Rehabilitation und Entschädigung von Opfern der kommunistischen Diktatur in Tschechien und Deutschland
von Klára Pinerová
Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e. V. an der TU Dresden
Das Jahr 1989 endete die fast vierzigjährige kommunistische Diktatur, die viele traumatische Erinnerungen an die Zeit in Gefängnissen und Arbeitslagern hinterlassen hatte. Viele Familien wurden auseinandergerissen und zahllose Karrieren zerstört. Darauf folgte eine Zeit, in der die tschechische und deutsche Gesellschaft die schmerzhafte Vergangenheit aufarbeiten und das Unrecht gegenüber den Verfolgten endlich wiedergutmachen musste. In den letzten 35 Jahren ergriffen beide Staaten eine Reihe rechtlicher und sozialer Maßnahmen, die dazu beitrugen, die Folgen der kommunistischen Diktatur zu bewältigen. Es wurden Rehabilitationsgesetze verabschiedet, um den Opfern ihren sozialen Status wiederherzustellen, Archive wurden geöffnet und Institutionen zur Aufarbeitung der Geschichte der kommunistischen Diktatur gegründet.
In beiden Ländern sind Rehabilitation, Entschädigung und Hilfe im Alter für Verfolgte der sozialistischen Diktatur auch nach 35 Jahren noch immer aktuelle Themen. In der Tschechischen Republik erwachte in letzten Jahren bei Politikern das Interesse an der Aufarbeitung der Vergangenheit der Diktatur der Kommunistischen Partei wieder, was nicht nur in der Programmerklärung der Regierung, sondern auch im umstrittenen Vorschlag für die Gründung des Regierungsrates für Erinnerungspolitik zum Ausdruck kam. Die Aufmerksamkeit politischer Vertreter und Medien richtete sich auf die Kürzung der Renten einiger prominenter Mitglieder der Kommunistischen Partei und auf die desolate Rentenlage für Opfer der Unterdrückung durch die Diktatur der Kommunistischen Partei (KSČ). Das Interesse an den SED-Opfern und deren Hilfe im Alter ist auch in Deutschland ein Anliegen, wo 2021 das Büro der SED-Opferbeauftragten beim Deutschen Bundestag eingerichtet wurde. Deren Hauptaufgabe besteht darin, als Ombudsfrau für die SED-Opfer zu fungieren und zu deren Anerkennung beizutragen. Evelyn Zupke, die diese Position übernommen hat, veröffentlichte mehrere Berichte, in denen sie die schwierigen sozialen, gesundheitlichen und finanziellen Bedingungen hervorhebt, mit denen SED-Opfer derzeit konfrontiert sind. In beiden Staaten gingen sie zwar dazu über, die Opfer zu entschädigen, doch wie in diesem Beitrag gezeigt wird, ging jeder von ihnen auf unterschiedliche Weise mit den Folgen von Menschenrechtsverletzungen und Repression um, aber mit dem gleichen Ergebnis: Die Opfer sind vom Vorgehen der politischen Eliten enttäuscht und kämpfen zwischen Hoffnungslosigkeit und Ärger, was zu einer Enttäuschung des Vertrauens in das demokratische System führt.
In beiden Ländern wurden nach der Revolution Gesetze ausgearbeitet, die politisch motivierte Gerichtsentscheidungen aufheben und zu einer gesellschaftlichen Anerkennung der von Inhaftierung, Internierung und anderen Einschränkungen der Freiheit, des Eigentums, des Lebens und der Gesundheit Betroffenen führen sollten. In der Tschechoslowakei begann die Ausarbeitung des Rehabilitationsgesetzes mehrere Monate nach der Samtenen Revolution in 1989. Jeder war sich bewusst, dass die Opfer der kommunistischen Verfolgungen alt waren und es daher notwendig war, schnell zu handeln, um das begangene Unrecht zu korrigieren. Seine endgültige Form wurde auch durch die Erfahrungen mit dem Rehabilitationsgesetz von 1968[1] beeinflusst, als sich der Weg der individuellen Prüfung von Fällen als langwierig, belastend für das Justizsystem und unempfindlich gegenüber Opfern erwies, die Beweise für ihre Unschuld vorlegen mussten. Aus diesem Grund wurde die gesetzliche Rehabilitation gewählt. Auf der Grundlage des Gesetzes wurden die abschließend aufgezählten Strafen ex lege abgeschafft. Diese Form war auch für kommunistische Politiker von Vorteil, da sie nicht die Frage aufwarf, wer für Unrecht und Unterdrückung verantwortlich ist.
