heimatwürze

von Gabriele Stötzer

am anfang steht das ohr, oder das wort, oder das auge, oder die hand? der mord, immer wollen sie lebenslänglich das eine sich einhandelt, was sie doch sich aushandeln, sortieren, spreu weizen heu heuschnupfen, der laufende schleim ist das zeichen: geschlechtskrank, zu viele tripperzellen im fleisch, zu viele fickfiguren im bett zerwühlt und ungefühlt, zuviel vergangenheit am finger, die figur ganz rot oder toll, alkohol, du kehrst immer wieder und schreibst in der familie das gleiche lied: euphorie und wortesklang, überschneidung im dreiviertelsturz, hoch über der arena und unter dem erdenball finden wir uns wieder, brüder, schwester, am einheitlichen strick, blutadergewebe: das jungfernhemdchen noch unter der haut, wer hat es schon berührt, wen konnten, wem wollten wir es lassen, selbst noch kokon im seidengespinst, alle meine träume fangen an hören auf, spielen auf der einen hauptstraße unseres dorfes: die eine seite im dunkel, die andere sonnenseite mit weinranken an häusern, die manchmal sogar reiften, ferne unstrut, immer zwischen der dunklen kalten und der hellen warmen seite sich entscheidend, jugend, kindheit, alter, die warme schulter oder die kalte, in diesem dorf bin ich gefangen oder etwas in mir, meine eltern habens, meine schule hats, in der kirchenkugel stehts geschrieben, irgendein gesetz vor meiner zeit und darum spinnt sich mein gewissen, wissen tu ich eh nicht, die zeit rattert, ewige bewegungen im spiegelbild, meine erste freundin, hinter dem baum mit den kirschenzweigenblüten, meine letzte verlorene freundin auf dem sportplatz hinter dem graben mit den händen im winkel mir geboten zum gruß, und meine freundin in den träumen, blond mit zopf, ewige deutsche vision, elternwahr eltern warn vor mir da an diesem platz, was weiß ich von den blicken der eltern, die mit mir scheiterten, wenn ich meine augen erhob: kinder machen das nicht, was soll ich vom duftenden heu und den zerstochenen händen beim strohauftürmen, immer wieder sommer, den ich im herbst begreife, wenn ich die ernte mit einbringe, das verlorene gewachsene geschnitten geschnitten von des vaters sense, geschnitten von der lpg ihren neuen maschinen, als kind die strohhalme abgesammelt und gebügelt und aufgeklebt als ferne bildvisionen, geld in die kinderhand wachstum, bewegung, zeit die schneidet, überschneidet, sich türmt und tummelt in abschnitten, die sich jahre nennen, die ich freunde nenne oder liebe, und die liebe schneidet die freundschaften und treibt fernes damit, sprachloses reißt auseinander, der treck der tiere kennt keine grenzen, und die wege der Menschen auf der erde sind die falten, die sie eines tages den raumschiffen als ihr gesicht erscheinen lassen, alte große frau, wohin schiebt sich dein blick, ich vereinzelter krümel kindheit lümmel, ein geschoß im schoß?
meiner kindheit türen, zeit öffnet die räume, ich wollte immer das loch nachts zu der anderen leben, dadrunten, abends, wenn ich schlief und die sanfte erotik der träume in afrika oder bei den zigeunern im wald, alt sind wir miteinander geworden, geschwister, und der mutter falten im königlichen gesicht zeigen die wege meiner tränen, vvasser, salz, meer, du umgürtest mich, meiner jugend land, ich kann den blick nicht heben, immer das stückchen erde unter meinen füßen, von dem blut gesäugt, daß mich zeugt, von den augen gehalten, die sachverwalten, haben die ohren schon geschrien?
