes entrollte sich in der Leipziger Kongresshalle auf der Bühne ein Protestplakat mit der Aufschrift: „Wir fordern Wiederaufbau!“; auf einem volkseigenen Fahrgastschiff wurden nachts unter meiner Verantwortung „unverantwortliche“ Gedichte gelesen, zudem trug ich dort Passagen aus dem von den Poststalinisten als „revisionistisch“ verachteten Dubček-Programm der Kommunistischen Partei der CSSR vor...

War das Leichtsinn oder was? Immerhin hatte ich damals schon eine Familie mit drei Kindern. Ja, die Familie als Zelle der Gesellschaft, das kennen wir doch, aber dem wirklichen Zustand einer Zelle näherte ich mich schon in beträchtlichen Schritten. Ich werde sie wiedererkennen von meiner uralten Herkunft als Einzeller her und sich am Ende noch an sie gewöhnen, im gewissen Sinn sie gar lieben lernen, die Wegstrecke von der verschlossenen Tür bis zur Wand. Da ist alles drin, was der eindimensionale Mensch zum Überleben braucht: etwas Luft, eine gewisse Temperatur, ein wenig Sicht ohne Aussicht, ein paar Geräusche und Gerüche, einen gewaltigen Brocken Zeit und Angst. Man läuft um sein Leben, vier, fünf Schritte im Schnitt: vor und zurück und wieder und immer wieder, das hängt alles zusammen, die Seele, die Wut, die Sehnsucht, die Verzweiflung, doch es gibt ein Ziel, das man wahrscheinlich nur durch Zellteilung oder Zertrümmerung erreicht: Freiheit. Ja, „es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei.“ Das zu singen oder auch „Brüder zur Sonne, zur Freiheit…“, das brachte mir Schläge mit einem ausziehbaren Schlagstock meines „Erziehers“, des Offiziers Hoffrichter ein, den wir „Urian“ nannten. Ich wälzte mich blutend am Boden. Es mag verwegen scheinen, an nichts anderes zu denken, wenn man die Folgendes Singens, des Denkens und Träumens zu spüren bekommt: schmerzhaft, herzhaft, wohnhaft – alles Haft oder was?

Habe ich's nötig, mich ins Rampenlicht zu stellen? Das fragte ich mich und schaue mich verstohlen um, obwohl mir jetzt niemand im Nacken sitzt. Ich schreibe, schreibe und schreibe. Ich weiß dagegen schon mehr als ich ahne, dass mich jeder Lektor zu großen Streichungen überreden wird. Ich werde mir die Mitverantwortung für den Fortgang der eigenen biblischen Geschichte nicht aus der Hand nehmen lassen. Ist das ein Faustpfand?

 


  Der Publizist Siegmar Faust war in den 1970er Jahren in der DDR wegen staatskritischer Äußerungen fast 3 Jahre in Haft.