Die Art und Weise, wie die Rehabilitierung der KSČ-Opfer gehandhabt werden sollte, war einfach. Sie mussten die Rehabilitierung nicht einzeln beantragen, sondern das Gericht selbst beschaffte die Unterlagen und entschied über die Rehabilitierung und übermittelte den Bescheid. Nur in einigen umstrittenen Fällen, etwa bei der Anwendung von Gewalt, mussten Opfer eine Überprüfung ihrer Fälle beantragen. Dabei handelte es sich um sogenannte Reststrafen, die in den folgenden zwei Jahren nach 1990 Anlass für Diskussionen gaben. Die Konföderation politischer Gefangener (Konfederace politických vězňů – KPV), die größte und einflussreichste Organisation von Opfern der kommunistischen Diktatur in der Tschechoslowakei und später Tschechische Republik, legte mehrere Vorschläge zur Änderung des Rehabilitationsgesetzes vor, um diese Reststrafen abzuschaffen. Ihre Vorschläge waren größtenteils erfolgreich.
Während in der Tschechischen Republik die Rehabilitierung KSČ-Opfer bis auf wenige Ausnahmen derzeit als abgeschlossenes Thema gilt, wurde die Durchsetzung und Gestaltung des Rehabilitierungsgesetzes in Deutschland nicht nur von den Erfahrungen mit der Rehabilitierung von NS-Opfern beeinflusst, sondern auch von den Debatten in Westdeutschland über die Hilfe für SED-Opfer seit den 1950er Jahren, aber auch der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990. Im September 1990 verabschiedete die demokratisch gewählte DDR-Volkskammer das Rehabilitierungsgesetz, das nicht nur die Rehabilitierung derjenigen Personen regelte, die aus politischen Gründen verfolgt waren, sondern auch Opfer administrativer und beruflicher Ungerechtigkeit. Vier Wochen nach der Verabschiedung des Gesetzes kam es zur Wiedervereinigung Deutschlands, doch letztlich wurde das Gesetz in dieser Form nie vollständig umgesetzt. Die Bundesregierung zögerte unter anderem aus wirtschaftlichen Gründen, dieses Gesetz zu verabschieden, da die Entschädigung mit erheblichen finanziellen Kosten verbunden war. Die Diskussionen über die Ausgestaltung der Strafrehabilitierung dauerten schließlich bis 1992, als das 1. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz in Kraft trat. Drei Jahre nach der Revolution von 1989 wurden politische Gefangene, die wegen ihrer politischen Ansichten und antikommunistischen Aktivitäten inhaftiert waren, mit dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz, rehabilitiert und entschädigt. Im Juli 1994 folgten zwei ergänzende Gesetze: das Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und das Berufliche Rehabilitierungsgesetz, die zusammen das 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz bildeten. Im ersten ging es um die Möglichkeit für die Opfer von Verwaltungswillkür und -unrecht die soziale Ausgleichsleistungen in Anspruch zu nehmen. Die andere ermöglicht Rehabilitierung und gegebenenfalls Ausgleichsleistungen für Personen, die im Berufsleben politisch verfolgt wurden.
Im Gegensatz zur Tschechischen Republik entschied sich Deutschland für die Rehabilitation auf der Grundlage der Einzelfalluntersuchung, was nicht nur zu Unsicherheit über den Erfolg der Rehabilitation führte, sondern auch dazu, dass bis heute nicht alle Opfer einen Rehabilitationsantrag gestellt haben. Während in Tschechoslowakei in den ersten beiden Jahren mehr als 250.000 Menschen rehabilitiert wurden, wurden in Deutschland bis 2007 etwa 184.000 Rehabilitierungsanträge gestellt, während in der DDR schätzungsweise etwa 330.000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert waren. Darüber hinaus ist der Rehabilitationserfolg nicht garantiert und von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Beispielsweise waren in Berlin im Jahr 2013 ehemalige politische Gefangene nur zu 50 % erfolgreich, während in Thüringen 67 % der Anträge positiv rehabilitiert wurden. Daher ist Rehabilitation in Deutschland immer noch eine offene Angelegenheit, und einige der Verfolgten beantragen sie erst, wenn sie feststellen, dass die Höhe ihrer Rente aufgrund der früheren Repression nicht die Grundbedürfnisse des Lebens deckt.
