Völkerrechtliche Aspekte, die bei der Beurteilung der Kriegshetze der tschetschenischen Kadyrov-Bataillone

im Donbas auf dem Telegram-Chanel Rkadyrov-95 u.a. Ende März/Anfang April 2022 eine Rolle spielen könnten

vorläufige Schnelleinschätzung

 

von Dr. Robert Frau, Europauniversität Viadrina Frankfurt (Oder), juristische Fakultät

Juristische Grundlagen

Der Völkermordtatbestand zeichnet sich durch näher bezeichnete Handlungen aus, die von den Tätern absichtlich gegen Mitglieder der vier genannten Gruppen (nationale, ethnische, religiöse oder „rassische“) begangen werden. Zusätzlich ist eine Völkermordabsicht erforderlich. Abgesehen von den übrigen Merkmalen, die zur Strafbarkeit erforderlich ist, ist das subjektive Merkmal der genozidalen Absicht oft naturgemäß schwer nachzuweisen. Als Element des subjektiven Tatbestands geht es um die innere Tatseite (mens rea), die sich im Kopf der jeweiligen Täter abspielt. Täter müssen in der Absicht handeln, die Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören.

Der Nachweis der genozidalen Absicht kann aber gelingen, insbesondere wenn die Täter sich vor tatsächlichen (Gewalt-)Handlungen in entsprechender Weise geäußert haben. Darüber hinaus kann die Verbreitung von hate speech für sich strafrechtlich relevant sein.

Ruanda-Rechtsprechung

Im „Media-Case“ des Ruanda-Tribunals (Fall-Nr. ICTR-96-11-I, Urteil vom 15. November 1999) standen u.a. Vorwürfe im Raum, dass die Täter über den Radiosender Radio Télévision Libre des Milles Collines Hassrede verbreitet und so am Völkermord gegen die ethnische Gruppe der Tutsis teilgehabt haben, ihn also entweder selbst begangen oder zu seiner Begehung aufgerufen haben. Die Kammer hat die entsprechenden Sendungen detailliert überprüft und sich angesehen, welche Äußerungen strafrechtlich relevant sind und welche nicht. Darunter waren explizitere Aufrufe zur Gewalt gegen eine ethnische Gruppe als jene, die Sie in Ihrem E-Mail angeführt haben. Relevant ist dabei, dass die Kammer auch aus der zunehmenden Intensität der Äußerungen strafrechtliche Schlüsse gezogen hat. Wörtlich heißt es in Rn. 485 des Urteils: „the Chamber finds this progression to be a continuum that began with the creation of RTLM radio to discuss issues of ethnicity and gradually turned into a seemingly non-stop call for the extermination of the Tutsi.” Das ständige “Beschallen” der Öffentlichkeit mit eben dieser Hassrede war damit ein Faktor, den die Kammer in die strafrechtliche Bewertung einbezogen hat.

Für den angeführten Telegrammkanal mag noch eine andere Feststellung relevant sein. Denn die Kammer bewertet ethnische Stereotypisierungen in diesem Kontext: In Rn. 486 des Urteils heißt es: „The Chamber finds that RTLM broadcasts engaged in ethnic stereotyping in a manner that promoted contempt and hatred for the Tutsi population. RTLM broadcasts called on listeners to seek out and take up arms against the enemy. The enemy was identified as the RPF, the Inkotanyi, the Inyenzi, and their accomplices, all of whom were effectively equated with the Tutsi ethnic group by the broadcasts. After 6 April 1994, the virulence and the intensity of RTLM broadcasts propagating ethnic hatred and calling for violence increased. These broadcasts called explicitly for the extermination of the Tutsi ethnic group.“

Daneben bleibt für solche Äußerungen immer der Tatbestand der unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung von Völkermord nach Art.  III (c) der Völkermordkonvention.

Telegram-channel

Für die von Ihnen angeführten Äußerungen sind diese Ausführungen ggf. relevant. Problematisch daran sind zwei Aspekte. Zum ersten handelt es sich bei dem ASOW-Regiment wohl um Kombattanten in einem international bewaffneten Konflikt, mit anderen Worten um legitime oder legale militärische Ziele, die angegriffen und getötet werden dürfen. Zum zweiten wird in den angeführten Äußerungen eben nicht eine nach der Völkermordkonvention gestützte Gruppe angesprochen, es mag aber sein, dass man hier dog-whistling erkennen kann. Wenn also etwa das ASOW-Regiment mit einer ethnischen oder anderen Gruppe gleichgesetzt wird, kann für den verständigeren Leser des Telegrammkanals die eigentliche Bedeutung und „Zielgruppe“ vielleicht doch deutlicher sein, als der Wortlaut es annehmen lässt.

Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass das ASOW-Regiment politisch kritisch zu sehen und die rechtsextremen Elemente zu beachten bleiben. M.a.W. kann im Vorwurf, es handele sich um Nazis, dann eben doch keine versteckte „Message“ stecken.

 

Ergänzungs-Nachfragen

 

  1. Es gibt inzwischen diese Videos von Gefangenen mit geröteten Gesichtern und Verletzungen in Gesichtern und der Scheinhinrichtung. Auch wenn nicht klar ist, ob diese authentisch oder gefaked sind, um Schrecken zu verbreiten, gibt es dazu eine Einschätzung. Verstoß gegen Genfer Konvention u.a. (Falls Sie nicht Spezialist für die rein militärrechtlichen Fragen sind, wer wäre es dann)

 

R.F. Ist rechstwidrig gegenüber den Gefangenen, v.a. wenn die davon nichts wissen und es für eine echte Hinrichtung halten. Gegenüber der Öffentlichkeit nur, wenn damit tatsächlich die Zivilbevölkerung terrorisiert wird.

 

  1. Inzwischen dringen Kadyrov-Leute in Wohnungen ein auf der Suche nach Soldaten und ASOW-Leuten. Laut Eigenaussagen setzen Sie auch Verwandte unter Druck, Freiwillige preis zu geben, bzw. Druck auf diese auszuüben, damit die Freiwilligen ihre Waffen niederlegen. Dann werden Listen erstellt, die auch in andere Regionen geschickt werden.

R.F Das dürfte menschenrechtswidrig sein, weil die Verwandten ja mehr oder weniger außerhalb des humanitären Völkerrechts stehen.

 

zugrundeliegender Materialanhang Rohassung/ 

Zusammenstellung Dr. Christian Booß: H-und-G.info/Bürgerkomitee15.Januar e.V./Europauniversität Viadrina

demnächst i.A.

Quellen im Wesentlichen Telegramm Rkadyrov95- die Tage seit angeblichem Besuch von Kadyrev im Donbas. Seither läuft der Tschtcheneneinsatz deutlich koordinierter. Es wurde eine „Reise der Wahrheit“ mit embedded russischen und vermutlich tschetschenischen „Journalisten“ gestartet, die die Offensive heroisieren und die Zerstörungen und das Leid der Menschen den Ukrainern in die Schuhe schieben, so dass die Befreiung durchgeführt werden muss. Dazu gibt martialische Aufrufe v.a. gegen ASOW.