Rezensiert von Joachim Goertz

Die politischen Morde der Staatssicherheit – so lautet der Untertitel des neuesten Buches der Autorin und DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier. Keine juristische Anklageschrift, kein wissenschaftliches Sachbuch, sondern ein politisches Plädoyer, den verbrecherischen Charakter der kommunistischen SED-Diktatur zu entlarven. Deren menschenverachtenden „Humanismus“ nicht nur in seinen Wirkungen, sondern auch in seinen zugrundeliegenden Motiven aufzuzeigen, ist freilich eine Herkules-Aufgabe, die in der politischen Landschaft der Bundesrepublik kaum jemand den Mut hat, anzupacken. Stellt diese doch nicht nur Lebenslügen der Vergangenheit in Frage, sondern auch solche gegenwärtiger Gerechtigkeits- und Versöhnungsvisionen. Dass Freya Klier eine solche mutige Frau ist, hat sie auch mit diesem Buch wieder bewiesen. Dabei ist ihr durchaus bewusst, dass eine juristische Überführung der Täter schon allein deswegen unmöglich erscheint, weil davon auszugehen ist, dass relevante Unterlagen – wenn überhaupt vorhanden – vernichtet worden sind. Aber das MfS wird die Toxdat-Studie (Seite 241-248) auch nicht aus rein theoretischem Interesse gemacht haben.

Im Internetzeitalter scheint sich die Sensibilität für die zersetzende Wirkung von Gewaltandrohungen und -akten zu vergleichgültigen, sodass die Empörung bei denen zu verbleiben scheint, die sowieso von der Unbarmherzigkeit und Erbärmlichkeit kommunistischen Handelns und Denkens überzeugt sind.

Aber gerade deswegen ist es umso verdienstvoller, dass sich Freya Klier der Aufgabe annimmt, die – bei weitem nicht nur stalinistische – Maske des DDR-Unrechtsstaates zu entblößen.

Freilich mag man einwenden: Nicht jeder nicht zu erklärender Unfall, nicht jede zu Tode führende Krankheit eines DDR-Dissidenten oder Kritikers des realen Sozialismus muss im Wirken der Staatssicherheit begründet sein. Auch mag der Drang zur Vollständigkeit die Zweifel im einzelnen Fall zur negativen Verallgemeinerung befördern. Aber hier kann wohl nur der vor Grenzüberschreitungen warnen, der sich selbst in deren Nähe wagt. Michael Gartenschläger, Werner Teske und Wolfgang Welsch stehen nun einmal als Menetekel an der Wand der DDR-Geschichte.

Man muss um dieses Buch nicht viele Worte machen – Christian Sachse, Hubertus Knabe, Felix Kellerhof u.a. haben es angemessen gewürdigt. Man muss auch nicht in Wut oder Empörung erstarren.

Ich kann nur eindringlich zum Lesen dieser beklemmenden Beschreibung ermuntern und darauf hoffen, was Jesus seinen Jüngern auf dem Weg nach Emmaus als Frage stellte – nämlich zu verstehen, was sie da lesen.

Vielleicht fühlt sich die historische und politische Zunft herausgefordert, diesen gleichsam als Vermächtnis daherkommenden Recherchen von Freya Klier weitere folgen zu lassen, die am Ende zeigen, welche verwüsteten Landschaften dieses Experiment am Menschen hinterlassen hat.

 

 

 

Freya Klier „Unter mysteriösen Umständen“, Herder, Freiburg im Breisgau, 2021

Rezensiert von Joachim Goertz

Die politischen Morde der Staatssicherheit – so lautet der Untertitel des neuesten Buches der Autorin und DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier. Keine juristische Anklageschrift, kein wissenschaftliches Sachbuch, sondern ein politisches Plädoyer, den verbrecherischen Charakter der kommunistischen SED-Diktatur zu entlarven. Deren menschenverachtenden „Humanismus“ nicht nur in seinen Wirkungen, sondern auch in seinen zugrundeliegenden Motiven aufzuzeigen, ist freilich eine Herkules-Aufgabe, die in der politischen Landschaft der Bundesrepublik kaum jemand den Mut hat, anzupacken. Stellt diese doch nicht nur Lebenslügen der Vergangenheit in Frage, sondern auch solche gegenwärtiger Gerechtigkeits- und Versöhnungsvisionen. Dass Freya Klier eine solche mutige Frau ist, hat sie auch mit diesem Buch wieder bewiesen. Dabei ist ihr durchaus bewusst, dass eine juristische Überführung der Täter schon allein deswegen unmöglich erscheint, weil davon auszugehen ist, dass relevante Unterlagen – wenn überhaupt vorhanden – vernichtet worden sind. Aber das MfS wird die Toxdat-Studie (Seite 241-248) auch nicht aus rein theoretischem Interesse gemacht haben.

Im Internetzeitalter scheint sich die Sensibilität für die zersetzende Wirkung von Gewaltandrohungen und -akten zu vergleichgültigen, sodass die Empörung bei denen zu verbleiben scheint, die sowieso von der Unbarmherzigkeit und Erbärmlichkeit kommunistischen Handelns und Denkens überzeugt sind.

Aber gerade deswegen ist es umso verdienstvoller, dass sich Freya Klier der Aufgabe annimmt, die – bei weitem nicht nur stalinistische – Maske des DDR-Unrechtsstaates zu entblößen.

Freilich mag man einwenden: Nicht jeder nicht zu erklärender Unfall, nicht jede zu Tode führende Krankheit eines DDR-Dissidenten oder Kritikers des realen Sozialismus muss im Wirken der Staatssicherheit begründet sein. Auch mag der Drang zur Vollständigkeit die Zweifel im einzelnen Fall zur negativen Verallgemeinerung befördern. Aber hier kann wohl nur der vor Grenzüberschreitungen warnen, der sich selbst in deren Nähe wagt. Michael Gartenschläger, Werner Teske und Wolfgang Welsch stehen nun einmal als Menetekel an der Wand der DDR-Geschichte.

Man muss um dieses Buch nicht viele Worte machen – Christian Sachse, Hubertus Knabe, Felix Kellerhof u.a. haben es angemessen gewürdigt. Man muss auch nicht in Wut oder Empörung erstarren.

Ich kann nur eindringlich zum Lesen dieser beklemmenden Beschreibung ermuntern und darauf hoffen, was Jesus seinen Jüngern auf dem Weg nach Emmaus als Frage stellte – nämlich zu verstehen, was sie da lesen.

Vielleicht fühlt sich die historische und politische Zunft herausgefordert, diesen gleichsam als Vermächtnis daherkommenden Recherchen von Freya Klier weitere folgen zu lassen, die am Ende zeigen, welche verwüsteten Landschaften dieses Experiment am Menschen hinterlassen hat.