Höckes Kampf. Oder. Der Wolf im Schafspelz
von Christian Booß
Wer was über Björn Höcke, die Leitfigur der rechten Flügels der AfD, erfahren will. Lese sein Buch.
Vor allem im Schlusskapitel gibt´s Höcke daher geballt und pur. Er gibt den Visionär, den analytisch Scharfsinnigen, dekliniert die abendländische Geschichte bildungsbürgerlich rauf und runter und streut jovial den einen oder anderen altväterlichen Witz ein.
Kurzum, Björn Höcke gibt sich als Exponent jener künftigen Elite, die das deutsche Volk, so seine Hoffnung, aus dem derzeitigen kulturellen Niedergang errettet. Entpuppt sich Höcke also als ein neues geistreiches wie amüsantes Talent oder ist er doch nur der Nazi im Schafspelz?
Er himmelt den preußischen Staat vor der Demokratie an, der ihm geradezu als Vorbild für die künftige Ordnung dient. Mit einem Fehler. Höcke plädiert für einen homogenisierten Volksstaat und übersieht, dass Preußen gerade auch dadurch aufstieg, dass es Vertreter anderer Kulturen einlud, um das neue Königreich wirtschaftlich und kulturell zu beleben. Geschichte sechs“, möchte man dazwischenrufen. Geschichtslehrer H. klaubt sich eben das aus der Geschichte raus, was ihm in den Kram passt, läßt anderes weg, vereinfacht und verkleinert, was ihm nicht gefällt.
Höcke ist nicht so blöd, sich direkt positiv auf den faschistischen Nazi-Staat zu beziehen. Er distanziert sich brav gleich mehrfach vom Nationalsozialismus. Die Art, wie er dies tut, ist entlarvend. Am nationalsozialistischen Politikstil kritisiert er nur die „brachialen“ (nicht die brutalen) Mittel und Methoden. Er kritisiert, nur, dass er „scheiterte“. Der Weltkrieg führte für ihn verniedlichend zu bloßen „Zerstörungen“. 1945 war für ihn beschönigend ein „Zusammenbruch“. An einer Stelle immerhin kritisiert er die „Rasse“-Fixierung des NS. Der Antisemitismus, der Holocaust oder die Verbrechen an anderen Minderheiten werden in seinem wortreichen Textes nicht ausgeführt.
Höcke ist also nicht einfach ein Altnazi. Er präsentiert sich als moderne Variante eines Rechten, der frühere Fehler vermeiden will.
Höcke gibt sich volkstümelnd, hat sein Ohr am „Volk“. Er nutzt das (Geheim-) Rezept der Populisten: Er greift populäre Sorgen auf, um scheinbar einfache Lösungen anzubieten. Höcke klagt mit durchaus antikapitalistischen Untertönen über die zunehmende Spaltung von Arm und Reich im Zuge der Globalisierung, prangert als Folgen der Finanzherrschaft die Umweltverschmutzung. Das Wort Weltjudentum oder jüdisches Kapital fällt nicht, aber man kann es mitschwingen hören, wenn von der anonymen Macht von Finanzgiganten die Rede ist.
Laut Höcke stehen wir vor einem Abgrund, die „finale Auflösung aller Dinge“, der Identitäten, Geschlechter, Ethnien, Familien Religionen, kulturellen Traditionen. Er sieht das Abendland auf dem Weg in den Untergang. Björn Höcke, der rechte Erlöser, will uns vor der endgültigen Dekadenz bewahren, in der sich die Moderne seit Längerem befinde - ein uralter Hut rechten Denkens seit 100 Jahren. Er warnt vor einem „vorweltlichen Chaos“. Aus diesem kann nur ein „frisches Volk“ die Wiederauferstehung der Kultur ermöglichten. Nein, das Wort Herrenrasse oder Arier fällt nicht, aber viel fehlt nicht.
Als Alternativbe zum drohenden Chaos propagiert Höcke „Style and order“. „Form und Ordnung“, einem Nationalstaat mit fester Ordnung. Und klare „Grenzen“ nach außen ziehen. Die Dekadenz-These ist nun wirklich nicht originell, sondern von der intellektuellen Rechten des 20. Jahrhunderts, nur leicht entstaubt, geklaut.
Damit der Volksstaat entstehen kann, muss natürlich alles Morsche untergeht und „Volksteile“, die sich als „zu schwach“ erweisen, abgetrennt werden. Das alles bleibt vage, aber eins ist klar: Wo der rechte Meister seinen Staat zusammenhobelt, werden viele menschlichen Späne fallen.
Damit es dem eigenen Volk wirklich gut geht, soll schließlich „die Rückführung der hier nicht integrierbaren Migranten in ihre Heimatländer“ eingeleitet werden. Die Remigration als Patentlösung. Wer aus der Volksstaat rausgeworfen werden soll, bleibt vage und offen. Nach der Theorie der Ethnopluralisten will er die Völker entmischen. Übrig bleibt dann in Deutschland sein „frisches Volk“. Reinrassig, oder was?
Als Kooperationspartner kann er sich die Türkei und vor allem Putins Russland vorstellen.
Kein Zweifel, dass es Leute wie Björn Höcke sind, die als neue Elite, eine Gruppe von „starken Einzelpersönlichkeiten“ „unsere Volksgeister“ wieder wecken soll, um als Avantgarde Volk und Vaterland zu retten. Frauen kommen in Höckes Welt übrigens gar nicht vor, es sei denn negativ als Prostituierte.
In Höckes Zukunftsmodell herrscht eine deutliche Trennung von neuen Eliten und Volk . Die künftige Elite agiert angeblich im Interesse des Volkes. Wie es dazu kommt, dass Regierende und Regierte auch wirklich zueinanderfinden, dazu schweigt Höcke. Zwischen Volk und Staat gibt es auch bei ihm nichts. Keine Verfassung, kein Parlament, keinen Rechtsstaat. In der völkischen Demokratie gibt es eben keine rechtliche Sicherung gegen Machtmissbrauch, die Identität von Staatshandeln und Volkswillen ergibt sich angeblich einfach so, durch Fügung. Das ist das einfältige Rezept eines autoritären Staates, wenn nicht gar einer Diktatur.
Auch die von Höcke vorgeschlagene Renationalisierung Deutschlands, weg vom Bündnis in der EU, bedeutet wirtschaftlich eine Hinwendung zum Protektionismus, wenn nicht zur Autarkie. Falls das zu (erwartbaren) Konsumeinbrüchen führt, predigt er vorsichtshalber jetzt schon die Ideologie des Verzichts, da „die Bescheidenheit des Materiellen mit der Vertiefung des Immateriellen sinnvoll kompensiert“ wird. So ähnlich könnte auch Kim il Jung das Ausbleiben von Erfolgen bei der Anhebung des nordkoreanischen Lebensstandards propagieren.
Diejenigen, die in Höcke den Erlöser sehen, sollten "Höckes Kampf" sorgfältig lesen, um festzustellen: Höcke bringt nicht die Lösung, sondern Höcke bringt die Verschlimmerung ihrer Probleme.
Langfassung. Hier…