Hanno Hochmuth “Berlin. Das Rom der Zeitgeschichte”

Ch.LinksVerlag Berlin 2024

rezensiert von: Joachim Goertz

Wer heutzutage mit einem Berlin-Buch Resonanz finden will, der muss wohl schon mit dem Titel Aufmerksamkeit erheischen. Oder er muss sich bereits mit anderen Veröffentlichungen zu ähnlichen Gegenständen einen Namen gemacht haben. Hanno Hochmuth erfüllt beide Notwendigkeiten. Nach “Kiezgeschichten. Friedrichshain und Kreuzberg im geteilten Berlin” 2017 als Autor, “Stadtgeschichte als Zeitgeschichte. Berlin im 20. Jahrhundert” 2019 und “Traum und Trauma. Die Besetzung und Räumung der Mainzer Straße in Ostberlin” 2020 als Mitherausgeber nun also “Berlin. Das Rom der Zeitgeschichte”. Ein ambitionierter Titel, den der Autor herleitet, indem er sich u.a. auf John F. Kennedy und den ehemaligen Berliner Kulturstaatssekretär Andre Schmitz beruft. Zwischen Mythos, Raum und Zeit verortet er die Geschichte Berlins im 20. Jahrhundert und entgeht so den Schwierigkeiten einer chronologischen Darstellung der Geschichte des immerhin 28 Jahre geteilten Berlins. Stattdessen blättert er ein buntes Kaleidoskop geschichtsträchtiger Orte und Zeiten auf, die sowohl den unkundigen als auch den vorgebildeten Leser Dinge und Zusammenhänge erkennen lässt, die neue und auch überraschende Einsichten ermöglichen. Wussten Sie z. B. wo Wilhelm Gladow wohnte und sich als fast 18 jähriger vor seiner Verhaftung eine Schießerei mit der Polizei lieferte? In 17 Abschnitten, in denen jeweils 3 mehr oder weniger bekannte Orte Berlins vorgestellt werden, nimmt uns der Autor auf eine Stadtführung mit, die man sich auch mit  Hilfe der zwischen Inhaltsverzeichnis und Einleitung abgedruckten und markierten Karte erschließen kann. Den seit 35 Jahren in Ostberlin überwiegend im Dreiländereck Friedrichshain, Prenzlauer Berg und Mitte lebenden  Rezensent interessiert natürlicherweise besonders die Orte, die in seinem Lebensumfeld eine Rolle spielten. Die Ausführungen im Abschnitt “Stadt des Friedens” zur Stasi-Zentrale in der Normannenstrasse fassen die Geschichte dieses Komplexes in all seiner Komplexität kompakt, freilich nur unvollständig zusammen. Der “Campus der Demokratie” ist immer noch ein uneingelöstes Versprechen. Überraschend taucht auch die Friedensbibliothek und Antikriegsmuseum in der Bartholomäuskirche auf. Allerdings ist diese Einrichtung vor 25 Jahren in das Haus der Demokratie in der Greifswalder Straße 4 umgezogen, sodass die Überschrift “die Bartholomäuskirche” auch insofern irreführend ist, dass das im März 1945 zerstörte und von 1954 bis 1957 wiederaufgebaute Kirchengebäude gar nicht vorgestellt wird. Stattdessen wird das 1913 vor der Kirche errichtete Denkmal des 1813 erschossenen Alexander von Blomberg abgebildet. Der Autor findet es bemerkenswert, dass die DDR-Oberen nichts gegen die Friedensbibliothek unternommen hat, obwohl die sich doch direkt an der Protokollstrecke der SED-Führung von Wandlitz zum ZK-Gebäude und Staatsrat befand. Meine These: Die Friedensbibliothek hat in ihren Ausstellungen nie direkt die Friedenspolitik der DDR thematisiert, was in der Umweltbibliothek in der Zionsgemeinde dagegen geschah. Dem knapp 300 Seiten starken Buch ist auf jeden Fall eine mindestens so grosse Verbreitung zu wünschen wie den Berlin- Büchern von Jens Bisky, Peter Wensierski, Elke Kimmel und Stefan Wolle- allesamt erschienen im verdienstvollen Ch.LinksVerlag.