Tschetschene Spezialeinheiten in der Ostukraine

Sie sollen das Donbas und Mariupol einnehmen

Foltern sie Kriegsgefangene?

H-und-G.info  2.4.2022

Weil die russischen Armee „versagt“ hat, müssen Putins Privatarmeen ran. Im Südosten hat die sogenannte Wagner-Gruppe eine 1000-köpfige Truppe aus syrischen Söldnern zusammengestellt. Seit einiger Zeit sind schon Elitetruppen und Söldner des berüchtigten Tschetschen-Führers Ramsan Kadyrev im Einsatz. Diese Spezialeinheiten für Straßenkampf und „Säuberungen“ versuchen durch martialische Propaganda, aber auch durch skrupelloses Eingreifen v.a. die Hafenstadt Mariupol einzunehmen, die immer mehr zum Symbol für Putins blutigen Krieg wird. Daber schrecken sie offenbar nicht mehr vor Folter zurück, wie tschetschenische Videos zeigen. Ob sie gefaked ist, wie andere Videos zuvor, ist derzeit nicht zu verifizieren.

Foto: Laut Kadyrovs Propaganda-Video: Gefangener Soldat mit einer Tätowierung, wie sie für ASOV-Soldaten typisch ist. Normalerweise sind derartige entwürdigenden Fotos von Kriegsgefangenen nicht statthaft. Eine Anonymisierung war aber wegen der Beweissicherung von mutmaßlicher Folter nicht möglich.

Kadyrev wurde im zweiten Tschetschien-Krieg quasi von Putin eingesetzt und fungiert seither als Putins Mann fürs Grobe. Die Soldaten in der Ukraine unterstehen Kadyrevs Befehl, der sich auf ein Mandat des russischen Oberbefehlshabers Wladimir Putin beruft. Vor Ort in Mariupol oder im ganzen Donbas hat wohl Adam Sultanovich Delimkhanov das Kommando.

Foto: Ordnet ein russischer Parlamentsabgeordneter aus Tschetschenien Kriegsverbrechen an?

Er ist zugleich Abgeordneter für Tschetschnien in der von Putin dominierten Duma, dem russischen Parlament. Eine wichtige Funktion seiner Soldaten in der Ostukraine ist laut Kadyrovs Worten, die „Moral“ der russischen Armee zu heben. Zum zweiten durchkämmen sie besetzte und zu besetzende Gebiete, um verschanzte ukrainische Soldaten auszuschalten. Drittens machen sie psychologische Kriegsführung. Über Social Media Kanäle stellen sie sich als martialische unbesiegbare Truppe dar. Sogar ein tschetschenischer Militärführer ist eingesetzt, der verdächtigt wird, an der Ermordung des russischen Oppositionellen Boris Nemzov beteiligt gewesen zu sein.

Foto: Tschetschenen-Führer Kadyrov, hier in Putin-Pose, ist der Oberbefehlshaber der Tschetschenischen Soldaten zwischen den Kommandeuren vor Ort und Putin, er kooperiert eng mit der 8. Armee des militärischen Südbezirkes von Russland, die für die Donbaseroberung zuständig ist. 

Durch derartige Drohgebärden wollen die Tschetschenen und ihre russischen Berater die Bevölkerung und Teile der Armee zur Kapitulation bewegen. Vor allem auf den Teil der ukrainischen Armee, den das rechtsnationalistische ASOW-Regiment stellt, hat es Kadyrov abgesehen. Da diesem in der Vergangenheit immer wieder Rechtslastigkeit vorgeworfen worden ist, dient ASOW Putin als Legitimation für seinen angeblichen Angriff gegen Nazis, die Entnazifizierungsstrategie. Dass die Rechten in der Ukraine politisch kaum noch eine Rolle spielen, zählt dabei nicht. Das passt nicht in die Kriegspropaganda. Auf den Medienkanälen, die im Namen von Kadyrov persönlich agieren, werden die ASOW-Leute in volksverhetzender Manier beschimpft. Am 1. 4. 2022 beispielsweise als „Bandera-Schakale, Nazis sowie Teufel aller Couleur“. Kadyrov droht unverblümt Rache an, droht die ASOW-Leute zu „bestrafen“, sie zu liquidieren, sie „auszurotten“, ihnen ein qualvolles Ende zu bereiten. Heute heißt es in einer Internetbotschaft:

