Keine Koalitionsempfehlungen

Kommentar von Gerold Hildebrand

Ergänzend zur Erklärung der ehemaligen DDR-Bürgerrechtler zur BSW

Der Angriffskrieg des putinistischen Russlands ist derzeit das existenzielle Hauptthema. Aber bewegt es auch wirklich? Bei einer nicht geringen Anzahl der deutschen Wähler steht leider die Haltung im Vordergrund: „Dafür ham se Geld! - Und wir? Alles wird nur teurer.“

Andererseits besteht das Bedürfnis, dass der Staat besser vor islamistischen Fanatikern schützen solle, nicht nur vor denen, die erst vor kurzem zugewandert sind. Und das ist nicht erst seit Mannheim so.

Diese Stimmung wird ersichtlicher Weise von AfD, BSW, Linkspartei und Teilen der SPD aufgegriffen und geschürt, auch bei Landtagswahlen, die nur zweitrangig etwas mit Außenpolitik zu tun haben.

Natürlich stecken da jeweils noch ganz andere und differierende Interessen bei den genannten Parteien dahinter. Einig sind sie sich nur in der Frage, dass sie Wählerstimmen gewinnen wollen - wenn auch als Konkurrenten.

Der Offene Brief von in der Opposition gegen das SED-Regime Aktiven zielte auf den neuen Umfrage-Shooting-Star BSW. (http://h-und-g.info/editorial/was-ist-von-sahra-wagenknecht-zu-halten)

Dabei ging es lediglich um den Aspekt der Wahrhaftigkeit - vornehmlich bezogen auf die russische Invasion in der Ukraine.

Wenn also Frau Wagenknecht in den vielen Talkshows, die ihr ein Podium bieten, russische Fake-News verbreitet wie die, dass französische Truppen bereits in der Ukraine kämpfen würden - und das auch später nicht zurücknimmt, nachdem offensichtlich geworden ist, dass das eine von Putins Trollen verbreitete Falschmeldung ist, dann kann davon ausgegangen werden, dass hier absichtlich Stimmungsmache in der Art betrieben werden soll: der „Westen“ und die Ukraine haben selber Schuld, wenn sich Putin vorbeugend mit verschiedenen Annexionen „wehrt“.

Dabei muss nicht einmal ein Outing erfolgen, auf welcher Seite man eigentlich steht, wenn auch dem aufmerksamen Betrachter der Aussagen des BSW in der Gesamtschau auffällt, dass dahinter eine marxistisch-leninistisch geprägte tiefe Feindschaft gegenüber den westlichen Demokratiemodellen, die zudem als „Kapitalismus“ diffamiert werden, steckt. Despotische Herrschaft ist Kommunisten nicht fremd.

Aber solcherlei wahrheitswidrige Postulate bedienen auch tief sitzende Vorurteile einiger „Ossis“ und einiger West-„Linker“ gegenüber einer (durchaus nicht konfliktfreien) Demokratie und deren Heilserwartungen bezüglich einer glühenden kommunistischen Zukunft, die entweder durch die Zurichtung im ideologisch geprägten „Verbildungs“-System der DDR eingetrichtert wurden und innerfamiliär heftig weiter gepflegt werden oder - bei den linksradikalen „Wessis“ - durch das jahrzehntelange Leben in der linken Blase mit dabei gepflegten leninistisch-maoistischen Revolutions-Agitaten verfestigt worden sind. Das hehre Ziel: alle Menschen sind gleich und zufrieden, was nicht einmal bei KI funktionieren würde.

Die aus Jena stammende Sahra Wagenknecht (amtlich zunächst Sarah Wagenknecht) und ihr saarländischer Lebensabschnittsbevollmächtigter Oskar Lafontaine sind das Paradepaar dafür.

Natürlich gäbe es noch viel mehr zu sagen - auch zu den anderen Parteien. Aber der Offene Brief hatte schlichtweg einen Fokus und war deshalb auch in vielen Medien als Debattenanstoß präsent. Vordem war von Kritik am BSW nur selten wahrnehmbar.

Mit Kritik an der AfD wurde (manchmal auch ziemlich unglücklich oder gar durchschaubar überzogen) hingegen nicht gespart, so dass der Eindruck entstehen konnte, die Medien kennen keine Parteien mehr.