Zu den wichtigen Formen des Umgangs mit Menschenrechtsverletzungen und der Wiedergutmachung von Unrecht gehört neben der Rehabilitation grundsätzlich auch die finanzielle Entschädigung, die zur Entschädigung der Opfer für Leiden, Verdienstausfall und Körperverletzung beitragen soll. Während die politische Vertretung in Westdeutschland seit den 1950er Jahren erklärte, dass es keinen Unterschied zwischen der Entschädigung der Opfer der Nazi- und der SED-Diktatur geben würde, unterscheidet sich die Art und Weise der Entschädigung zwischen diesen Gruppen tatsächlich rechtlich, finanziell und symbolisch. Das ist auch der Grund für die häufige Kritik von Organisationen der SED-Opfern und ist Teil der langjährigen Diskussion, ob dieser unterschiedliche Ansatz moralisch vertretbar sei. Dieses unterschiedliche Vorgehen der Bundesregierung ergibt sich aus der unterschiedlichen historischen, politisch-rechtlichen, internationalen und wirtschaftlichen Lage des deutschen Staates nach dem 2.Weltkrieg und nach 1989. Die Bundesrepublik Deutschland war juristisch der Nachfolgestaat des Dritten Reiches u. a war sie für die Entschädigung der Opfer der NS-Diktatur zuständig. Auch internationaler Druck und eine symbolische Geste, die auf die Anerkennung des während der NS-Diktatur begangenen Unrechts und der Verbrechen und die Verantwortung, diese zu akzeptieren, spielten bei der Art und Weise der Entschädigung eine wesentliche Rolle. Nach 1989 stellte sich die Situation jedoch anders dar, da die deutsche Vereinigung rechtlich nur die Erweiterung Deutschlands um neue Bundesländer zur Folge hatte und die DDR aufhörte rechtlich zu existieren. Im Einigungsvertrag wurde lediglich festgelegt, dass die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sei, eine „ordnungsgemäße Entschädigungslösung“ zu finden, die neue Regierung war also in ihren Ausgestaltungen relativ frei.
Die Unterschiede im Umgang mit der Gesetzlosigkeit der SED-Diktatur und der NS-Herrschaft zeigt sich auch in der Verwendung unterschiedlicher Begriffe. Während für die NS-Opfer der Begriff „Entschädigung“ verwendet wird, ist bei den SED-Opfer von „Ausgleich“ die Rede. Dies spiegelt sich letztlich auch in anderen finanziellen Entschädigungen wider.
In der Tschechoslowakei gab es hinsichtlich der finanziellen Entschädigung politischer Gefangener aus der Zeit der kommunistischen Diktatur und Teilnehmern des Widerstands aus dem 2. Weltkrieg keinen wesentlich anderen Ansatz, auch wenn sie zunächst nach unterschiedlichen Gesetzen entschädigt wurden. Teilnehmer des Widerstands während des 2. Weltkriegs erhielten eine Rentenzulage nach dem Sozialversicherungsgesetz gültig vor 1989, das die Berechnungsmethoden nicht nur für die Gesamtrente, sondern auch für die Höhe der Zuzahlungen festlegte. Nach diesem Gesetz wurden sie entsprechend der Dauer und Aktivität der Widerstandstätigkeit in vier Gruppen eingeteilt. Darüber hinaus hatten die Widerstandskämpfer Anspruch auf verschiedene Vergünstigungen, wie die kostenlose Nutzung des öffentlichen Verkehres, überregionale Telefondienste, häusliche Kurpflege und Ferienaufenthalte.
KSČ-Opfer hatten Anspruch auf Entschädigung nach dem Rehabilitationsgesetz von 1990. Sie hatten Anspruch auf eine einmalige Entschädigung für Verdienstausfälle in Höhe von 2.500 Kčs (Bruttodurchschnittslohn im Jahr 1990: 3.286 Kčs) für jeden Monat der Inhaftierung. Darüber hinaus hatten sie Anspruch auf eine Entschädigung für Gesundheitsschäden, eine Entschädigung für die Kosten des Strafverfahrens und der Verteidigung im ursprünglichen Strafverfahren, eine Entschädigung für die gezahlte Geldstrafe und einen Zuschlag zur Rente in Höhe von 15-20 Kčs für jeden Monat der Inhaftierung. Die Angleichung der Entschädigungen zwischen den Opfern beider Diktaturen erfolgte schrittweise in den Jahren 2004 und 2005. Im Jahr 2004 wurde den Opfern der kommunistischen Diktatur auf Anordnung der Regierung der Tschechischen Republik ein „Rentenbeiträge, um einige der durch das kommunistische Regime verursachten Missstände zu lindern“ bekommen. Ihm zufolge haben politische Gefangene Anspruch auf einen Rentenbeitrag von 50 CZK (Bruttodurchschnittslohn im Jahr 2004: 17.466 CZK) für jeden im Gefängnis verbrachten Monat, Witwen und Witwer auf 25 CZK und Waisen auf 20 CZK.
