Union der Opferverbände

Festansprache 30 Jahre UOKG1

von Dieter Dombrowski2

Ich habe heute die Aufgabe, die Festrede anlässlich des 30. Gründungstages der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) zu halten. Normalerweise lädt man sich anlässlich eines Jubiläums einen Festredner ein, der dann in angemessener Weise die Arbeit und die Verdienste einer Institution oder einer Person würdigt.

Das hätten wir auch gern so gehabt, aber unsere Bitte an den Präsidenten des Deutschen Bundestages hier eine Festansprache zu halten, war ihm nicht einmal eine ordentliche Absage wert. Vielmehr mussten wir auf telefonische Nachfragen darum bitten, eine Absage zu erhalten. Unsere Bitte diese Einladung an einen der Vizepräsidenten oder Vizepräsidentin des Bundestages weiterzugeben, wurde ebenso brüsk abgelehnt, weil dies nicht üblich sei.

Wir haben unsere Einladung, mit Erläuterung der Vorgeschichte an alle Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages gerichtet. Mit Ausnahme von Petra Pau gab es keine Rückmeldung. Das ist peinlich.

Vielleicht hat es ja auch sein Gutes, wenn Sie sich hier keine widerwillig gehaltene Lobrede anhören müssen, sondern stattdessen eine Rede zu Gehör bekommen, die aus tiefstem Herzen kommt.

Meine Damen und Herren auch wenn dies ein kritischer Anfang meiner Festrede war, möchte ich all denen, die uns in Politik und Verwaltung unterstützt haben, herzlich danken.

Aufrichtig und herzlich möchte ich den Abgeordneten des Deutschen Bundestages danken, die uns unterstützt haben. Es waren nicht so sehr viele, aber umso mehr sind wir jedem einzelnen zu Dank verpflichtet. Nennen möchte ich hier: Ralf Brinkhaus, Gitta Connemann, Elisabeth Motschmann, Arnold Vaatz, Kai Wegner, Dr. Günter Krings, Eckard Pols, Daniela Kolbe, Johannes Selle, Dr. Astrid Mannes, Marian Wendt, Dr. Jan Marko Luczak und Michael Kretschmer, dem heutigen Ministerpräsidenten von Sachsen. Auch bedanken möchte ich mich bei Katrin Budde, Matthias Bartke, Dr. Karl-Heiz Brunner, bei Thomas Hacker, Peter Heidt und abschließend bei Monika Lazar, die ebenso wie Elisabeth Motschmann und Katrin Budde heute hier anwesend ist.

Ich danke auch den Vertreterinnen und Vertretern von Landesregierungen und Landesparlamenten, die uns bei einzelnen Aktivitäten, wie bei der Vorbereitung von Bundesratsinitiativen und Veranstaltungen, unterstützt haben.

Danke auch den Beauftragten in den Ländern für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, die uns immer faire Partner waren. Aber auch der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur möchte ich für die dauerhafte gute Zusammenarbeit danken.

Meine Damen und Herren die Widrigkeiten in der Konversation mit dem Bundestagspräsidenten waren für mich der Anlass darüber nachzudenken, ob der heutige Tag, der 30. Jahrestag der Gründung der UOKG mit der Bezeichnung Festveranstaltung überhaupt den richtigen Namen trägt.

Haben wir eigentlich etwas zu feiern?

Viel schöner wäre es doch, es müsste uns, die UOKG und alle Verbände, die an der Aufarbeitung des SED-Unrechts beteiligt sind, gar nicht geben.

Viel schöner wäre es doch, wenn es dieses Unrecht nicht gegeben hätte oder wenn das geschehene Unrecht wieder gut gemacht wäre.

Beides, meine Damen und Herren, trifft natürlich oder leider nicht zu.

Das Unrecht hat stattgefunden und das Unrecht ist in vielen Bereichen nicht oder noch nicht wieder gut gemacht, soweit das möglich ist.

Darum habe ich meine Festrede unter das Motto dieser Veranstaltung gestellt: “Lindern was nicht zu heilen ist„.

Meine Damen und Herren, auch wenn der Fall der Mauer und des Unrechtsregimes der SED über 30 Jahre und das geschehene Unrecht oftmals noch ein paar Jahrzehnte länger her sind, sind die Wunden nicht geschlossen.

