Als „Rechts“ abgestempelt-Ostwesterfahrungen eines ehemaligen politischen Häftlings.

Der Autor, der aus der DDR in den Westen floh, sieht sich oft-zu unrecht, wie er meint, als rechts und rechtspopulistisch stigmatisiert,

von Hartmut Richter

Seit dem 27. August 1966 bin ich Bürger der „Selbständigen politischen Einheit“ West-Berlin.1 Auf abenteuerliche Art und Weise habe ich mich gewissermaßen selbst aus der Staatsbürgerschaft der „DDR“, die ich als Leibeigenschaft empfand, entlassen. Mit schützender Hand Dritter gelang mir damals die Flucht durch den Teltowkanal nach West-Berlin.
18 Jahre alt mit Hafterfahrung wegen eines misslungenen Fluchtversuchs hätte ich mit den Tschekisten2 „kooperieren“ müssen, um mich überhaupt beruflich entwickeln zu können. So feiere ich das Datum meiner gelungenen Flucht, den 27. August, alle Jahre wieder und das mehr als meinen Geburtstag Ende Januar.

Im alten West-Berlin tobten damals Gleichaltrige, meist im Westen sozialisierte, sich fortschrittlich fühlende Studentinnen und Studenten, mit Mao-Abzeichen und stechenden Blicken durch die City. Mit Ho-Ho-Ho-Chi Minh - Rufen erschreckten sie ältere Menschen, „Wilmersdorfer Witwen“ im Café Kranzler. Gegen den Krieg in Vietnam war ich auch. Aufgrund meiner Sozialisation konnte ich allerdings keine Alternative zur Ausbeutergesellschaft, dem vermeintlichen "Schweinesystem", im SED-Regime sehen. Linke Studenten, Mitglieder der APO, Menschen, die sich der Bundeswehr entziehen wollten, sahen Andersdenkende schnell als rechts, zum Faschismus tendierend oder bestenfalls dumm, von westlichen Medien, vor allem der Springerpresse manipuliert. So sahen mich später auch friedensbewegte Menschen, die fanatisch gegen die Stationierung der Mittelstreckenraketen in der alten Bundesrepublik demonstrierten. Sowjetische SS 20 galten manchen sogar als friedenssichernd.

Mit Beginn der Entspannungspolitik unter Brandt und Bahr, 1963, wurden - niemand glaubte damals mehr an eine Vereinigung - die Verhältnisse im Ostblock weichgezeichnet. Die Verbrechen Stalins wurden kaum noch thematisiert. Mit Diplomatie und Devisen - unter Ausschluss der Öffentlichkeit versteht sich - wissend, dass Menschen im Ostblock, der DDR, besonders für die schrecklichen NS-Verbrechen zu büßen hatten, versuchten Vertreter der alten Bundesrepublik die Freiräume der Menschen auch im Osten zu erweitern. Dissidenten, freigekaufte politische Gefangene - jeder von ihnen hätte eigentlich psychologisch betreut werden müssen - wurden ermahnt, doch bitte nicht mit Journalisten über die Hafterlebnisse und subtileren Methoden des MfS "feindlich-negative Kräfte zu liquidieren" zu sprechen. Dies würde den komplizierten Prozess des Wandels durch Annäherung, die diplomatischen Bemühungen gefährden. Journalisten und ehemals Inhaftierte, die sich an diese Weisungen nicht hielten, wurden bestenfalls als kalte Krieger, manchmal jedoch, je nach Weltsicht mit direkter und indirekter Unterstützung des MfS und KGB - heute besorgt dies etwas subtiler RT - als Faschisten gebrandmarkt. Ich will damit sagen oder schreiben, dass noch immer recht inflationär Menschen mit abweichender Meinung eilfertig als rechts, rechtspopulistisch stigmatisiert werden, besonders von Menschen eben, die ihre elitäre linke, mitunter auch marxistisch-leninistische Weltsicht als einzigartig und fortschrittlich sehen, sich gewissermaßen als Avantgarde fühlen. Sahra Wagenknecht bezeichnet diese Klientel heute als linker Mainstream.

Ich gestehe, dass ich einst gegen naive Entspannungspolitiker agierte, sah auch mitunter in der von ihr propagierten Politik des „Wandels durch Annäherung“ eine nicht uneigennützige Anbiederung an das SED-Regime. Nach der Implosion des Sowjetimperiums waren es einst von der Stasi direkt und indirekt unterstützte Rechtsextreme, die im Osten ideale Bedingungen vorfanden. Nicht wenige Linke im Westen mit verinnerlichtem Hass auf die USA, die Ostküste, sahen in der Implosion des Sowjetimperiums auch ihre Ideale schwinden. Wenn sie erfolgreich den Weg durch Institutionen und Medien angetreten hatten, konnten sie als Steigbügelhalter für alte SED-Eliten wirken.