Ein Jahr später versuchte die Tschechische Republik, die Höhe der Zuzahlungen auch für Kombattanten aus dem 1. und 2. Weltkrieg zu ändern. Mit dem Gesetz aus dem Jahr 2005 wurde gesetzlich festgelegt, dass sie (wie auch Witwen und Waisen) Rentenbeiträge in gleicher Höhe wie KSČ-Opfer erhalten. Auf diese Weise wurde die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus und des Kommunismus angeglichen.
In Jahren nach der Samtenen Revolution griff die Tschechische Republik auf andere Formen der finanziellen Entschädigung zurück. Maßgeblich hierfür war auch die Tätigkeit der KPV. Die Chancen der KPV die Interessen durchzusetzen, stiegen mit der neuen Erinnerungspolitik, die von der Bürgerliche Demokratische Partei (Občanská demokratická strana – ODS) im Kampf gegen die linke Konkurrenz gefördert und von einer kleinen Zahl antikommunistischer Politiker im Umfeld der Christdemokraten (KDU-ČSL) unterstützt wurde. Zwischen 2001 und 2009 wurde der Umfang der Entschädigung schrittweise auf in Zwangsarbeitslagern internierte Personen, in die UdSSR verschleppte Personen und Universitätsstudenten ausgeweitet, die ihr Studium aus politischen Gründen nicht abschließen konnten.
In diesem Zeitraum wurden nach und nach andere Entschädigungsarten eingeführt. Im Jahr 2001 wurde politischen Gefangenen, die länger als 12 Monate inhaftiert waren, ein Pauschalbetrag von 120.000 CZK (Bruttodurchschnittslohn im Jahr 2011: 14 378 CZK) und zusätzlich 1.000 CZK für jeden weiteren Monat Haft zugesprochen. Im Jahr 2009 wurde politischen Gefangenen das Recht eingeräumt, anstelle des Urlaubsgeldes eine einmalige Entschädigung zu erhalten. Der KPV gelang es, ihre Entschädigungsansprüche durchzusetzen, dabei half ihr nicht nur die Zusammenarbeit mit Politikern aus Mitte-Rechts-Parteien, die die Politik des Antikommunismus und der Politisierung der Erinnerung im politischen Kampf gegen linke Parteien nutzten.
Die Aufgabe der Opferorganisationen der SED-Diktatur in Deutschland war weitaus komplexer und die Durchsetzung ihrer Ideen zur finanziellen Entschädigung war von einer Reihe von Debatten und Misserfolgen begleitet. Nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz hatte jeder Rehabilitierte Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 300 Deutschen Mark für jeden angefangenen Monat der Freiheitsstrafe. Wenn er bis zum 9. November 1989 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR lebte, hatte er außerdem Anspruch auf eine Zuzahlung von 250 Deutschen Mark für jeden angefangenen Monat der Freiheitsstrafe, da er vermutlich nach seiner Entlassung weiteren Diskriminierungen und Verfolgungen ausgesetzt war. Wie im tschechoslowakischen Rehabilitationsgesetz hatte das Opfer Anspruch auf Entschädigung für Gesundheitsschäden.
Während es für tschechoslowakische politische Gefangene bereits seit 1990 eine gesetzlich garantierte Rentenerhöhung entsprechend der Dauer ihrer Haft gab, wurde diese Zulage in Deutschland zu einem langfristigen politischen Thema und wurde erst 2007 durchgesetzt, als das 3. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz. Achtzehn Jahre nach der friedlichen Revolution erlebten die SED-Opfer endlich eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen in der Rente, da sie eine Rentenzulage (Opferrente) von 250 Euro beantragen konnten. Anspruch darauf hatten nicht alle Rehabilitierten, sondern nur diejenigen, die länger als 6 Monate in Haft waren und deren monatliches Einkommen 1.506 Euro bei Einzelpersonen bzw. 2.008 Euro bei Verheirateten nicht überstieg. Weitere Änderungen folgten erst im Jahr 2019, als die für die Anerkennung des Zuschlags erforderliche Haftzeit auf 90 Tage verkürzt, der Freibetrag um 30 Euro erhöht und die monatliche Einkommensgrenze angehoben wurde.