Die von der Landesbeauftragten Maria Nooke im März dieses Jahres vorgestellte repräsentative Studie über die soziale Situation der SED-Opfer im Land Brandenburg gibt das wieder, was viele von uns befürchtet haben. Aber nun ist es Gewissheit.

Die Studie belegt, dass die Opfer der SED-Diktatur doppelt so häufig wie der Durchschnitt der Bevölkerung in prekären Verhältnissen leben und dass die SED-Opfer doppelt so häufig als der Durchschnitt der Bevölkerung von chronischen Krankheiten betroffen sind.

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass die SED-Opfer, denen es deutlich schlechter geht als dem Durchschnitt der Bevölkerung, eine deutlich höhere Zustimmung zu den Institutionen unseres Rechtsstaates und damit zu unserer Demokratie dokumentieren.

In Kurzfassung könnte man das Ergebnis aus Sicht der SED- Opfer so zusammenfassen: Wir werden schlecht behandelt, aber wir stehen zu diesem Staat.

Ich möchte betonen, dass es sich hier nicht um Einzelmeinungen handelt, sondern um repräsentative Befunde. Im Land Berlin ist diese Studie gerade in Arbeit und ich denke, sie wird zu keinem anderen Ergebnis kommen, weil es das ist, was wir, die Opferverbände, von den Menschen hören, die sich an uns wenden.

Natürlich ist nicht jede Klage wirklich berechtigt, aber die Zahl der Klagen und Beschwerden, die in der Sache begründet sind, können nicht ignoriert werden. Ich möchte nur ein paar Beispiele nennen:

Da sind die Zwangsausgesiedelten. Das sind die Menschen die 1952 und 1961 unter dem Namen „Aktion Ungeziefer“ binnen drei Stunden ihre Häuser in Grenznähe räumen mussten. Betroffene sind heute anwesend, damals noch Kinder und Jugendliche, die zum ersten Mal in ihrem Leben ihre Eltern rat- und hilflos sehen mussten. Die zusehen mussten, wie Fremde ihr Hab und Gut auf LKWs verladen, um sich in eine unbekannte neue Heimat zu transportieren lassen zu müssen, wo sie als Kriminelle angekündigt wurden.

Diese Menschen warten bis heute auf Wiedergutmachung oder Entschädigung und nach meinem Eindruck geht es hier auch um Gerechtigkeit für die Eltern der Anwesenden.

Ich denke auch an die politischen Häftlinge, die Zwangsarbeit erdulden mussten. Geschuftet haben politische Häftlinge in Außenstellen von volkseigenen Betrieben, wo sie Waren produzierten, die zum großen Teil durch den innerdeutschen Handel nach Westdeutschland gelangten und dort unter Handelsnamen wie REVUE, Porst, Kunert und Sayonara Strumpfhosen, als Privileg Elektrogeräte als Möbel von Ikea u.v.m. wieder auftauchten.

Einzig IKEA hat sich frühzeitig zur Verantwortung und Wiedergutmachung bereit erklärt, auch wenn keine Schuld im juristischen Sinne besteht, wohl aber eine moralische.

Die Deutsche Bahn, Eigner ist hier der Bund, hat vor Jahren eine Studie in Auftrag gegeben über die Zwangsarbeit von politischen Häftlingen bei der Deutschen Reichsbahn. Diese Historikerstudie kommt zu einem eindeutigen Ergebnis, nämlich, dass die politischen Häftlinge für Arbeiten eingesetzt wurden, die kein anderer machen wollte bzw. aus Arbeitsschutzgründen durfte. Die Unfallhäufigkeit unter politischen Zwangsarbeitern, so stellt die Studie fest, war ungleich höher als im normalen Betrieb.

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Herr Grube, äußerte sich zu den Gefangenentransportwaggons dem sogenannten Grotewohl Express, die an die Linienzüge angehängt wurden, wie folgt: „So würde man heute nicht mal Schweine transportieren“.

Grube hat sich damals aus moralischer Verantwortung dazu bereit erklärt, dass sich die Deutsche Bahn aus moralischen Gründen zur Wiedergutmachung bekennen würde, wenn der Gesellschafter, also der Bund, dies befürwortet. Der Bund und der Aufsichtsrat haben diesem Anliegen eine Absage erteilt, weil es keine juristische Schuld gäbe.