Schrecklich waren Ausschreitungen gegen Ausländer im Beitrittsgebiet. Historiker:innen, bis zum Fall der Mauer mit der Aufarbeitung der schrecklichen NS-Verbrechen befasst, konnten Ihre Arbeit - die Verhältnismäßigkeit möchte ich nicht hinterfragen - nun gleich mit der Suche nach rechtem Gedankengut, vielleicht einem Nazigen in uns im Osten, fortsetzen. Mit warnenden Worten wie „der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ agierten Gegner der Vereinigung gegen den Beitritt. Hofften SED-Hardliner und ihr Schild und Schwert doch bis zur und gleich nach der Grenzöffnung noch immer auf die chinesische Lösung. Diese wäre jedoch nur mit der Unterstützung sowjetischer Panzer möglich gewesen. Ich vernahm wie einst von der Stasi gehätschelte Linke im Westen den alten Genossen im Osten zu erklären versuchten, was sie bei der Umsetzung des Marxismus von der Theorie in die Praxis falsch gemacht hätten. Da freute ich mich dann heimlich. Ich gestehe es.

Die Aufarbeitung realsozialistischen Unrechts geschah doch von Anfang an sehr kontrolliert. Letztlich setzten erst Bürgerrechtler es mit spektakulären Hungerstreiks durch, dass primär alle von der Stasi als "zu liquidierende feindlich negative“ bearbeiteten „Objekte“, wie auch ich,  das Recht bekamen in diese Stasiakten Einsicht zu nehmen.

Zu resümieren bleibt, dass m ehemals durch Stasi und das SED-Regime Verfolgte, ihre ihnen zugefügten Beschädigungen selbst zu beweisen haben, um ihnen eigentlich zustehende Entschädigungen zu bekommen. Das  traumatisiert viele ehemals Verfolgte zusätzlich, müssen sie doch stets Verdrängtes plötzlich wieder in Anträgen formulieren. Sie sehen und erleben, dass in dafür zuständigen Ämtern wie den Landesämtern für offene Vermögensfragen alte SED-Kader sitzen. Bei gesundheitlichen Beschädigungen muss die Ursächlichkeit nachgewiesen werden. Ein gesellschaftlichen Klima, in dem das SED- nicht als Unrechtsregime, die DDR auch bitte nicht als Unrechtsstaat bezeichnet werden darf, mit alten DDR-Symbolen und Devotionalien straffrei Aufmärsche stattfinden dürfen, haben es ehemals Verfolgte sehr schwer, überhaupt auch gesellschaftliche Anerkennung zu finden.

Alte Obristen des SED-Regimes versuchen heute, wohl um sich vor Kindern, Enkelkindern zu rechtfertigen, ihre Verstrickung und Verantwortung zu relativieren. Auch dabei können sie auf Unwissenheit in weiten Teilen der Bevölkerung und Unterstützung durch alte Genossen der Folge-SED setzen.

Trotz allem distanziert sich die Mehrheit ehemals Verfolgter von Menschen und Parteien, die einfache Lösungen anbieten. Eine Unverhältnismäßigkeit sehe ich darin, dass einerseits zurecht gegen Rechtspopulismus mitunter frenetisch agiert wird, andererseits linkspopulistische Äußerungen, wie „Die Reichen sollen alles bezahlen“, kaum noch wahrgenommen werden.

Anmerkungen:

1 So bezeichnete die DDR Westberlin, um deutlich zu machen, dass WB nicht Teil der Bundesrepublik ist, während im Westen, die Bindungen betont wurden, obwohl WB kein Bundesland war.

2 Selbstbezeichnung der Stasi-Mitarbeiter wegen des sowjetischen Geheimpolizei-Vorbildes, der Tscheka.

 

Störung einer Veranstaltung in Potsdam

von Stephan Raabe, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung und Leiter des Politischen Bildungsforums Brandenburg

Am 13. Januar 2016 haben wir an der Universität Potsdam in Kooperation mit dem Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) in der Hochzeit der Flüchtlingskrise eine Veranstaltung zum Thema "Flüchtlingsland Deutschland" durchgeführt mit über 500 Teilnehmern. Hauptredner sollte eigentlich der damalige Bundesinnenminister, Dr. Thomas de Maizère, sein, der aber kurzfristig wegen einer Auslandsreise auf Grund eines Attentats in der Türkei mit vielen deutschen Opfern ausfiel. Weitere Podiumsteilnehmer waren die Generalsekretärin von Amnesty International, Selmin Çalışkan, der protestantische Flüchtlingspfarrer Bernhard Fricke, der Leiter des Verfassungsschutzes Brandenburg, Carlo Weber, und der Präsident der Universität, Prof. Oliver Günther, also eine plurale Besetzung.

