Brücken bauen in schwierigen Zeiten

Die Arbeit des Deutsch-Ukrainischen Forums in der Ukraine

Von Jörg Drescher[1]

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges ist die Ukraine für viele Menschen in Deutschland und Europa kein fernes Land mehr. Was in den Nachrichten meist abstrakt klingt – zerstörte Infrastruktur, fehlende Energie, verwundete Soldaten, traumatisierte Kinder – begegnet uns in unserer Arbeit als Deutsch-Ukrainischem Forum ganz konkret. Als Verein leisten wir projektbezogene Hilfe, schaffen Verbindungen und vermitteln Kontakte zwischen Deutschland und der Ukraine. Wir verstehen uns als Brücke zwischen beiden Ländern.

Wie vielfältig diese Hilfe ist, zeigen unsere jüngsten Aktivitäten. So haben wir in diesem Sommer gemeinsam mit Partnern mehrere Krankenhäuser in Saporischschja mit Trinkwasser beliefert. Die Hitze dort ist drückend, und in diesen Kliniken werden auch verwundete Soldaten erstbehandelt. Dass für so etwas vermeintlich Einfaches wie Wasser gesorgt werden muss verdeutlicht, wie prekär die Lage ist – und wie wichtig schnelle, unbürokratische Hilfe vor Ort bleibt.

Ganz anderer Art war eine Aktion in Kyjiw: Zusammen mit dem Sozialdienst der Stadt haben wir Kindern mit Behinderung, die sonst kaum aus dem urbanen Umfeld herauskommen, einen Ausflug an einen See ermöglicht. Für einen Tag konnten sie angeln, Natur erleben und einfach Kind sein. Solche Momente sind keine Nebensache; sie geben Kraft und Würde zurück.

Auch im Bereich Energie- und Digitalversorgung sind wir aktiv. Über Partner in Poltawa begleiteten wir zuletzt die Übergabe von Generatoren in Frontgebieten. Schon früh im Krieg haben wir uns an der Beschaffung von Solaranlagen und Generatoren beteiligt, weil wir sahen, dass die Energieinfrastruktur gezielt angegriffen wurde. Heute gehört auch der Austausch von Wissen und Erfahrungen dazu: In Frankfurt/Main organisierten wir eine Cybersecurity-Veranstaltung, bei der ukrainische Experten berichteten, wie sie seit mehr als drei Jahren hochkomplexe Angriffe abwehren. Deutsche Unternehmen und Behörden können davon lernen – und gleichzeitig die Ukraine beim Wiederaufbau unterstützen.

Unsere Funktion als Brücke zeigt sich auch in anderen Projekten: von Webinaren zu digitalen Werkzeugen für den Wiederaufbau bis zur Unterstützung kleiner, beeindruckender Initiativen wie dem Projekt „TIM“ bei Kyjiw. Dort fertigen drei Frauen ehrenamtlich ergonomische Hilfsmittel für schwerbehinderte Menschen. Über 7.000 solcher Elemente wurden seit Kriegsbeginn kostenlos verteilt. Wir konnten Materialien und Transportkosten finanzieren – ein kleiner Baustein, der für die Betroffenen große Wirkung entfaltet.

Ein weiteres wichtiges Projekt, das von unseren Partnern in Lwiw und Saporischschja durchgeführt wird, ist das Angebot von kunsttherapeutischen Workshops für geflüchtete Familien. Die Kinder basteln und malen gemeinsam, während ihre Mütter von Psychologen lernen, mit ihren Sprösslingen den Krieg besser zu verarbeiten. Das Projekt läuft das zweite Jahr und hat bereits über 1.000 Familien geholfen.

Auch wirtschaftliche Kontakte sind Thema unserer Aktivitäten, indem wir interessierten deutschen Unternehmen die Ukraine und deren Potentiale näherbringen. So war Ende Juli eine Delegation süddeutscher Unternehmen in den Städten Lwiw und Kyjiw. Gemeinsam mit der deutschen Außenhandelskammer in der Ukraine organisierten wir Treffen zwischen der Delegation und regionalen Entscheidungsträgern, um mögliche Kooperationen anzubahnen.

All diese Beispiele haben eines gemeinsam: Sie entstehen aus persönlichen Kontakten und dem genauen Hinhören, welche Bedürfnisse akut sind. Hilfe funktioniert nicht nach Schema F. Sie ist konkret, kleinteilig und dadurch wirksam. Und sie funktioniert nur, weil viele Menschen und Institutionen auf beiden Seiten zusammenarbeiten. Wir werden weiter Brücken bauen – mit Projekten, die verbinden und mit Kontakten, die Verständnis schaffen. Denn die Ukraine braucht Solidarität – und wir können von ihr lernen.

 


[1]     Jörg Drescher leitet seit 2018 das Kyjiwer Büro des Deutsch-Ukrainischen Forums und organisiert unter anderem humanitäre Hilfe in der Ukraine. Er lebt seit 23 Jahren in Kyjiw.