Damit ist der Bund ein negatives Beispiel.

Während IKEA die Bundesregierung schriftlich gebeten hat, bei der Überzeugungsarbeit zur freiwilligen Unterstützung eines Hilfsfondsbei der Wirtschaft zu werben, die von der Zwangsarbeit politischer Häftlinge profitiert haben, haben private Unternehmen mit derselben Begründung wie der Bund jedwede Verantwortung zurückgewiesen.

Nur zur Erinnerung, das ist der gleiche Bund, der kürzlich in einem Lieferkettengesetz von allen deutschen Importeuren verlangt, dass alles Menschenmögliche getan werden muss, um Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen bei der Produktion von Gütern für den deutschen Markt ausschließen zu können.

Eigentlich bedarf es keines Gesetzes um anständig zu handeln. So viel zur Glaubwürdigkeit der Politik an dieser Stelle.

Ein Dank an das Management von IKEA, dass für sich entschieden hat, eine moralische Mitverantwortung zu übernehmen.

Eigentlich sollte die öffentliche Hand Vorbild sein, aber gut, hier ist es bisher noch anders.

Sie kennen alle das freundliche Versandhaus Otto. Otto hat fast alle deutschen Versandhäuser gekauft bzw. die Namensrechte erworben. Fast alle deutschen Versandhäuser haben Produkte aus der DDR und Produkte, die unter Zwangsarbeit politischer Häftlinge produziert wurden, verkauft und gutes Geld verdient. Ehemalige politische Häftlingsfrauen haben sich an die Firma Otto gewandt und um Auskunft über den Bezug von Produkten aus der Zwangsarbeit politischer Häftlinge in der DDR zu erhalten. Die Firma Otto hat den traumatisierten Frauen in den Antwortschreiben für die Zuschriften gedankt und Mitgefühl bekundet. Im Weiteren hat Otto klargestellt, dass dem Unternehmen keine derartigen Geschäfte bekannt seien und es keine juristische Verantwortung für das Unternehmen gäbe. Daher könne man leider nicht helfen. Dann folgt der Hinweis, dass die Weitergabe des Antwortschreibens oder auch das Zitieren aus der Antwort untersagt wird. Der Bund verhält sich hier nur wenig anders als die Firma Otto.

Das ist Deutschland 2021!

Ich denke auch in diesem Zusammenhang an die Menschen, die in politischer Haft und bei der Zwangsarbeit zu psychischen und physischen Schäden gekommen sind. Diese Menschen haben praktisch die Möglichkeit einen Antrag auf Anerkennung ihrer Schäden zu stellen, aber sie haben nur theoretisch die Möglichkeit, dass diesen Anträgen stattgegeben wird.

Diese Geschädigten müssen nämlich nach Gesetzeslage den Nachweis erbringen, dass ihr Schaden aus der Haft herrührt. Da es in der DDR offiziell keine politischen Gefangen, sondern nur Kriminelle gegeben hat, ist natürlich auch über das Unglücksschicksal dieser betroffenen Menschen nicht Protokoll geführt worden.

Ich möchte die Leistungen bei der Aufarbeitung des SED-Unrechts nicht kleinreden. Kein Land dieser Welt, dass eine Diktatur hinter sich gebracht hat, hat die Aufarbeitung des Unrechts und die Transparenz der Aufarbeitung so konsequent absolviert wie wir hier in Deutschland.

Aber wir müssen diesen Weg auch mit Respekt voreinander zu Ende gehen und nicht irgendwo stehen bleiben, weil wir glauben, es wäre alles schon so lange her und alles schon erledigt.

Nur ein Beispiel: Vor fünf Jahren bin ich im Deutschen Bundestag auf Werbetour gewesen um 75.000 € für das Projekt Aufklärung der politischen Zwangsoptionen in der DDR zu akquirieren. Unter anderem war ich bei dem Haushaltspolitiker Kahrs, aus Hamburg. Herr Kahrs merkte an: „Das ist doch schon so lange her“.

