Keine Freiheit ohne Sicherheit

von Michael Kretschmer (CDU) ist Ministerpräsident in Sachsen, Mario Voigt ist

CDU-Vorsitzender in Thüringen, Dietmar Woidke (SPD) ist Ministerpräsident in

Brandenburg.

Erstveröffentlichung in FAZ 4.10.2024

 

Die Regierungsbildungen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg fallen in eine

Zeit, in der sich die Friedliche Revolution zum 35. Mal jährt. Ost und West sind

zusammengewachsen, unser Vaterland ist in Frieden und Freiheit vereint.

Heute diskutieren Wir selbstbewusst und auf Augenhohe in einem geeinten

Deutschland, mit verschiedenen Perspektiven. Von Überragender Bedeutung

bleibt: die Freiheit unseres Landes in einem sicheren Europa.

Die Freiheitsliebe der Ostdeutschen flammte bereits am 17. Juni 1953 kurz nach

Gründung der DDR und noch vor dem Bau der Mauer auf. Damals

demonstrierten die Menschen gegen die SED-Diktatur und sowjetische Panzer.

Der Aufstand wurde brutal niedergeschlagen, und mehr als drei Jahrzehnte lang

schaffte es die DDR-Führung, den Ruf nach echter Freiheit zu unterdrücken.

1989 aber kulminierte dieser Drang in der Friedlichen Revolution und der

anschließenden Wiedervereinigung, dem großen Wunder der deutschen

Geschichte.

Der Kalte Krieg war beendet, die Einigung Europas schritt immer weiter voran.

Ohne den Freiheitskampf der Polen und die Unterstützung der USA, der

Sowjetunion, Großbritanniens, Frankreichs und anderer Partner Ware die

Einheit nicht möglich gewesen— und auch nicht ohne die belastbare

Vertrauenswürdigkeit Deutschlands in der Welt. Inzwischen sind auch unsere

östlichen Nachbarländer Teil der EU und des Schengenraums, und Wir arbeiten

vertrauensvoll als Partnerregionen zusammen. Nach 1990 profitierte unser Land

von der Friedensdividende, als wir uns nur noch von Freunden umgeben

wussten.

Mit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine hat die

Verteidigung der Freiheit eine neue Aktualität bekommen. Bereits 2014 begann

auf Befehl von Präsident Wladimir Putin die Verletzung der Souveränität der

Ukraine. Nach dem Angriff 2022 und fast drei Jahren brutaler Kampfhandlungen

mussten Millionen Ukrainer flüchten, Zehntausende tote Zivilisten sind zu

beklagen, Tausende ukrainische Kinder sind entführt, und Zigtausende Soldaten

sind auf beiden Seiten gefallen.

Wir wollen, dass das Leid der Menschen durch diesen verheerenden Krieg ein

Ende hat und setzen uns für einen Waffenstillstand und Verhandlungen unter

Wahrung der Charta der Vereinten Nationen und im Geist des Budapester

Memorandums zwischen der Ukraine und Russland ein, um Weiteres

Blutvergießen und Zerstörungen zu vermeiden.

Um Russland an den Verhandlungstisch zu bringen, braucht es eine starke und

geschlossene Allianz. Deutschland und die EU haben diesen Weg noch zu

unentschlossen verfolgt. Je breiter die internationale Allianz aufgestellt ist,

desto größer wird der Druck. Es geht darum, einen Waffenstillstand zu

erreichen und der Ukraine belastbare Sicherheitsgarantien zu bieten. Unsere

wirtschaftliche Stärke kann dabei ebenso ein Hebel sein.

Die Bundesregierung muss ihre außenpolitische Verantwortung durch mehr

erkennbare Diplomatie aktiver Wahrnehmen. Deutschland kann und sollte — Wie

in früheren Jahrzehnten durch Politiker Wie Helmut Kohl, Willy Brandt und

Hans-Dietrich Genscher — stärker als Vermittler auftreten. Wir wollen eine

aktivere diplomatische Rolle Deutschlands in enger Abstimmung mit seinen

europäischen Nachbarn und Partnern. Deutschland ist unverbrüchlich Teil der Europäischen Union,

der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Mitglied der NATO und der

OSZE.

Es reicht nicht, das eigene Glück zu managen, Wir müssen uns

verteidigungsfähig aufstellen.

Es geht Wie auch in der Zeit des Kalten Krieges nur aus einer starken Position

heraus. Die Plane für eine Stationierung von Mittelstreckenraketen in den

westlichen Bundesländern hatte man besser erklären und breiter diskutieren

müssen. Militärische Stärke ist nur dann sinnvoll, wenn sie mit kluger

Diplomatie verbunden wird.

Nur die regelbasierte internationale Ordnung garantiert die Freiheit. Wir

Deutsche tun gut daran, in diesen grundlegenden Fragen von Sicherheit und

Frieden auf unsere westlichen Partner Wie Polen und die baltischen Staaten zu

h6ren. Es ist unsere Aufgabe, auch als Landespolitiker, diese Freiheit und diese

Ordnung zu verteidigen und für sie einzustehen. Daran wird keine

landespolitische Zusammenarbeit etwas ändern.