„Die Nazis sind in die Enge getrieben und haben nur zwei offensichtliche Möglichkeiten: Entweder sie legen freiwillig ihre Waffen nieder und werden für ihre unmenschlichen Aktivitäten zur Rechenschaft gezogen, oder ihre durchbohrten Körper werden ohne Ehrungen oder Plaketten der Erde übergeben. Das ist das Endergebnis!“

oder um 12.38 Uhr:

"Für einen verwundeten tschetschenischen Kämpfer vernichten wir zehn Bandera-Handlanger. Selbst der kleinste Kratzer unserer Krieger bleibt nicht ohne unmittelbare Vergeltung! Die Einheit meines lieben BRUDER Sultan Rashayev "Wrestler" vollstreckt dieses Urteil sofort. Wild und furchtlos, wenn es um die Ehre und das Blut ihrer Brüder geht, verzeihen die Tschetschenen niemals den Schaden, den sie angerichtet haben! Weiter so, Brüder! Zerschmettere diesen nationalistischen Dämon! Hinter dir stehen die Wahrheit, Tapferkeit und Tausende von Brüdern, die bereit sind, jeden Feind zu brechen, der es wagt, in deine Richtung zu schießen!"

Da Oberbefehlshaber Kadyrov mit derartigen Posts auch seine eigenen Soldaten „motiviert“ haben sie faktisch den Charakter von militärischen Befehlen, die zur Vernichtung der ASOW-Leute anhalten.

Schon jetzt werden alle Männer, die Putins Tschetschenen in Mariupol aufgreifen, entblößt und daraufhin gefilzt, ob sie ukrainsche Armee- oder gar ASOW-Angehörige sind. Offenbar werden sie gefoltert, um ihnen militärisch relevante Informationen abzupressen. In Kadyrovs Videobotschaft werden gefangene ukrainische Soldaten „interviewt“, die im Gesicht rot-blaue Stellen aufweisen. Manche sind so gefilmt, dass ihr Gesicht nicht komplett zu sehen ist. Ob die Video "echt" sind oder Fälschungen um die Gegenseite zu demoralisieren, ist derzeit nicht verifizierbar. 

Der Einsatz der Tschetenschen Spezialtruppe verstößt offensichtlich in mehrfacher Hinsicht gegen internationale Konventionen zur Kriegsführung.

Foto: Russischer Propaganda-Video: Scheinhinrichtung. Ob Szene gespielt oder echt ist, ist nicht so relevant. Es spornt die Soldaten der Russischen Armee und ihrer Alliierten an, so zu verfahren.

Manches spricht dafür, dass selbst die Tschechenen den ukrainischen Widerstand und ihre Aufgabe unterschätzt haben. Erst gestern wurde eine größere Tschetschen-Truppe im Gebiet von Luhanks aufgerieben. Die Tschetschenischen Söldner sind dort und im Donbas eingesetzt, um das gesamte Gebiet für Putin zu erobern. Die Spezialeinheiten für Straßenkämpfe und „Säuberungen“ scheinen dafür besser geeignet als die russische Armee, die sich auf Bomben und Luftangriffe konzentriert. Die Tschetschen rüsten und bilden dazu auch „Freiwillige“ im Donbas aus. Martialische Selbstdarstellung und Großmäuligkeit gehen zusammen. Vor einer Woche hatte Kadyrev behauptet, das Rathaus von Mariupol besetzt zu haben. Davon kann keine Rede sein. Kadayrov ist ist bisher offenbar nicht einmal gelungen in der Innenstadt von Mariupol Fuß zu fassen. Statt dem Rathaus hatten sie irrtümlich „nur“ ein Verwaltungsgebäude am Stadtrand „erobert“ und ihre Fahne auf dem Dach gehisst. Dabei verhielten sie sich dermaßen siegestrunken, dass ihr Anführer angeschossen wurde. Seither gehen die Tschetschen vorsichtiger vor. Allerdings entspricht es der unerbittlichen Logik von Putins Krieg, das die Methoden und verbalen Aufrufe der Tschetschenen jetzt offenbar immer brutaler werden. Sie bereiten den Endkampf mit dem ASOW-Regiment vor. Wenn kein Wunder geschieht, wird das in ein Gemetzel münden.