Organisationen von Opfern der SED-Diktatur spielten im Gesetzgebungsprozess zu Entschädigungen und Rentenerhöhungen insbesondere in den 1990er Jahren eine zwiespältige Rolle. Der Grund dafür war ihre starke Zersplitterung, da nach 1989 eine Vielzahl lokaler und kleiner Vereine entstanden, die ihre Handlungsfähigkeit stark einschränkten. Erstens schränkte ihre Fragmentierung ihre Mobilisierungsmöglichkeiten ein, da es für die Regierung schwierig war, mit einer Vielzahl verschiedener Verbände zu verhandeln. Und zweitens gab es keine klare Einigung zwischen den verschiedenen Organisationen und SED-Opfern aus den alten und neuen Bundesländern wie viel Entschädigung die SED-Opfer erhalten sollen. Während nach Westdeutschland ausgewanderte politische Gefangene die Auffassung vertraten, dass die Forderung nach einer hohen Entschädigung aus steuerlichen Gründen unmoralisch sei, sahen ihre ostdeutschen SED-Opfer die Situation umgekehrt, da sie sich nach vielen Jahren der Diskriminierung oft in schwierigen sozialen Verhältnissen befanden. Obwohl sich diese Uneinigkeit im Laufe der Zeit änderte, beeinträchtigten Personalstreitigkeiten in den Verbänden der politischen Gefangenen und gegenseitige Rivalitäten ihre Handlungsfähigkeit. Die Situation wurde auch dadurch erschwert, dass die Entschädigung politischer Gefangener nie eine Priorität einer politischen Partei war und Erinnerungspolitik nicht wie in der Tschechischen Republik Teil des politischen Kampfes wurde.
Kritisch nehmen die Opfer des SED-Unrechts in Deutschland vor allem die unterschiedliche finanzielle Entschädigung zwischen den SED und NS-Opfern wahr. Während die Rentenzulage für Opfer kommunistischen Unrechts eher als eine Form der Sozialhilfe gesehen werden kann, erhalten Opfer der NS-Diktatur unabhängig von ihrer Rente eine Ehrenpension in Höhe von 717 EUR. Dieser Beitrag ist ein Überbleibsel des Entschädigungsgesetzes, das 1965 in der DDR verabschiedet wurde und nach der deutschen Wiedervereinigung übernommen wurde. Wenn man bedenkt, dass die Höhe der finanziellen Entschädigung von den Opfern selbst oft auch auf der symbolischen Ebene ihrer gesellschaftlichen Anerkennung verstanden wird, ist es nicht verwunderlich, dass sich die SED-Opfer aufgrund dieser ungleichen Herangehensweise oft als Opfer von die zweite, manchmal sogar die dritte Klasse bezeichnen.
In der Tschechoslowakei waren diese Auseinandersetzungen nicht so stark ausgeprägt, es fiel jedoch auf, dass ein erheblicher Widerspruch zwischen der Selbstidentifikation politischer Gefangener und der gesellschaftlichen und politischen Anerkennung besteht. KSČ-Opfer haben sich seit den 1990er Jahren nicht mehr als Opfer identifiziert, sondern stets ihre aktive Rolle im Kampf gegen die kommunistische Diktatur betont. Sie gaben an, die ersten Kämpfer gegen den Kommunismus gewesen zu sein und bezeichneten sich selbst als „politische Gefangene“. Ziel der KPV war nicht nur die Erlangung von Entschädigungen und materiellen Vorteilen, sondern auch die Anerkennung ihrer historischen Rolle beim Sturz der kommunistischen Diktatur. Diese Anerkennung sollte in Form eines Gesetzes erfolgen. Seit 1992 legte die KPV über befreundete Abgeordnete Gesetzesentwürfe vor, es fehlte jedoch der politische Wille, diese durchzusetzen. Es bestand weder gesellschaftlicher noch historischer Konsens darüber, ob in ihrem Fall von Widerstandstätigkeit gesprochen werden kann. Ihre Bemühungen waren erst 2011 von Erfolg gekrönt, als das Gesetz über Teilnehmer des Widerstands und des Widerstands gegen den Kommunismus verabschiedet wurde und das Ziel ihrer symbolischen Anerkennung endlich erreicht wurde.