sie haben das schwein gehört, es schrie vor dem schuß, irgendsoein schrei im kleinen dort, und die tochter muß diesmal das blut rühren, damit es nicht gerinnt, und die tochter muß diesmal die heißen witze ertragen, die schwülen männerblicke, obwohl die brüste sich noch nicht verraten, aber das wissen zieht, auch sie gehen nur diesen weg hinaus, nach oben und unten, schweigendes niederschaun, ist es ein mord, das erste mal weg von zu haus, die schwester haben sie geholt in die stadt, die hat so geweint, aber die familie sagt, das muß so sein, eine frau gehört dahin, weg zum mann, auch wenn er zu schwach war schon in ihren armen? die mutter hätts halten können, der vater hätts schalten können, aber die blicke haben sie verurteilt zu gehen, schwesterlein, ich denk noch an diesen abschied mit tränen und reichen segensworten, hab selber gelegen und geheult, nicht diesmal aber später, im ausgelieferten sein fühlt man nichts, nicht mal beim eigenen abschied von daheim, nicht mal beim zweiten, nicht beim dritten, nur die masse schreit eines tages zurück und ist ein haufen geworden, der drückt die luft zusammen, der klemmt die adern ein, die schläge werden größer, erst wenn der körper sich krümmt, heißt das schmerz, und das wissen sagt: die verletzung war davor, davor, wenn die sonne noch scheint und ein lächelndes adieu einem irgendwas wegnimmt, was noch lange nicht schreit, auch das dorf hat blickwege und wissenswege und die gefühle schlagen sich blind, holen sich die reize von den fremden ufern, das leuchten überträgt sich doch, wird gespeichert im eigenen fleisch, vollzogen im fremdfeindlichen eigenen ehebett, rauben die blicke die samen, stehen die eidotterzeugungsblumen auf der straße und zittern und haben schon den fremden obulus, lang bevor die befruchtung erfolgt, alle fremden männer mit den alkoholverdunsenen gesichtern zum tanz auf dem ballsaal kennen mich, ich eingeflößte prinzessin müßte unsichtbar sein im tüllkleid meiner träume, aber wissensworte und greifen unter den rock auch hinter der tür für kleine mädchen, durchsichtig die haut, blutgerinnsel überall, das blut schüttet sich vor fremder galle und fremder soße und fremder gäriger brühe, meine freundinnen im dort, meine feindinnen, die übrigblieben, geschlagen, getreten, weil sie nicht mit auf das schiff durften, irgend etwas wie schleim an den händen der unwissenden kinder als verräterische frucht zeit schiebt sich übereinander und drückt auf die haut, einen sarg meines alters hat der friedhof schon geschluckt zu der zeit, als wir alle noch glaubten, das gibts nicht für uns, auch nicht der tod, tod ist alt, und heiraten ist weiß, braunes dorf, über das mein herz klettert, immerhin hast du mir meine familie geschenkt, irgend etwas aufbewahrt, was sich nicht abschnürt vom boden, oder erst, wenn es ausgewachsen ist
die erste tochter geht, zieht die nächste hinnach, wollten immer hoch hinaus, sind zur ehe nicht geeignet, brechen ab, was nicht hält, einmal der bruch von zu haus, die anderen brüche folgen nach, nichts ist so schwer wie das, bis es dann einmal gleichhoch wird
angestiegen auch die zahlen des verlassenwerdens oder verlassenseins, weil mit der tat geht das leben, mit dem adieu geht das berührtsein in dir selbst, wer streichelt den bauch, wer besamt die blüte wenn sie lebt, leib schreit, haut zittert, freundschaft wird getrennt von liebe
die häuser sind die dörfer der städte, und das dorf hält nicht, das haus hält nicht den wünschen stand, vom dorf in die stadt, von der stadt ins haus, von den gesichtern zu worten, über zittern zu ahnen der idee der gemeinsamkeit und der schöpferischen kraft, zusammen die ideale, worte stapeln sich, taten heben sich hervor, kräfte wachsen gesichtslos und gewichtslos, heute ist es fern und undenkbar reich an lächeln, das haus stirbt, weil die liebe es trennte, die liebe war der boden, der riß, eine unbefriedigte liebe zeugt die andere unbefriedigte liebe und ergänzt sich zur not übereinander eine zeit, aber sie ist nebeneinander, noch nicht gegeneinander, solange sie sich nicht die eigentlichen worte sagt, die des entzugs und der halbheit und das fehlende, das sich durch das fehlende addiert, bis es fällt, das haus stürzt zusammen, die freundschaften bersten mit gebrüll, diesmal leid im verzagen der idee, aber das haus bleibt und muß mir noch seine wenigen worte sagen, weil das haus ist älter als die idee, ist so alt wie die freundschaft selbst, oder älter wie die liebe
