Kommentar

Ilko-Sascha Kowalczuk

Lautlos ist die Stasi-Akten-Behörde nun (zum 17. Juni 2021) geschlossen worden, die Forschung ist längst zerschlagen, politische Bildung gibt es schon lange nicht mehr. Das wird natürlich auch nicht vom Bundesarchiv reaktiviert werden, weil es gar nicht dessen Aufgabe ist. Der Bundesopferbeauftragte hat nicht diese Aufgaben; was dieser Posten genau soll, weiß niemand so richtig. Niemand sollte sich künftig wundern, wenn Grundlagenforschungen nicht mehr stattfinden und v.a. zu solchen Fragen keine kompetente Institution mehr auskunftsfähig ist. Es gab auch keine Proteste, also war es wohl auch an der Zeit. Das sinnvollerweise angestrebte Archivzentrum in Lichtenberg wird nach meiner Schätzung etwa in 10 Jahren existieren, wenn überhaupt. Die in den letzten Tagen mehrfach aufgestellte Behauptung, man könne nun auch Stasi-Akten an allen Standorten des Bundesarchiv einsehen, ist eine leichte Irreführung. Das Bundesarchiv hat bereits vor einigen Tagen erklärt, dass ist Zukunftsmusik und wird frühestens in 10 Jahren möglich sein. Die Benutzung für Forschung und Presse wird sich natürlich auf absehbare Zeit nicht verbessern, weil die Erarbeitung von Findhilfsmitteln, was endlich losgehen muss, viele, viele Jahre dauern wird, weil man damit die Logik der Stasi durchbrechen müßte. Es ist auch eine abenteuerliche Behauptung, dass nun endlich die dauerhafte Sicherung der Unterlagen gewährleistet würde. Tatsächlich war dafür die Behörde mit einem durchschnittlichen Jahresetat von 100 Millionen Euro seit 28 Jahren zuständig. Und die Behauptung, die Stasi-Akten seien das Symbol der 89er Revolution, ist an Unsinnigkeit nicht zu überbieten. Das Symbol für die 89er Revolution war die Behörde, die Stasi-Akten sind das Symbol für die SED-Diktatur. Es wird vielleicht nichts schlechter, aber es wird auch nichts besser, nur dass der Aufarbeitungsturm und das Symbol der Revolution nun auch als Institution geschliffen wurde und auch international eine Leerstelle hinterläßt. Die "Debatte" im Bundestag gestern war ziemlich peinlich und erschien mir wie aus der Zeit gefallen. Nur weil sich einige Fachpolitiker damit jahrelang befassten, sind sie noch lange keine Experten - das wurde schön deutlich an der pathetischen Substanzlosigkeit der Ausführungen.