Ich habe mutig geantwortet: „Herr Kahrs, sie würden so etwas nicht über die NS-Zeit sagen“. Weiter habe ich ihm ins Gesicht gesagt, selbst wenn es nur einen einzigen Fall gäbe, in dem eine politische Zwangsadoption vermutet werden könnte, wäre es unsere gemeinsame Pflicht alles Menschenmögliche zu tun, um dieses eine Schicksal so oder so aufzuklären. „Wir sind hier nicht in Mexiko“, habe ich ausgeführt, „wo ganze Gruppen von jungen Frauen oder Männern verschwinden ohne das einer außer den Angehörigen nach ihnen sucht“.

Natürlich ist die Förderung des Projektes Aufklärung der Zwangsadoption auf den Weg gebracht worden, aber erschütternd und empörend fand und finde ich diese Einstellung.

Meine Damen und Herren, ich möchte ein letztes Beispiel anführen, um darzustellen, dass ein Gesetz zwar rechtmäßig und dennoch ungerecht sein kann.

Die Flüchtlinge, die lange vor dem Fall der Mauer in den freien Teil Deutschlands geflüchtet sind, sind in das Rentensystem eingepflegt worden. Dazu erhielten alle Rentenverläufe für die in der DDR geleistete Arbeitszeit das Kürzel FRG (Fremdrentengesetz). Nach der Wiedervereinigung war das Rentensystem insgesamt neu zu regeln und die 17 Millionen DDR-Bürger waren in unser Rentensystem aufzunehmen. So weit, so gut und richtig!

Die ehemaligen Flüchtlinge haben die Folgen dieses Rentenüberleitungsgesetzes erst bei der Antragstellung auf ihre Altersrente bemerken können, da die Rente teilweise mehrere 100 € niedriger ausfiel, als es, die Ihnen bekannten Rentenverläufe auswiesen. Die Berechnungsgrundlage FRG wurde gestrichen und ein anderer schlechterer Wert angenommen. Nun, das Gesetz dazu ist wohl rechtmäßig, aber ungerecht.

Warum, werden sie fragen: Nun ja, man hätte den betroffenen Flüchtlingen mitteilen müssen, dass sich bei der Rentenberechnung etwas Grundlegendes geändert hat.

Wenn man diese Betroffenen informiert hätte, dann hätten sie selbst, wie wir’s heute als selbstverständlich ansehen, Privatvorsorge treffen können. Als Rentner kann man aber keine Vorsorge mehr treffen. Auch wenn dieses Gesetz rechtmäßig sein sollte, ist es ungerecht, weil gegen Vertrauen verstoßen wurde.

Wir wissen, dass jede Leistungsveränderung von Versicherungen, Stromlieferanten und so weiter heute den Kunden mitgeteilt werden muss.

Meine Damen und Herren ich möchte auch betonen, dass ich niemanden, der an solchen Entscheidungen beteiligt war und ist, böse Absicht unterstelle, aber ich denke, es ist angesichts der wenigen Beispiele, die ich vorgetragen habe, auch angeraten, aufmerksamer zu sein, wenn es um die Anliegen der SED-Opfer geht.

Hier, meine Damen und Herren, setzen wir große Hoffnungen in die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur, Frau Zupke. Sie wird keine Wunder vollbringen, sie wird aber, das weiß ich, sich tatsächlich für die Anliegen der SED-Opfer einsetzen.

Meine Damen und Herren, ich weiß, dass die Anliegen der SED-Opfer nicht im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses und damit auch nicht im Fokus der Politik stehen. Vielleicht haben 20 Prozent der deutschen eine Verbindung zu dieser Thematik aber die Menschen, über die ich spreche, sind nicht die, die Krawall machen oder gelbe Farbe um die Siegessäule herumschütten, um spektakulär auf sich aufmerksam zu machen.

Wir sprechen hier über ehemalige SED-Opfer, demokratiefeste Bürgerinnen und Bürger, die still leiden.

Das ist nicht recht!

Ich bin sehr dankbar, dass sich die UOKG und damit auch alle unsere Mitgliedsverbände einer wachsenden positiven Aufmerksamkeit in der Politik erfreuen. Wir kriegen Zuspruch von offiziellen Stellen aber auch von Abgeordneten, die unsere Arbeit wertschätzen.

Es gibt aber auch Akteure, die versuchen die SED-Opfer Verbände oder einzelne Persönlichkeiten in ein schlechtes oder rechtes Licht zu rücken.