liebe ist erst dann, wenn man sie spürt, ohne mantel sozusagen, die körper sind erst unwissend rein und glatt und verlieren noch die hüllen wie sand, und die liebe ist ein system im körper, das sich erst weiß, wenn es sich fühlt, wie ein blutkreislauf, wie das rote und weiße noch das gelbe unersetzbare, das nach außen strahlt, wenn man es sehen will, strahlen gezeugt durch materie, durch streicheln, reiben, angleichen der haut, ein fühlraum wird geschaffen im eigenen system, und glaub doch nicht du fremde hand, daß du mich ohnnarbig wieder verläßt, weil, soll das, was du im bilde leugnest, nicht doch bild sein unter deiner haut, irgend etwas hat dich doch gelockt an mir, an diesem körper, an diesem kreislauf, den auch du berühren willst, und du schaffst es mit in mir, bis ich es fühle, weil der entzug mich schmerzt, also endlich süchtig geworden auch an dem, was leben bedeutet, weil es sich regt im körper, ein altes paar in der berührung versunken, die städte tragen schienensysteme, auseinandergehen und treffen ist bestimmt, es ist geordnet, als ob es möglich wäre, sich fühllos zu entfernen, die gassen allein noch winklig, der körper geschmeidig, wer sagt, daß unsere liebe sich nicht auch glättet und geschmeidiger wird, wie die äußerlichen architekturen, die städte zerschneiden das licht und das dunkel, hier wird manchmal eine zeitverschiebung sichtbar, wie das dorf mir in der erinnerung wahn plötzlich eine vision von dir eröffnet, und trotzdem gibt es die plätze, die uns halten und trotzdem gibt es die namen und die haut, die mich berührt und trotzdem gibt es also auch dich unbewegliche liebe, die sich zu mir beugt und bleibt, wenn ich ihr gesicht erkenne und trotzdem gibt es das trinken für mich, das essen, die verabredung und den orgasmus, der sich zwischen den freundschaften und hinter den kleidertüren ergibt, auch für mich im gebührigen anteil, alles teilt sich, uns mit und dann als wissen der pfeil zum gefühl, das gefühl als unentdecktes system im körper, eines, das alles zusammenführt und bestellt, das herz, die haut, die nieren, der deckel, der kopf, die gedanken, frühling, sommer, herbst und winter, und die ernte liegt in der bodenkammer, nur richtig gewebt, richtig gestrebt im jahr, und da gibt es diesen widerspruch zwischen liebe und freundschaft und der ernte, die sich auseinanderzerrt, wenn man teilt, alle ist es eh und jeh überm winter, aber verhungern dürfen wir nicht und lag auch noch kein toter auf den straßen, hat immer einer den anderen aufgehoben, was macht die versuchung in der liebeskammer, freundin mein senkten sich die blicke vor dem wissen, wie ich die tür hinter euch schloß, damit ihr blutsfreundschaft lecken konntet:
was war das für ein verrückter abend diese nacht, meine liebe noch so jung; daß ich sie selbst noch nicht erkannte, und immer das andere, das teilen, ziehen, auseinander, an ein anderes ufer, ich war sicherer im gehen und ging auf stelzen, ich gab meine liebe über das ufer und brach die brücke und wollte sehen, ob er springt und schwimmt, aber er war nur wasserscheu, immer wieder die gleiche geschichte, die meine augen füllt, augen trinken tränen, meine gedanken befruchten sich selbst damit und lindern ihren schmerz, dieser abend ist so gerichtlich klar und so ungerecht, wie jede moral nur einseitig ist, es waren alle da, die liebe war da, die freundschaft war da, die versuchung war da, eine offene tür zur einsamkeit, die sich plötzlich als falle verdichtete, plötzlich war sie ungeheuer mobil und gebar viele bilder, die freundin, der geliebte tanzen voreinander, sie beschimpfen mich, sich, verteidigen fiktiv, nehmen plätze ein, verständlich, und wenn sie sie verlassen, gehören sie mir nicht mehr, atmen die gleiche luft, aber die ausatmung ist giftig, für mich und fremde strahlenbündel greifen ineinander, daß ich geblendet bin und irgend etwas blindes aufsteigt in mir, ich erkenne nichts mehr, irgend etwas ist fremd, wirklich