Christian Booß schrieb nun:

„Du hast die Erklärung von Martin Böttger zum BSW unterschrieben. Aus dieser ergibt sich aber angesichts der Umfragen eine Folgefrage: Wie kann man überhaupt noch Mehrheiten bilden, um ein Land Regierungsfähig zu halten. Daraus ergibt sich auch die Frage, ob es möglich und sinnvoll sein könnte die Linkspartei als Koalitionspartner zu akzeptieren oder sich von ihr tolerieren zu lassen bzw. einen Linkspartei-MP zu tolerieren. Nachdem die Linkspartei 35 Jahre aus bekannten Gründen in der Schmähecke stand, wäre das ein Paradigmenwechsel. Ähnlich haben Jochen Gauck und Marianne Birthler argumentiert

 Die Frage ich, ob Du dazu einen kurzen Kommentar für das nächste H-und G.info verfassen könntest, das Anfang September rauskommen soll.“

Okay, die Reinwaschung der SED-PDS-Linkspartei erfolgt ja schon seit einiger Zeit. Beginnend mit der Tolerierung in Magdeburg über Regierungsbeteiligungen in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Bremen und Thüringen.

Sie wird mittlerweile bereits zum „demokratischen“ Spektrum gezählt, ohne dass klar eingefordert wurde, dass sie die SED-Diktatur ohne Wenn und Aber als Unrechtsstaat kennzeichnen solle und ihre anti-freiheitlichen (antikapitalistischen, antiamerikanischen, antiisraelischen) Attitüden und ihre Unterstützung linksradikaler Gruppen aufgeben müsse.

Keine Frage, dass nicht alle so sind oder werden in dieser Partei, aber es sind auch nach der Spaltung genügend Marxisten-Leninisten in ihr verblieben.

Da ist es doch nur folgerichtig, wenn Parteien wie die CDU oder die FDP sich abgrenzen und keine Koalition bilden möchten ab Landesebene aufwärts. Das sollte natürlich auch für die Bündnisgrünen oder die Freien Wähler gelten. In diesem Punkt stimme ich also Joachim Gauck und Marianne Birthler nicht zu, auch wenn argumentiert werden könnte, dass eine kommunistische Diktatur in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Bremen und Thüringen bisher nicht errichtet wurde. Aber eine klare Kante gegenüber radikalen und extremistischen Parteien sollte schon deutlich geäußert werden vor Wahlen - auch wenn ein solches Wahlversprechen möglicherweise nicht ganz durchzuhalten sein wird.

Die überwiegende und jüngere Wählerschaft meint eher: „DDR? Wollen wir nicht zurück, aber alles kalter Kaffee, wir haben doch ganz andere Probleme!“ Nur kann es passieren, dass der kalte Kaffee wieder erhitzt wird bis man sich an ihm verbrüht.

Warum wird der eher moderate West-Import Bodo Ramelow wohl abgewählt, nicht nur von den Überläufern zu AfD und BSW? Und warum sind auch die Umfrageresultate der Grünen und der SPD im Fünf-Prozent-Zitter-Keller? Da spielen doch auch selbst gemachte Fehler eine große Rolle.

Nun stünde dies allein (dass eine Regierung kein Vertrauen mehr genießt) einer künftigen Regierungsbeteiligung unter Führung einer anderen Partei nicht im Wege.

Okay, das Vertrauen in Parteien ist generell nahezu am schier unübertroffenen Siedepunkt, also bei Null. Das liegt an den rasanten Veränderungen der letzten zehn Jahre und der fehlenden Debattenkultur.  Übertreibungen, Verletzungen, Überforderungen, drohende Folge- und Vorauszahlungskosten (durch Zuwanderung und Klimaveränderung), Zukunftsängste, Sprachverwirrungen und Sprachlosigkeit spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das Sicherheitsbedürfnis der Bürger ist nicht plötzlich irrational gestiegen sondern hat reale Ursachen. Wenn da überhaupt nichts dran wäre, würde das auch gar nicht verfangen.

„ Eine Koalitionsempfehlung bleibt schwierig, so lange sich nur die Wahlergebnisse und nicht die inhaltlichen Ausrichtungen der radikalisierten Parteien ändern. Und wer weiß, wie sich die Parteienlandschaft noch verändern wird. Vorerst aber ist mit einer Schwäche demokratischer Parteien zu rechnen, die den Wählern zu viele und zu schnelle Einschnitte in ihren prekären Wohlstand abverlangen.

Unregierbarkeit? Am Ende müssen immer Kompromisse ausgehandelt werden und man kann ja schließlich nicht so lange wählen lassen, bis die Mehr- der Minderheit „passt“. Und wer soll das denn dann alles wieder bezahlen?“