Die wissenschaftlichen Fakten sind, wie die Studie aus Brandenburg zeigt, andere. Vermutlich steckt dahinter immer noch der Traum von einem Sozialismus, der besser ist als jede andere Weltanschauung.

Dieser Traum sollte ausgeräumt sein!

Da die Arbeit der Opferverbände zu allen Zeiten angefeindet, von Missverständnissen begleitet, oder von glatter Abneigung begleitet wurde, möchte ich anhand der Lebensleistungen ehemaliger Vorsitzender der UOKG auf diese Menschen und deren Hintergründe hinweisen.

Ich erinnere an Lothar Brauer, dem Gründungsvorsitzenden

der UOKG.

Zusammen mit seiner Frau Heidrun gründete er die Initiativgruppe Buchenwald und ihnen ist es zu verdanken, dass die Öffentlichkeit auf die Massengräber im Speziallager Buchenwald aufmerksam wurde. Mit seiner Person verbindet sich ein glaubwürdiger Beginn der Aufarbeitung der politischen Verfolgung in der sowjetischen Besatzungszone und früheren DDR.

Ich erinnere an Roland Bude.

Seit März 1992 war er Vorsitzender der UOKG und im weiteren Vorstandsmitglied bis 2001. Roland Bude wurde im März 1926 in Freiwaldau, Slowakei, geboren. 1943 wurde er als Luftwaffenhelfer verpflichtet, legte 1944 sein Notabitur ab und wurde 1944 zur Wehrmacht einberufen. Er kam an die Ostfront und geriet 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft, aus der er auf abenteuerlichen Wegen flüchten konnte. Er studierte 1947 und 1948 an der Uni Jena Slawistik. Am 13. Juli 1950 wird er verhaftet und am 31. Oktober durch ein sowjetisches Militärtribunal in Schwerin zu zweimal 25 Jahren Straflager verurteilt. Er erhielt keine Möglichkeit sich zu verteidigen oder Entlastungszeugen zu benennen. Das zusammengefasste Strafmaß betrug für Roland Bude 25 Jahre Straflager. Aus der Lagerhaft in Workuta wird er 1955 durch die Bemühungen von Kanzler Adenauer entlassen. Er zog nach München und setzte sein Studium fort. Neben seiner Tätigkeit im Gesamtdeutschen Ministerium engagierte er sich gesellschaftlich bei der Aufarbeitung des kommunistischen Unrechts.

Ich erinnere an Gerhard Finn.

Gerhard Finn war von 1994 bis 2002 Bundesvorsitzender der UOKG. 1945 am ersten Weihnachtsfeiertag wurde er das Opfer einer Kettenverhaftung des sowjetischen Geheimdienstes. Der KGB verhaftete Personen, um sie so lange zu verhören, bis weitere Verdächtige benannt wurden. Mit den neuen Verdächtigen wurde die gleiche Methode praktiziert. Gerhard Finn wurde als sogenannter Werwolf eingeordnet. Wir wissen heute, dass diese Verhaftungen wahllos erfolgten. Nach endloser Untersuchungshaft, begleitet von Misshandlungen wurde er im Mai 1946 in das Speziallager Buchenwald eingeliefert. Von dort wurde er 1948 schwer an Tuberkulose erkrankt entlassen. Gerhard Finn ging nach West-Berlin und engagierte sich zusammen mit Rainer Hildebrand in der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit. Trotz seiner schweren Erkrankung baute er in Verbindung mit dem Roten Kreuz die Suchdienstkartei auf. Er knüpfte Kontakte zu ehemaligen Häftlingen und ermunterte sie aktiv zu werden und Initiativen zu gründen. In seiner Zeit als Vorsitzender der UOKG stabilisierte sich deren Arbeit. Im Beirat der Gedenkstätte Hohenschönhausen trug er wesentlich zu deren starker Aussagekraft über das Unwesen des Kommunismus bei.

Ich erinnere an Horst Schüler.