Die Veranstaltung wurde von einer Gruppe von rund 30 "Antifa"-Leuten eine Stunde lang durch Pfeifen und Sprechchöre blockiert, obwohl wir angeboten hatten, dass zwei Vertreter auf dem Podium mitdiskutieren könnten. Nach Rücksprache mit den Referenten haben wir auf eine Entfernung der Randalierer aus dem Vorlesungssaal durch die Polizei verzichtet. Schließlich zogen die Störer, mit denen keine vernünftige Kommunikation möglich war, ab und die Diskussion konnte doch noch, verkürzt und unter Polizei-Schutz, durchgeführt werden. Bereits im Vorfeld war zur Störung/Verhinderung der Veranstaltung von entsprechenden populistischen Gruppen aufgerufen worden.

Das war die einzige Veranstaltung in den vergangenen zehn Jahren in Brandenburg, in der eine dialogische Einhegung kritischer, kontroverser Meinungen nicht möglich war.

Zur Veranstaltung siehe auch : https://www.kas.de/de/web/brandenburg/veranstaltungen/detail/-/content/fluechtlingsland-deutschland1

 

Demonstraivtäter für Menschenrechte-damals und heute

Von Martin Böttger

Im Jahr 2013 planten NPD und deren Anhänger in Schneeberg (Erzgebirge) sogenannte „Lichtlmärsche“, die sich gegen Asylsuchende richteten. Ich fuhr irgendwann im Oktober hin und nahm in gebührendem Abstand von der rechtsextremen Demo an einer Gegendemo teil. Das behagte mir aber nicht sonderlich, weil ich eine direkte Konfrontation mit den Asylgegnerinnen suchte.

Auf der Rückfahrt erinnerte ich mich an eine Demonstration am 1. Mai 1975 im damaligen Karl-Marx-Stadt, an der ich mit einem selbstgefertigten Transparent als „Einzeltäter“ teilnahm. Auf das Plakat hatte ich den Spruch “FÜR DIE VERWIRKLICHUNG DER MENSCHENRECHTE!“ geschrieben. Ich reihte mich damit unauffällig in den Demonstrationszug ein und gelangte bis zur Tribüne, wo ich auch fotografiert wurde. Der Stasi gelang es aber nicht, mich rechtzeitig aus der Demo zu entfernen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als nur die Fotos in meiner Akte abzuheften.

Ähnliches plante ich nun 28 Jahre später in Schneeberg. Diesmal schrieb ich auf mein Plakat “ASYL IST MENSCHENRECHT”. Damit wollte ich zur NPD-Demo gehen. Die Polizei sah das jedoch anders. Sie sagte: „Gehen Sie zur Gegendemo, die ist gleich nebenan!“ Das wollte ich aber nicht. Schließlich erwartete ich von der Polizei, dass sie nicht nur die beiden Demonstrationen trenne, sondern dass sie auch für meine Sicherheit bei der rechtsextremen Kundgebung sorgen möge. Der Polizist wollte das offenbar nicht und hinderte mich auch weiterhin am Betreten des Terrains der Rechtsextremisten. Und so blieb ich am Rande mit meinem Plakat stehen. Ein Freund fotografierte mich.

Immer wieder versuchte ich, bei PEGIDA und ähnlichen Aufmärschen mit einem selbst gefertigten Transparent aufzutreten. Ich sprach nunmehrvorher mit Polizisten über meine Absicht und es gelang mir schließlich, sie von meiner Harmlosigkeit zu überzeugen. Neben meinem ASYL-Plakat verwendete ich auch gern den Spruch “FLUCHT IST KEIN SPAZIERGANG”, weil sich die PEGIDISTEN in Zwickau auch Spaziergänger nannten. In der Regel war die Polizei in der Nähe und oft auch Journalisten, die dann über meine kleinen Aktionen in der lokalen Presse berichteten.

Meine Freunde betrachteten diese Aktiönchen zuweilen als Heldentaten, was sie aber nun wirklich nicht waren. Ich wurde zwar ab und zu von den PEGIDA-Leuten beschimpft, aber Prügel habe ich dabei noch nie bezogen.

Fazit: Die Erinnerung an frühere, nicht ungefährliche Aktionen in Zeiten der DDR-Diktatur halfen mir, ähnliche Aktionen in einer Demokratie zu probieren. Die Stasi hatte mich vor dem1. Mai 1976 in Karl-Marx-Stadt und am 1. Mai 1980 in Berlin zwar präventiv verhaftet. Aber es blieb in der Regel bei einem Tag, den ich in Gewahrsam verbringen musste. In meiner Akte steht, ich sei ein „Demonstrativtäter“, also auch für die Stasi nicht so gefährlich, dass sie mich für längere Zeit hätte einsperren oder vielleicht auch in den Westen abschieben wollen.

Bin ich heute in den Augen von PEGIDA ebenfalls Demonstrativtäter?