Wer verteidigte die Menschenrechte in der DDR
Die Rezension der Jenaer Historikerin Annette Weinke hat Kontroversen hervorgerufen
Jetzt die Antwort des Autors, Ned Richardson-Little (26.3.2021)
Mehr Stellungnahmen auf Facebook 12.12.2020
Christian Dietrich: Thüringer Historiker räumen mit "ein paar Mythen der Bürgerrechtler von 1989 über die DDR auf"
So schreibt die Jenenser Prof. für Neuere und Neuste Geschichte Annette Weinke, "die Menschenrechte" seien "fast durchgehend in der politischen Kultur der DDR verankert gewesen" und beruft sich dabei auf den an der Erfurter Universität lehrenden Dr. Ned Richardson-Little.
Querdenken ist wohl auch an den (Thüringer) Universitäten zu Hause.
Christian Booß: Ich weiß nicht, ob die von mir sehr geschätzte Rezensentin, alles wiedergibt, was in diesem interessanten Buch steht. Der von ihm posititiv dargestellte Menschenrechtsansatz war ein Kampfprogramm gegen die bürgerlichen Menschenrechte. Die Rechtsstaatskomponente trat gegenüber den sozialen rechten zurück. Die KSZE-Regelungen v.a. 1975 und 1989 sind der DDR von der SU übergeholfen worden. Dass der DDR gegen Ende ihre Menschenrechtspropaganda entglitten ist, ist eine kluge These. Aber läuft das nicht irgendwie darauf hinaus, dass die SED die Geister rief, die sich dann nicht mehr los wurde? Das scheint mir verkürzt. Offen ist allerdings die Frage, welche Menschenrechtskonzeption die Bürger 1989 antrieb, die bürgerliche oder die soziale. Oder ob es überhaupt die Menschenrechte waren, die viele Bürger auf die Strasse trieben. Interessant ist, dass nun schon mehrfach der bisherige Bürgerbewegungsdominiserte Diskurs von 1989 angegriffen wird. Was bedeutet das?
H. M.: Was trieb die Bürger auf die Straße? Mit Sicherheit zunächst keine irgendwie geartete Konzeption sondern einfach Wut über die Verlogenheit des Systems, die eigene Agonie zu leugnen, auf bizarre Weise Schuldige zu erfinden etc. etc.....Es war Protest in bunter, vielfältiger, witziger Form. Konsens Aller war: "So kann es nicht weitergehen!" Die oppositionellen Gruppierungen waren weit entfernt von Wiedervereinigungsvisionen .Man wollte eine ganz andere, bessere DDR. Angesichts der Ost/West Teilung der Welt konnte sich fast niemand etwas anderes vorstellen.
Christian Booß: Das mag für den Anfang zutreffen. Das Konzeptionslose stimmt für einige, für andere weniger. Die Wiedervereinigung war auch so etwas wie eine Ersatzkonzeption. Jedenfalls für viele v.a. im Süden der DDR attraktiver als irgendwelche Visionen.
Christian Dietrich: Lieber Christian, was die Vereinigung betrifft, sind Bundesdeutsche bis heute, so scheint mir, verletzt, dass wir Ostdeutsche sie gewählt hatten, und da sie im Grundgesetzt verankert war, von den Altbundesdeutschen hingenommen werden mussten. Konzeptionslos war das nicht. Und auch nicht nationalistisch, wie uns gerne unterstellt wird, sondern der pragmatischste Weg zu einem sozial-liberalen Rechtsstaat.
Christian Booß: Ich glaube lieber Christian, die Motive und Ziele waren doch sehr viel unterschiedlicher als die einfachen Narrative.
A. K.
Das ist keine DDR-Verklärung, sondern ein akademischer Diskurs - hauptsächlich eine etwas merkwürdige Rezension etwas merkwürdiger Thesen von Richardson-Little. Anscheinend wird mit ziemlichem Aufwand die Fehlerhaftigkeit einer vorher selbst fehlerhaft zugrundegelegten These von der „Menschenrechts-Erfolgs-Erzählung der ostdeutschen Bürgerrechtler“ nachgewiesen. Kein Grund zur Panik.
D. H.: Menschenrechte wie sie die kommunistische Führung in der DDR vertrat, waren halt nicht universell. Sie galten für Parteimitglieder. Alles Abweichende wurde bestraft. Gibt es einen Anspruch der allgemeinen Gültigkeit der Menschenrechte oder kann dieser aus verschiedenen kulturellen Kontexten hergeleitet werden ? Die Menschenrechte z.B. der islamischen Scharia wurden schon anpasst, wie es in einer islamischen Menschenrechtserklärung schon geschehen ist. Wenn man sich die dreissig Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durchliesst, an der die UdSSR und andere Staaten mitgearbeitet haben, dann halte ich das für ein ehr interessantes Dokument. Und vieles wurde nicht in der DDR umgesetzt.
E. S.: Das stimmt einfach nicht! Um Mitglied der UNO zu werden, muß man diverse Deklarationen ratifizieren, z.b. auch die über die Allg. Menschenrechte von 1948, das tat die DDR 1966 und wurde dann 1973 UNO-Mitglied. Das gibt es keine zwei Meinungen, aber viele Praxen, wie gegen die Einhaltung der Menschenrechte verstoßen wird - die DDR hat das von 1949 bis 1989 in allen Punkten systematisch getan, mal mehr, mal weniger intensiv, aber immer.Ausgerechnet das DDR-Komitee für Menschenrechte als Diskursraum über Menschenrechte anzusehen, ist wirklich grotesk und zeugt von keinerlei Kenntnis und Ahnung. Es wäre nicht zum Verzweifeln, wenn das nicht die künftigen Lehrer landauf, landab - sofern sie überhaupt etwas über den SED-Staat und den Kommunismus lernen - zu hören bekommen. Rezensentin und Autor sind keine Ausnahmen.Ich bin mal zum Komitee Menschenrechte gegangen in den 80er Jahren, um mit denen über Menschenrechte zu diskutieren, die haben mich rausgeschmissen. Die IFM hat am 10.12.1987 dort eine Erklärung übergeben wollen, die saßen anschließend alle in der U-Haft Rummelsburg.
M. W.
Vielleicht kurz:
1. Müsste man das Buch lesen, um zu wissen, was der Autor überhaupt sagt
2. Die Rezension ist komplett wirr ... (peinlich für eine Professorin und die SZ)
3. Gerade weil ich die DDR Menschenrechtspolitik in damaliger kompletter Unwissenheit der Schweinereien der SED und Stasi verteidigt habe (was mir heute noch mehr als peinlich ist) halte ich selbst das Wirre, was ich glaube verstanden zu haben für wissenschaftlich haltlos.
4. Was mich maximal stört ist der unseriöse Ton der Rezension. (Z.B " die Erzählung einer NACHGEHOLTEN ROMANZE" )
5. Fazit: Diese Rezension ist einer Professorin unwürdig. Überschriften sind reißerisch und wissenschaftlich nicht belegt. Mit einem Wort Peinlich und damit irrelevant!
Christian Booß: Na ziemlich heftig. "Nachgeholte Romanze" ist doch ein geistreiches Apercu. Am Beispiel des Korb Iii von Helsinki kann man übrigens sehen, dass das Buch nicht vollkommener Unsinn ist. Die Erklärung wurde im ND abgedruckt und die Ausreisebewegung der 1970er konnte sich darauf berufen. Mielke floppte schier aus und die SED wiederholte diesen Fehler nie wieder.