Abschluss
Rehabilitierung und Entschädigung gehören zu den Grundelementen der transitiven Gerechtigkeit, deren Ziel es ist, die Folgen massiver Menschenrechtsverletzungen in der Vergangenheit aufzuklären, aufzuarbeiten und so den Übergang von einem undemokratischen zu einem zu erleichtern demokratische Funktionsweise des Staates. Finanzielle Entschädigung wird von Opfern häufig als Symbol gesellschaftlicher Anerkennung verstanden, im Gegenteil wird eine unzureichende Entschädigung von ihnen als Zeichen mangelnden Interesses der Gesellschaft an ihrem Wohlergehen wahrgenommen. Fast 35 Jahre nach dem Umbruchwird die Entschädigung politischer Gefangener und anderer von Verfolgung betroffener Personen sowohl auf politischer als auch auf gesellschaftlicher Ebene sehr sensibel wahrgenommen. Eine unzureichende Entschädigung und Anerkennung führt bei Opfern kommunistischen Unrechts oft zu Frustration und manchmal auch zu Misstrauen gegenüber dem Staat und wirkt sich negativ auf das Vertrauen in die Demokratie und den Demokratisierungsprozess aus.
Ausgewählte Literatur:
CLARKE, D. Constructions of Victimhood: Remembering the Victims of State Socialism in Germany. New York: Palgrave Macmillan, 2019.
DAVID, R. Communists and Their Victims: The Quest for Justice in the Czech Republic. Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press, 2018.
GUCKES, U. Opferentschädigung nach zweierlei Maß? Eine Vergleichende Untersuchung der Gesetzlichen Grundlagen der Entschädigung für das Unrecht der NS-Diktatur und der SED-Diktatur. Berlin: BWV, Berliner Wiss.-Verl., 2008.
MAYER, F. Češi a jejich komunismus. Praha: Argo, 2009.
SIEGMUND, J. Opfer ohne Lobby?: Ziele, Strukturen und Arbeitsweise der Verbände der Opfer des DDR Unrechts. Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag, 2003.
TAPPERT, W. Die Wiedergutmachung von Staatsunrecht Der SBZ - DDR Durch die Bundesrepublik Deutschland nach der Wiedervereinigung. Berlin: Berlin-Verl. Spitz, 1995.
WIDMAIER, C. Häftlingshilfegesetz, DDR-Rehabilitierungsgesetz, SED-Unrechtsbereinigungsgesetze: Rehabilitierung dnd Wiedergutmachung von SBZ-DDR-Unrecht? Frankfurt am Main: Peter Lang, 1999.
[1] Die veränderten politischen Verhältnisse im Frühjahr 1968, insbesondere die Veröffentlichung von Informationen über politische Vorgänge in den fünfziger Jahren, führten zu einer Forderung nach Rehabilitierung. Ende Juni 1968 verabschiedete die Nationalversammlung das Rehabilitationsgesetz Nr. 82/1968 Slg., das zur zivilen und politischen Rehabilitierung der meisten politischen Gefangenen führen sollte. Auch das Eingreifen der Warschauer-Pakt-Truppen im August 1968 stoppte den Rehabilitierungsprozess nicht sofort. Erst nach einem Führungswechsel in der Kommunistischen Partei im April 1969 kam es zu einer Kehrtwende. Am 8. Juli 1970 änderte die Bundesversammlung das Rehabilitationsgesetz. Der Zeitraum der Rehabilitierung wurde auf die Jahre 1949 bis 1956 eingegrenzt, zudem war es deutlich schwieriger, die Verurteilungen aufzuheben. Gemäß Gesetz Nr. 82/1968 Slg. rund 1.500 Menschen wurden somit vollständig rehabilitiert.
Der Artikel entstand auf Grundlage des Projekts „Political Polarisation and Communist Past: Czech and German Case“ Nr. 101109026, gelöst an der Technischen Universität Dresden.
Finanziert von der Europäischen Union.
Denkmal für die Opfer des Kommunismus in Prag, des tschechischen Bildhauers Olbram Zoubek und der Architekten Jan Kerel sowie Zdeněk Hölzel. Es wurde mit Unterstützung der Prager Gemeindeverwaltung und dem „Bund der Politischen Gefangenen“ (Konfederace politických vězňů) am 22. Mai 2002 enthüllt.
© K. Pinerová