Brandenburg lange ohne Opferhilfe

Von Gisela Rüdiger[1]

Als Opfer der SED-Diktatur und der sowjetischen Besatzungsmacht hatte man es lange Zeit besonders schwer im Land Brandenburg. Besonders in den ersten zwei Jahrzehnten, seit Gründung des Landes Brandenburg war ein Unwille in der Politik zu spüren, sich mit dem Thema der Aufarbeitung der DDR-Diktatur und der Verbrechen der Sowjetischen Besatzung in der Nachkriegszeit zu befassen und sich den Opfern zuzuwenden, ihnen Unterstützung zu gewähren und Achtung entgegenzubringen.

Dass das nicht nur ein Gefühl war, haben die Ergebnisse der Enquetekommission des  Brandenburgischen Landtages 2011/12 bestätigt. Das Land Brandenburg hatte in Sachen Aufarbeitung und Betreuung der Opfer besonders viele Defizite.Man kann das nachlesen.

Die Opfer hatten in der Landesregierung und im Landtag in den ersten Legislaturperioden überhaupt keine Lobby. Der erste Landtag war durchsetzt mit ehemaligen Funktionären von ehemaligen Blockparteien und Massenorganisationen und IM, die aber alle bis auf zwei im Landtag bleiben durften. Die ehemaligen SED-Kader hatten im Gegensatz zu den Verfolgten eine ganze Fraktion, die PDS, die sich für sie einsetzte. Selbst die SPD, die keine alten Eliten in ihren Reihen hatte, hatte aber dafür das Stolpe-Problem, sie war von seiner Person als Ministerpräsident abhängig und gleichzeitig lagen- Vorwürfe auf dem Tisch, die man nicht einfach wegwischen konnte. Die Partei war deshalb wie gelähmt. Sie hat die Themen Opfer und Aufarbeitung, gemieden. Es waren Tabuthemen. Und so blieb es über viele Jahre hinweg.

Eine Überprüfung der Abgeordneten unterblieb ab der zweiten Legislaturperiode gleich ganz und die Überprüfung der Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst war sehr mangelhaft, siehe Staatskanzlei oder Polizei.

Ein Landesbeauftragter wurde in Brandenburg erst gar nicht eingesetzt, als einziges ostdeutsches Land. Angeblich war er nicht nötig -

Dabei gab es Aufgaben genug:

  • Beratung von Opfern im ganzen Land Brandenburg,
  • Erarbeiten von Informationsmaterial zu den verschiedenen Rehabilitierungsgesetzen mit Hinweisen zu den jeweiligen Stellen, an die sich die Betroffenen wenden können,
  • Hilfe bei Behördengängen und Unterstützung bei der Antragstellung sowie Beistand bei der Bewältigung der Vergangenheit,
  • Entwicklung einer Kultur der Würdigung der ehemaligen verfolgten Frauen und Männer,
  • jährliches Ausrichten von Veranstaltungen,
  • Unterstützung von Treffen von Betroffenen,
  • Einladung von Betroffenen zu ausgewählten Veranstaltungen des Landes,
  • Erarbeiten von Vorschlägen für die Verleihung von Auszeichnungen und Ehrungen,
  • Teilnahme des Landesbeauftragten als Vertreter des Landes an Gedenkfeiern u.a.,
  • Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik zur Vermittlung von Verbindungen zu russischen Behörden, die für die Kassation von politischen Urteilen zuständig sind,
  • Zusammenarbeit mit den Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, den Opferverbänden,  Aufarbeitungsinitiativen und Gedenkstätten sowie mit der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen und ihrer Außenstelle in Frankfurt/Oder und mit Archiven und anderen Stellen, wo z.B. die Unterlagen aus den Gefängniskrankenhäusern oder der NVA liegen,
  • Erstellung von Analysen zur Lebenssituation der Betroffenen,
  • Zuarbeiten für das Regierungshandeln anfertigen,
  • Öffentlichkeitsarbeit.

Kaum jemand von der Regierung und den Politikern interessierte sich für die Arbeit der Außenstellen der Stasiunterlagenbehörde in Potsdam und Frankfurt/Oder. Bis auf wenige engagierte Einzelpersonen.

Die Gedenkstätte in der ehemaligen U-Haft Lindenstraße in Potsdam hatte kein festes Personal und um die KGB-Gedenkstätte Leistikowstraße musste gekämpft werden, dass sie erhalten bleibt. Viele der bis zur Gründung der Gedenkstättenstiftung Leistikowstraße aktiven ehemaligen Häftlinge wurden kaum in die Gedenkstättenarbeit einbezogen oder  sogar  vor den Kopf gestoßen. Sie haben sich deshalb in einer Zeitzeugeninitiative zusammengeschlossen. Sie haben in der Politik und zuständigen öffentlichen Stellen um Anerkennung kämpfen müssen, anstatt öffentliche Anerkennung zu erfahren.

Vor zehn Jahren, im Jahr 2008, wurde dann auch noch die Außenstelle Potsdam der Stasiunterlagenbehörde geschlossen. Als einzige Außenstelle dieser Behörde überhaupt. Es gab keinen  Widerstand von Seiten der Regierung und des Landtages mit wenigen Ausnahmen, wie aus der CDU-Fraktion. Dabei gab es damals  in Brandenburg nicht einmal in der ehemaligen Bezirkshauptstadt Cottbus Außenstelle. In allen anderen ehemaligen Bezirkshauptstädten der DDR gibt es bis heute dagegen Außenstellen. Selbst im kleinen Thüringen sind es drei.

Der Bezirk Cottbus hatte die höchste IM-Dichte und Potsdam war die zahlenmäßig größte Bezirksverwaltung aller Bezirke. Einen nachvollziehbare Begründung gab es für die Schließung nicht.

Erst auf Druck der Öffentlichkeit (siehe „Initiative zur Einsetzung eines Beauftragten für die Verfolgten der kommunistischen Gewaltherrschaft im Land Brandenburg) wurde im Jahr 2009 endlich die Einrichtung „Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der Folgen Kommunistischer Diktatur“  im Land Brandenburg eingerichtete und mit der erwähnten Einsetzung der Enquetekommission eine bessere Betreuung der Opfer und eine breitere Befassung mit dem Thema Diktaturerfahrung und zur Stärkung des demokratischen Bewusstseins.

[1] Gisela Rüdiger leitete mehrere Jahre die Außenstelle des Stasiarchivs in Potsdam