fremd, es hat sich ein neuer organismus gebildet vor meinen augen gegen mich, gegen das in mir, sie tragen alle fremde namen und ihre blicke schnellen nur noch als ichgefahr an mir vorbei, natürlich ist das gefühl des diebstahls da, vor meinen augen plündern sie mich, wissend, dieses es bei mir gefunden zu haben, wiederholen sie die schon vielfach gesprochenen wendungen vor mir gegen mich das erste mal in der tausendundersten wiederholung für sich, die frucht steht im raum, die erntekammer wird gerodet, das gebilde hat funktioniert, weil es sich eine krone aufgesetzt hat, in diesem moment des verrats, weil die krone von meinem haupt gestohlen wird, sehe ich sie das erste mal, ich war eine königin, meiner mutter ahnung gebildetes haupt, meine königliche mutter, meiner gedankenläufe vorhut, mein dorf noch in mir meine illusionen, der moment schreit, denn er wird geschändet und geplündert und der schrei reißt die fremden hände aus dem licht, und die hände werden leichte figuren und zuckende gestalten, in fremder manie bewegen sie sich, türmen sich übereinander, winden und krümmen sich, ziehen sich aus unter meinem blick, werden haut zu haut und lecken mit den zungen an lippen, die sich dünsten und schwängern mit falscher brunst, und die hände rinnen die körper hinunter zu einer anderen anatomie, meine liebe, warum zuckst du nicht, jetzt vor der fremden tür und vor dem fremden haus, nicht eine halbe sekunde zeit läßt sich die brunst, oder doch, tastet sie die neuen ufer ab, schiebt sich ein, wahllos, zügellos, spürt einen anderen grund und die krone verlischt im raum
weil am morgen sind es tagesgesichter, die vergessen wollen, bis zum abend jedenfalls, die dunkle und die helle seite in unserem dorf, wie viele sind vor mir dort entlang gegangen, an denen sich immer ein stück mehr von dem schicksal erfüllt, was dann dorf heißt, hauptstraße in dunkel und hell in blond und schwarz in schweigen und tanz
aber wenn die worte wiederholungen waren, und ich nur vor der erkenntnis meiner selbst erschreckte, erste liebe geht, zweite liebe steht und stirbt genau da wieder an der gleichen stelle, wenn ich erschrecke, daß sich das in mir gezeichnete wiederholt, dann bin ich nicht herrin meiner bilder, sondern sklavin meines seins, ich beschwöre die wiedergeburt so lange, bis sie sich von mir dirigieren läßt, erlösen läßt, weil ein nächstes jahr fällt ins land und mit anderen fruchten bestellt man die erde, die die alte frucht für sich entleerte, sind noch andere dünger zwischen den wegen und noch andere häuser an der straße dieser stadt, die das eine ewige haus mir zeigt, daß mir selber zeigt, wie es steht und gewachsen ist und seine worte heißen mauern und ziegel und treppen und fenster und wohnen und ein geist im haus, der es hält und freunde, die ihn besuchen und eine liebe wie ein vogel, der sich anzieht und der vogel, der ihn wegzieht, wenn ihm die mutter stirbt, komm ich zum schluß nun zu dir freund, den ich verlor als das zeichen aller anderen, die sich unerfüllbar mir zeigten und entzogen
freiheiten geben und nehmen sich, wenn sie sich nicht die gesetze fügen, wir verloren sie ganz und uns, wir waren auch zu schwach unsere blicke zu erheben vor uns und erkannten uns nicht
ziehe ich also meiner liebe und meiner freundin die ohren lang für ein nächstes mal, wenn ihre gedanken mir den körper nehmen, ich weiß, wie es ist, gefesselt zu sein durch der anderen gedanken, ich denk nicht mehr alles zu diesem einen schluß, daß sich körper im bett nur erkennen, alles begibt sich auf den gleichen weg und gibt sich immer und ewig nur das eine notwendige stück, nicht mehr und nicht weniger, meine liebe und freundschaft teil ich mit euch, alles andere ist verloren von anfang an, der körper nimmt sich vom essen nur das verdauliche stück, und das andere wird ausgeschieden, und die erde holts sich zurück, oder der wind treibt es auseinander oder das wasser spülts davon
die erste krone setzten mir meine eltern auf, mein wahlvoll geliebtes kind, unberührbar für andere die zweite krone setzte mir mein mann auf, meine wahlvoll geliebte frau, unberührbar für andere und die dritte krone setze ich mir selber auf, wenn ich alle götzenbilder überwunden habe