Mit Menschenfressern redet man nicht über Rezepte
Zu den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg
von Joachim Goertz, Berlin
Kennen Sie einen jüdischen Menschen, der sich selbst als Faschist bezeichnen würde? Kennen Sie einen politisch aktiven oder interessierten Bürger in Europa, der sich nicht selbst als Demokraten oder doch mindestens als Verteidiger der Demokratie darstellen wollte? Mit den Selbstbezeichnungen oder Selbsteinschätzungen ist es also eine nicht so eindeutige Sache. Aber auch die Fremdbezeichnungen müssen ja nicht immer zutreffen. Jüngstes Beispiel: der etwas wirre daherkommende Beitrag von Philipp Lengsfeld in der Berliner Zeitung, der in Erwiderung auf die Warnung der knapp 60 Bürgerrechtler vor einer Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht diese als Demokratin bezeichnet.
Nun bleibt freilich die Frage: mit wem soll denn nun die CDU in Thüringen und Sachsen und eventuell die SPD in Brandenburg koalieren, wenn die AfD und das BSW nicht infrage kommen soll? Mit der Linken, zu der es in der CDU ja einen Unvereinbarkeitsbeschluss gibt? Die bürgerliche Mitte zerrissen zwischen Links und Rechts, sich selbst zerreißend dazwischen, SPD und Grüne womöglich in Thüringen und Sachsen (dort aber auch die Linke) gar nicht im Landtag? In Thüringen stellt sich die Frage nicht nur wegen der außerordentlich, weil anderorts unerreichbaren Umfragewerte für die Linke, sondern auch wegen der Person Bodo Ramelow oder seines Kultusministers Benjamin Hoff, der gerade ein beachtenswertes Aktionsprogramm zum 35. Jahrestag der friedlichen Revolution präsentiert hat.
Ich bin kein Parteistratege, der sich vielleicht die folgende Frage stellt: Soll man den Auflösungsprozess der Linken als relevante politische Kraft in Deutschland aufhalten, wo sie doch nach wie vor an einer sozialistischen Vision festhält, die den Kapitalismus/Liberalismus irgendwie überwinden will? Oder soll man sie einbinden in die praktische Landespolitik, die aber ja trotzdem - nicht nur in Wirtschaft, Kultur und Bildung- immer über Landesgrenzen ausstrahlt? Meine Frage ist vielmehr: Wie lässt sich die Demokratie verteidigen, ohne sie zu verraten oder hinter sich zu lassen? Eins steht fest: Mit Menschenfressern redet man nicht über Rezepte. Aber das hilft vielleicht bei Höcke und Wagenknecht. Aber bei der Linken? Die Diskussion um die Corona-Aufarbeitung in Politik und Medien zeigt ja, wie schillernd Grundrechte in Anspruch genommen und scheinbar versagt werden können.
Also Ihr das kostbare Recht der freien Wahlen in Anspruch nehmenden Wähler und Politiker: Wählt möglichst so, dass Ihr nicht eines Tages sagen müsst: Das haben wir nicht so gewollt!