Horst Schüler wurde 1924 in Potsdam-Babelsberg geboren. Sein Vater war Sozialdemokrat und verstarb schon 1942 im KZ Sachsenhausen. Um weitere Verhaftungen in seiner, als NS-feindlich angesehenen Familie zu vermeiden, meldete er sich freiwillig für die Front. 1946 kehrte er aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Potsdam zurück. Im November 1951 wurde er verhaftet, weil er sich weigerte als Spitzel für den KGB tätig zu werden. Es folgten sechs Monate Untersuchungshaft im KGB-Gefängnis Lindenstraße Potsdam. Das Gefängnis in dem er genau zehn Jahre zuvor als 17-jähriger seinen dort inhaftierten Vater Fritz Schüler besuchte, einen verdienten Sozialdemokraten und Gewerkschafter. Im März 1952 verurteilte ihn ein sowjetisches Militärtribunal wegen Spionage zu 25 Jahren Zwangsarbeit. Es folgte die Verschleppung in die Strafregion Workuta. 1955 kam er wie andere Gefangene durch das Engagement von Kanzler Adenauer frei. 1993 wurde Herr Schüler durch die russische Generalstaatsanwaltschaft rehabilitiert. Seit 1996 war er Sprecher der Lagergemeinschaft Workuta, die bis heute in seiner Nachfolge eine herausragende Arbeit leistet. Von 2001 bis 2007 war Herr Schüler Vorsitzender der UOKG. Da ich die Ehre und das Vergnügen hatte Horst Schüler kennen zu lernen, möchte ich anfügen, dass seine Geradlinigkeit und sein unerschütterliches Bekenntnis zur Demokratie mich stark beeindruckt haben. Von der Bundesrepublik Deutschland wurde er für sein Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse geehrt.

Ihm folgte Rainer Wagner als Bundesvorsitzender der UOKG.

Rainer Wagner wurde 1951 in Weißenfels geboren. Er weigerte sich schon als Schüler beim Aufbau des Sozialismus mitzuwirken. Er verweigerte Jugendweihe, Freie Deutsche Jugend und erhob das Wort in der Schule gegen den SED-Staat. Schon mit 15 Jahren versuchte er seine erste Flucht und wurde zu 14 Monaten Haft verurteilt. 1968 wurde er entlassen, um zugleich erneut einen Fluchtversuch zu wagen. Von 1972 bis 1974 studierte er Theologie. Wegen der Erkrankung seines Sohnes konnte er 1984 in den Westen übersiedeln und engagierte sich in der Vereinigung der Opfer des Stalinismus. 1995 wurde Rainer Wagner rehabilitiert. Er ist ordinierter Pfarrer und ebenfalls Träger des Bundesverdienstkreuzes. Er trug wesentlich dazu bei, Missstimmungen zwischen Opferverbänden zu klären und die Initiativen und Verbände zu einer verstärkten Zusammenarbeit zu bewegen. Unter dem Vorsitz von Rainer Wagner nahm die Forderung nach dem Amt eines Opferbeauftragten ihren Anfang, nun haben wir eine Opferbeauftragte.

Meine Damen und Herren, wenn ich Sie am Leben meiner Vorgänger habe teilnehmen lassen, dann tue ich dies ausschließlich, weil ich ab und an zur Kenntnis nehmen musste, wie abfällig diese verdienten Männer mit ihren Leistungen aber auch den Entbehrungen und Leiden, von dem einen oder anderen Mitbürger, darunter einige Wissenschaftler und Meinungsbildner, behandelt werden.

Meine Vorgänger haben sich ab und an hart zu politischen Vorgängen und Sachverhalten geäußert. Aber diese Männer haben zu Verständigung und Demokratie mehr beigetragen als der eine oder andere Kritiker. Diese Männer und Frauen haben alles Recht der Welt ihre mahnende Stimme zu erheben, wenn die Gefahr droht, Unrecht zu bagatellisieren und nachträglich vermeintlich begründend zu erklären.

Ich danke an dieser Stelle, 30 Jahre nach Gründung der UOKG, diesen Männern und allen Frauen, die die Aufarbeitung des Unrechts in SBZ und DDR vorangebracht haben.

Lasst uns gemeinsam die Kraft aufbringen, um diese Arbeit weiter zu leisten, den Respekt vor den Opfern zu verstärken, und lasst uns vor allem gemeinsam für unsere Demokratie eintreten.

1In dieser Form übermittelt, es gilt das gesprochene Wort.

2Dieter Dombrowski ist Vorsitzender der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG)