„Wir sind das Volk“ – Rechte Geschichtspolitik und die Aufarbeitung der DDR. 

Thesen von  Anja Thiele1

In den vergangenen Jahren sind immer wieder ehemalige DDR-Bürgerrechtler:innen, - Dissident:innen und -Oppositionelle, sowie Teile der „DDR-Aufarbeitungsszene“ in den Blick der medialen Öffentlichkeit geraten. Der Grund: sie hatten mit rechtspopulistisch wirkenden Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht und sich in verfänglich wirkende Nähe zu rechtsextremen Kreisen begeben.2 Die journalistische Berichterstattung beobachtet dieses Phänomen schon länger und hat Umtriebe sowie Netzwerke recht rege dokumentiert3 Inzwischen widmeten sowohl die Amadeu Antonio Stiftung als auch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur dieser Thematik tagesfüllende Symposien, auf denen das Thema erstmalig analytisch, wenn auch kontrovers, diskutiert wurde.

Wissenschaftliche Einordnungen sind bisher noch rar gesät: nur vereinzelt und meist im Kontext größerer Untersuchungen wird versucht, dieses Phänomen zu erklären. Die Historikerin Jenny Wüstenberg beispielsweise macht, ihrem Forschungsschwerpunkt zu Memory Studies entsprechend, die Verfasstheit der deutschen Erinnerungskultur für die Unzufriedenheit jener DDR-Oppositionellen verantwortlich.4 Zwar sei die Erinnerung an die SED-Diktatur innerhalb der deutschen Gedenklandschaft breit repräsentiert, jedoch prallten – laut Wüstenberg – bestimmte Auffassungen konträr aufeinander: festgeschriebene Standards der Geschichtsvermittlung wie Rationalität und Wissenschaftlichkeit stünden dem eher emotional und subjektiv geprägten Erinnerungsansatz der Opfer des SED-Regimes entgegen. Die (wahrgenommene) Diskreditierung dieser emotional-subjektiven Form des Erinnerns führe Wüstenbergs Ansicht nach zu Frustration und treibe Teile der DDR-Aufarbeitungsszene in die Arme rechter Demagogen. Der Religionssoziologe Detlef Pollack wiederum, der für seine Studien zur DDR-Oppositionsbewegung bekannt ist, legt in seinen wesentlich umfassenderen Beobachtungen den Fokus stärker auf psychosoziale Mechanismen der ostdeutschen Bevölkerung.5 Er diagnostiziert bei Teilen der Ostdeutschen ein absichtsvoll-falsches Bewusstsein der Dauerkränkung. Dieses diene einerseits der eigenen Vorteilssicherung und produziere andererseits Ressentiments, die wiederum verträglich und anschlussfähig an rechte und rechtsextreme Protestkulturen seien. Beiden Ansätzen fehlt jedoch eine Auswertung empirischen Materials, die zur vollständigen Erschließung der Thematik geleistet werden müsste.

Unabhängig davon, wie plausibel man die vorgestellten Erklärungen finden mag, sind sich Wissenschaft und Publizistik in einem Punkt einig: Sie konzentrieren sich in der Regel auf die Frage, warum ehemalige DDR-Dissident:innen oder Teile der DDR-Aufarbeitung ins rechte Lager abdriften.

Die DDR im Blick der extremen Rechten

Die Fokussierung auf einzelne Personen und persönliche Beweggründe, die sich letztlich nur schwer identifizieren lassen, ist jedoch wenig produktiv und mitunter problematisch. Zielführender scheint hier, zuerst einen Blick auf rechte und rechtsextreme Ideologien zu werden und explizit danach zu fragen, welche Rolle die DDR und die Wende, bzw. die Deutung und Aufarbeitung der DDR im Denkgebäude der (extremen) Rechten spielen.

Explizit ist danach zu fragen, welche Rolle die DDR und Wende bzw. die Deutung und Aufarbeitung der DDR im Denkgebäude der (extremen) Rechten spielen. Ein solcher ideengeschichtliche Ansatz zeigt: Unabhängig von der konkreten Intention Einzelner waren und sind bestimmte Argumentations- und Deutungsmuster der DDR-Aufarbeitung schon seit langem Bestandteil rechter Geschichtspolitik. Insbesondere die Neue Rechte, eine uneinheitliche, intellektuell gebende Strömungen des Rechtsextremismus, machte sich weitverbreitete konservative Geschichtsdiskurse über die DDR zu eigen, um in deren Fahrwasser ihre eigenen rechtsextremen Positionen zu lancieren. Umgekehrt bedeutet dies: Natürlich sind nicht alle, die sich dieser Deutungsmuster über die DDR bedienten, per se rechts. Aber bestimmte gemeinsame ideologische Nenner begünstigten bereits sehr früh eine geistige Liaison zwischen Teilen der DDR-Aufarbeitungsszene und der Neuen Rechten. Diese Verbindungslinien schlaglichtartig nachzuvollziehen, ist Ziel dieses Essays.

Die SBZ bzw. DDR spielte viele Jahre lang – von 1945 bis in die 1960er Jahre hinein – in der rechten und rechtsextremen Politik keine besonders exponierte Rolle. Innerhalb der „alten“ Rechten, also rechtsextremer Bewegungen, die unmittelbar an den Nationalsozialismus anschlossen und sich zum Teil affirmativ auf diesen bezogen, dominierten in dieser Zeit vor allem geschichtsrevisionistische und revanchistische Kampagnen.6 Ein zentrales Ansinnen stellte die Wiederherstellung des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 dar. In dieser Perspektive galt ganz Deutschland als von den feindlichen alliierten Siegermächten illegal und völkerrechtswidrig „besetzt“ und dreigeteilt, die DDR (bzw. „Mitteldeutschland“) bildete stets nur einen Teil des wiederzuerlangenden Gebietes. Neben diesem konkreten geopolitischen Ziel konzentrierten sich alle Anstrengungen der extremen Rechten dieser Zeit auf die Rehabilitierung der durch Kriegsniederlage und NS-Verbrechen „zerstörten deutschen Identität“. Diese, als Ehrenrettung verstandene, erfolgte über eine massive und unmissverständliche Umdeutung der historischen Realität des Nationalsozialismus: Explizite Leugnung und Relativierung des Holocausts, eine Infragestellung der deutschen Kriegsschuld sowie die Abwehr der Schuld an den nationalsozialistischen Verbrechen im Allgemeinen kennzeichneten das Programm der extremen Rechten.

Erst im Zuge der neuen, entspannungsorientierten Ostpolitik der Bundesrepublik seit den 1960er Jahren richtete sich die Aufmerksamkeit der extremen Rechten erstmals konkret auf die DDR. Insbesondere die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) konnte im Kampf gegen die angebliche Anerkennung der deutschen Teilung, gegen die unterstellte Verharmlosung des Kommunismus und gegen den „Sozialismus“ der SPD Stimmen zu gewinnen.7 Seit Ende der 1960er Jahre wurde dieser Kampf jedoch auch von den in der Opposition befindlichen Unionsparteien geführt, die einen „deutlichen Rechtsschwenk“ vollzogen.8 Im Ergebnis verlor die NPD daraufhin wieder an Zuspruch und versank vorübergehend in der Bedeutungslosigkeit, was eine Krise im bundesdeutschen Rechtsextremismus auslöste. Allerdings zeichnete sich hier bereits die Nähe bestimmter konservativer Positionen zur extremen Rechten im Umgang mit der DDR ab, die für die Geschichtspolitik der „Neuen Rechten“ später zentral werden wird.

Im Zuge des Zerfalls der NPD entstanden in den 1970er Jahren aus Teilen des rechtsextremen Spektrums unter anderem jene „neuen“, auf intellektuelle Erneuerung des Rechtsextremismus abzielenden Bewegungen. Die Rechtsextremismusforschung subsumiert unter dem analytischen Begriff der „Neuen Rechten“ heute jene Akteure, die eine Intellektualisierung und Theoretisierung des Rechtsextremismus mit dem Ziel einer rechten „Kulturrevolution“ anstreben.9 Dabei unterscheidet sich die „neue“ von der „alten“ Rechten weniger in der Ideologie, als in ihren Strategien:10 Nicht über Parteipolitik oder Militanz, sondern über das Einwirken auf den vorpolitischen, d.h. den kulturellen und geistigen Raum, über das Besetzen und Aneignen von Begriffen und Diskursen, etwa in Form von Publikationen oder öffentlichkeitswirksamen Aktionen, erhofft sich die Neue Rechte eine langfristige „Umwandlung von Mentalitäten und Wertvorstellungen“.11 Um überhaupt im Diskurs wahrgenommen zu werden, distanziert sich die Neue Rechte strategisch vom Nationalsozialismus, von explizitem Antisemitismus und Rassismus. Sie verortet sich vielmehr in der Tradition der sogenannten Konservativen Revolution der Weimarer Republik und gibt sich selbst den Anschein, nicht rechtsextrem zu sein.12 Die Selbstbezeichnung „konservativ“ stellt allerdings eine „Camouflage-Strategie“ dar:13 Tatsächlich verfolgt die Neue Rechte einen völkischen Nationalismus, der antidemokratisch, antiliberal und antiindividuell ausgerichtet ist.14 Die programmatische „Selbstverharmlosung“ ist eine zentrale Strategie der Neuen Rechten, um konservative Diskurse mit gezielten Kampagnen zu kapern und auf diese Weise die Grenzen zwischen Rechtsextremismus und Konservatismus bewusst zu verwischen.15 Eines der wichtigsten Themen der neurechten metapolitischen Agitation stellt dabei das Thema der nationalen Identität dar, das auf engste Weise mit der geschichtspolitischen Entsorgung der nationalsozialistischen Vergangenheit verbunden ist.

Neurechte Offensiven nach 1989/90

Die Wende 1989/90 brachte dem bundesdeutschen Rechtsextremismus in vielerlei Hinsicht einen Mobilisierungsschub - sowohl für den militanten Neonazismus unmittelbar nach der Wende als auch für den parteiförmigen Rechtsextremismus gegen Ende der 1990er Jahre16 – aber in ganz besonderem Maße auch für die Neue Rechte. Diese erlebte durch die Wiedervereinigung in den 1990er Jahren ihren eigentlichen Aufbruch – war sie es doch, sie sich vehement für einen „selbstbewussten Nationalismus“ in Deutschland einsetzte. Sowohl die gesellschaftspolitischen als auch die diskursiven Rahmenbedingungen hätten für die Propagierung eines neuen Nationalismus nicht besser sein können.

Bereits seit den 1980er Jahren hatte die konservativ-liberale Regierung unter Kohl eine „Renationalisierung des öffentlichen Bewusstseins“ forciert.17 Wie der Politikwissenschaftler Gerd Wiegel in einer bisher einmaligen Studie zur Parallelität konservativer und neurechter Geschichtsdiskurse herausgearbeitet hat, ging die konservative Renationalisierung mit geschichtspolitischen Vorstößen einher, die mittels symbolischer Handlungen wie z.B. der Bitburg-Kontroverse18 1985 oder öffentlichkeitswirksamen Debatten wie dem Historikerstreit 198619 darauf abzielten, auf breiter gesellschaftlicher Ebene die nationalsozialistische Vergangenheit zurückzudrängen und ein „normales“ nationales Selbstbewusstsein zu ermöglichen.20 Obwohl zivilgesellschaftliche erinnerungskulturelle Initiativen zunehmend institutionalisiert wurden, deutete sich ein diskursiver Rollback der Erinnerungs- und Geschichtspolitik an.21 Die noch Ende der 1980er Jahre umkämpften normalisierenden Positionen gewannen mit dem Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten in Osteuropa sowie der DDR und mit der Vereinigung Deutschlands im Jahr 1990 zunehmend an Boden. Den allgemeinen nationalen Freudentaumel im Zuge der „Einheit“, das behauptete Ende der Nachkriegszeit und die neuen politischen Machtbestrebungen der bundesdeutschen Regierung nutzte die aufstrebende Neue Rechte geschickt, um ihre nationalistische Positionsbestimmung in der Öffentlichkeit zu platzieren. Dabei spielte die Deutung der DDR eine entscheidende Rolle.

Mit den Sammelbänden Westbindung (1993), herausgegeben von Rainer Zitelmann, Karlheinz Weißmann und Michael Großheim, und stärker noch mit dem Band Die selbstbewusste Nation (1994), herausgegeben von Ulrich Schacht und Heimo Schwilk, beabsichtigten die neurechten Akteure, „Deutschland sein Selbstbewusstsein als Land der Mitte zurückzugeben“.22 Vor allem letzterer Band, in dem auch die prominenten Stimmen von Schriftsteller Botho Strauß, Regisseur Hans-Jürgen Syberberg und Historiker Ernst Nolte vertreten sind, fungierte als „Selbstverständnis der sich neu formierenden und ihr Anliegen formulierenden intellektuellen Rechten, wie auch als deren publikumswirksames Coming-Out“.23

Wenngleich die Autoren aus verschiedenen politischen Kontexten stammen – neben erklärten Rechtskonservativen und Nationalliberalen sind auch ehemalige Linke darunter, sowie Personen, die sich bisher politisch kaum positioniert hatten – teilen sie in den Texten Positionen die die Rechtsextremismusforschung übereinstimmend als rechts eingeordnet hat: Die Ablehnung von „Massengesellschaft und Massenmedien, Wohlstand und Demokratie, Pluralismus und Multikulturalismus“.24 Gleichzeitig, so die Literaturwissenschaftlerin Gabriele Kämper, dokumentiert der Band auch die von der Neuen Rechten „angestrebte Transgression zwischen gesellschaftlicher Mitte und ideologischem Rand“.25

Die beiden Publikationen standen jedoch nicht für sich allein, sondern waren in eine publizistische Offensive der Neuen Rechten eingebettet, in deren Zentrum der einflussreiche Revisionist und Historiker Rainer Zitelmann stand. Zitelmann, der zuvor verschiedene NS-relativierende historische Studien, darunter auch seine Dissertation, veröffentlich hatte, war seit 1992 als Cheflektor der Verlage Ullstein und Propyläen beschäftigt und arbeitete später als Ressortleiter der Zeitung Die Welt.26

Nationale Identität und Geschichtsrevisionismus

Die programmatische Rekonstruktion der „nationalen Identität“ wurde von der Neuen Rechten allen voran geschichtspolitisch ausbuchstabiert. Demnach sollte 1989/90 als „Neuanfang und Fortsetzung“ eines neuen, selbstbewussten Deutschlands gedeutet und die zurückliegende Geschichte in diesem Sinne interpretiert werden.27 Die Hauptanliegen der Neuen Rechten lassen sich verkürzt gesprochen auf zwei miteinander verbundene Nenner bringen: Erstens, auf eine „moderate und akademische Form der Geschichtsrevision“28, sprich, einer Revision des Nationalsozialismus. Im Gegensatz zur offenen Holocaustleugnung der „alten“ Rechten zielte diese subtilere Variante darauf ab, die nationalsozialistische Vergangenheit neu zu bewerten und letztlich zu relativieren, um eine positive Identifikation mit der Nation zu ermöglichen. Zweitens, auf eine im Zuge des Zusammenbruchs der DDR umfassende Diskreditierung jeglicher linken Denktraditionen, allen voran des Antifaschismus und des Sozialismus. Diese hatte nicht nur zum Ziel, parteipolitische Gegner wie die PDS/Die Linke zu delegitimieren, sondern stellte sich zudem als weiteres Mittel dar, den Nationalsozialismus auf anderem Wege zu verharmlosen.29 So wurde die längst tot geglaubte Totalitarismustheorie in antikommunistischer und geschichtspolitischer Stoßrichtung wiederbelebt und eine „identifizierende Gleichsetzung von DDR und NS-Regime“, die letztlich einer Relativierung des Nationalsozialismus gleichkam, vorangetrieben. Die eindimensionale Verdammung der DDR wie auch die Relativierung des Nationalsozialismus waren insofern „zwei Seiten des gleichen geschichtspolitischen Revisionismus“ der Neuen Rechten.30

Dabei erwies sich die systematische Verwischung der Grenzen zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus als ein Mittel der Wahl, um die dezidiert rechten Positionen an einen breiten Diskurs anschlussfähig zu machen. So wurden etwa im Rahmen von neurechten Kampagnen regelmäßig Unterstützer:innen rekrutiert, die nicht im Verdacht standen, rechts zu sein. Diese Befürworter:innen trugen zum Teil wissentlich, zum Teil aus Unkenntnis, dazu bei, den neurechten Positionen Aufwind zu verschaffen.

Im Zuge der „moderaten“ Geschichtsrevision etwa wurde 1995 auf Initiative Zitelmanns die neurechte Kampagne Appell 8. Mai 1945 – gegen das Vergessen von einem breiten Spektrum konservativer und neurechter Akteure lanciert. Das in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als Anzeige erschienene Manifest lenkte, ohne auf die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten einzugehen, den Blick auf die vermeintliche „Opferrolle“ der Deutschen, den „Vertreibungsterror“ und die „neue Unterdrückung im Osten“.31 Zu den Unterzeichner:innen gehörten neurechte Akteure wie Dieter Stein (Junge Freiheit), Caspar von Schrenck-Notzing (Criticón), Karlheinz Weißmann sowie Politiker:innen rechter Kleinstparteien wie der Republikaner und der DSU, aber auch rechtskonservative Politiker der CDU/CSU und FDP, sowie ein Politiker der SPD.32 In dieselbe Kerbe schlugen verschiedene, unter der Ägide Zitelmanns, bei Ullstein und Propyläen veröffentlichte Publikationen zum Nationalsozialismus, die der akademische Revisionist und maßgebliche Vordenker der gegenwärtigen Neuen Rechten, Karlheinz Weißmann, verfasst hatte.33

Die Wiederbelebung der Totalitarismustheorie

Im selben Atemzug, wie der Nationalsozialismus mittels solcher Opferinszenierungen und Täter-Opfer-Umkehr, aber auch mittels fragwürdiger Modernisierungstheorien verharmlost wurde34, wurde die untergegangene DDR durch die Re-Etablierung der Totalitarismustheorie dämonisiert. Dazu ist etwa die neurechte Kampagne Berliner Appell: Wehret den Anfängen von 1994 zu zählen, die angesichts eines vermeintlichen Aufstieges eines neuen Sozialismus einen „antitotalitären Konsens“ einforderte und dabei die DDR – allein sprachlich („Wehret den Anfängen!“) – mit dem NS parallelisierte.

Jene Totalitarismustheorie war zunächst im Zuge des Kalten Krieges in den 1950er Jahren populär geworden und bezog sich vor allem auf den Stalinismus der UdSSR, später auch auf die DDR. Sie geriet aber aufgrund ihrer problematischen Implikationen in Westdeutschland in den 1960er und -70er Jahren zunehmend in die Kritik.35 Die vor allem geschichtspolitisch motivierte Gleichsetzung ist hierbei zu unterscheiden von der Möglichkeit des Vergleichs beider Diktaturen, etwa zur wissenschaftlichen Herausarbeitung der Unterschiede.36 Denn inhaltlich setzte die geschichtspolitisch aufgeladene Totalitarismustheorie den Nationalsozialismus und den Kommunismus faktisch gleich, ohne die sich grundlegend unterscheidenden Ideologien zu berücksichtigen. Kritiker:innen wie der Historiker Wolfgang Wippermann haben sie daher selbst als „Ideologie“ bezeichnet.37

Erst seit den 1980er Jahren wurde die Totalitarismusthese unter anderem durch den rechtskonservativen Historiker Ernst Nolte im Historikerstreit wiederbelebt, der behauptete, der „Rassenmord“ der Nationalsozialisten sei nur aus Furcht vor dem „Klassenmord“ der Bolschewiki entstanden. Nach dem Untergang der Sowjetunion und der DDR feierte die Totalitarismustheorie insbesondere in Deutschland eine neue Renaissance und wurde in der Nachwendezeit gar zu dem verbreitetsten Narrativ der Diktaturdeutung.38 Totalitarismustheoretische Ideologeme setzten sich zunehmend als zentrale Deutungsmuster innerhalb führender Institutionen der DDR-Aufarbeitung und der Opferverbände durch; ihre problematischen Implikationen wurden dabei kaum reflektiert.39 Dies führte in der deutschen Aufarbeitung der DDR zunehmend dazu, dass DDR und Nationalsozialismus „als Feinde der Demokratie […] normativ gleich“ gesetzt wurden.40 In seiner Streitschrift Dämonisierung durch Vergleich. DDR und Drittes Reich zeigte Wippermann anhand von empirischem Material, dass verschiedene zentrale Institutionen der DDR-Aufarbeitung das totalitarismustheoretische Paradigma zementierten und zum Teil auch jene Gleichsetzung in der ein oder anderen Form nahelegten. Darunter zählt er unter anderem die zwischen 1993 und 1994 tagende „Enquete-Kommission zur Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur“,41 den Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin, Joachim Gauck in seiner damaligen Funktion als Bundesbeauftragter für die Unterlagen der Staatsicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU)42 sowie Hubertus Knabe, als ehemaligen Leiter der DDR-Gedenkstätte Hohenschönhausen.43 Aber auch andere renommierte DDR-Forscher, wie etwa Konrad H. Jarausch, sowie Antisemitismus- und Rechtsextremismusforscher:innen haben die weite Verbreitung dieses Deutungsansatzes hervorgehoben, ohne Wippermanns Fundamentalkritik zu teilen.44

Insofern ist die Gleichsetzung von DDR und Drittem Reich nicht nur deswegen hochproblematisch, weil sie – wie die historische und politikwissenschaftliche DDR-Forschung hinreichend begründet hat – empirisch nicht haltbar ist: weder war die DDR ein totalitärer Staat, noch sind ihre Institutionen mit NS-Institutionen vergleichbar, noch lassen sich die realsozialistische Ideologie und die nationalsozialistische Ideologie umstandslos miteinander gleichsetzen.45 Eine Gleichsetzung beider Regime ist insbesondere auch deswegen gefährlich, weil sie spätestens seit den 1990er Jahren der (neu-)rechten Ideologie in die Hände spielte und damit auch dazu beitrug, rechtsextreme Ideologeme in der Mitte der Gesellschaft zu verankern und zu normalisieren. Die rechten Geschichtspolitiker der 1990er Jahren nutzten die in weiten Teilen der Gesellschaft und in weiten Teilen der DDR-Aufarbeitung verbreitete Tendenz zur Gleichsetzung von Nationalsozialismus und SED-Regime, um ihre geschichtsrevisionistischen Positionen zur Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen salonfähig zu machen. Das Narrativ diente zudem der in der extremen Rechten weit verbreiteten Rhetorik vom „deutschen Opfer“ und der Täter-Opfer-Umkehr,46 einem klassischen Motiv der deutschen Schuld- und Erinnerungsabwehr:47 Deutsche DDR-Bürger:innen konnten in eine Opferrolle gerückt werden, die gleichauf mit dem Opferstatus der Juden und anderen Verfolgten im Nationalsozialismus steht.

Das geschichtsrevisionistische Hauptanliegen wurde begleitet von einer umfassenden, geschichtspolitisch motivierten Delegitimierung linker Denktraditionen und sozialer Bewegungen, wie z.B. des Antifaschismus. Dabei ging es der Neuen Rechten jedoch nie um deren notwendige Kritik – denn in der Tat erwies sich der staatliche Antifaschismus der DDR als Mythos – oder um deren sachlich-wissenschaftliche Aufarbeitung. Im Gegenteil muss die eindimensionale Verdammung durch die Neue Rechte als rein (geschichts-)politische Strategie verstanden werden, um ihre Gegner zu desavouieren und ihre Deutungsmacht auszuweiten.

Rechte Bürgerrechtler:innen

Hervorzuheben ist, dass diese neurechten Narrative schon damals von einzelnen DDR-Oppositionellen und -Bürgerrechtler:innen mitgetragen, ja, sogar von diesen federführend initiiert wurden. Das Phänomen von ehemaligen DDR-Oppositionellen, die eine „Rechtswende“ vollziehen, ist nicht neu, sondern hat eine lange Tradition. Sie können sogar als wichtige Legitimation der skizzierten rechten DDR-Deutung betrachtet werden. Zentraler Protagonist der neurechten Publikationsoffensive der 1990er Jahre war etwa der Schriftsteller und Journalist Ulrich Schacht, der den Sammelband Die selbstbewusste Nation herausgab und unter anderem die Kampagnen zum 8. Mai und den Berliner Appell federführend lancierte. Schacht, 1951 im Frauengefängnis Hoheneck geboren, wurde 1973 wegen „staatsfeindlicher Hetze“ in der DDR zu sieben Jahren Haft verurteilt und nach knapp vier Jahren von der Bundesrepublik freigekauft.48 Er arbeitete anschließend in Hamburg als Journalist für Die Welt und Die Welt am Sonntag und erhielt vor allem für seine Lyrik Anerkennung. Der Radikalisierungsprozess des weitreichend gebildeten Intellektuellen vom Sozialdemokraten zum Neurechten lässt sich unter anderem in seinen Tagebuchaufzeichnungen Über Schnee und Geschichte. Notate 1983-2011 (2012) nachvollziehen, deren roter Faden die Gleichsetzung des Nationalsozialismus mit der DDR ist. Immer wieder werden in seinen Publikationen Vergleiche zwischen DDR-Oppositionellen sowie später auch national gesinnten Rechten in der Bundesrepublik mit den verfolgten Juden im Nationalsozialismus angestellt.49 Unabhängig davon, dass Schacht Opfer des DDR-Strafvollzugsystems wurde, beförderte er mit Narrativen wie diesen die neurechten Revisionsabsichten aufs Deutlichste.

Aber auch andere DDR-Bürgerrechtler:innen und -Oppositionelle beteiligten sich an den genannten neurechten Kampagnen, so etwa Wolfgang Templin und Steffen Heitmann an Die selbstbewusste Nation, oder Rainer Eppelmann, Sarah Kirsch und Freya Klier am Berliner Appell – auch wenn die Motive hier differenziert werden müssen. Denn nicht immer lag der Teilnahme an solchen Publikationen oder Aufrufen eine rechte Gesinnung zugrunde – vielmehr war (und ist) die Einbindung von Personen, die sich politisch außerhalb des rechten Spektrums bewegten, eine zentrale Methode der Neuen Rechten, um Diskurse im Sinne der angestrebten „kulturellen Hegemonie“ und gar einer „politischen Vorherrschaft“ für sich zu gewinnen.50 Kirsch und Klier etwa distanzierten sich später ausdrücklich von dem Aufruf, unter anderem mit der Begründung, den Text nicht vollständig gekannt zu haben.51 Andere Unterzeichnende, wie Helga Schubert, blieben jedoch dabei. Gerade die Stimmen der sogenannten Mitte, die sich an diesen aus heutiger Sicht eindeutig als neurechts zu bewerteten Kampagnen beteiligten, zeigen, welche breite Strahlkraft die neurechte, geschichtsrevisionistische Deutung der DDR hatte. Umgekehrt trug die weite Verbreitung von wissenschaftlich fragwürdigen Deutungsansätzen wie der Totalitarismustheorie dazu bei, neurechten Positionen stärkeres Gehör zu verschaffen.

DDR 2.0? Aktuelle DDR-Narrative der Neuen Rechten

Die hier beschriebenen Narrative zur Deutung der DDR sind bis heute in der Neuen Rechten verbreitet, sie haben sich jedoch gewandelt und den gegenwärtigen politischen Gegebenheiten angepasst. Ihre grundsätzliche geschichtsrevisionistische Stoßrichtung – sei sie in Form der Täter-Opfer-Umkehr oder in Form der impliziten Relativierung des Nationalsozialismus – haben sie jedoch, wie ich argumentieren möchte, nicht eingebüßt.

Die zwei miteinander einhergehenden, derzeit populären Narrative der Neuen Rechten in Bezug auf die DDR sind zum einen eine instrumentelle Identifizierung mit den Protagonisten und Zielen der DDR-Opposition und „Friedlichen Revolution“, als deren vermeintliche „Erben“ sie sich gewissermaßen stilisieren. Weite Kreise zieht zum anderen die typisch neurechte Behauptung, die gegenwärtige Bundesrepublik sei mit der DDR bzw. einer sozialistischen, „totalitären“ Diktatur vergleichbar.52 Beide Rhetoriken53 zeigten sich zum Beispiel in den Landtagswahlkämpfen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen 2019, als die Alternative für Deutschland (AfD) in allen drei Ländern mit der Forderung nach einer „Wende 2.0“ in den Wahlkampf zog. In Slogans wie „Die Friedliche Revolution mit dem Stimmzettel“ wurde suggeriert, die jetzige Bundesrepublik sei mit der SED-Diktatur vergleichbar. Die „Wende“, so war auf den Wahlplakaten zu lesen, müsse endlich „vollendet“ werden. Ein knappes halbes Jahr später, im Frühjahr 2020, wiederholte sich diese Rhetorik auf den von Verschwörungsideolog:innen und zum Teil Rechtsextremen angeführten Protestdemonstrationen gegen die COVID-19-Maßnahmen der Bundesregierung. Gegen eine behauptete „DDR 2.0“, deren Opfer man geworden sei, inszenierten sich Teile der Demonstrierenden als aufbegehrendes Erbe der DDR-Bürgerrechtsbewegung.

Dass Narrative wie diese historisch wie wissenschaftlich unhaltbar sind, muss nicht eigens betont werden.54 Die Proklamierung solcher Geschichtslegenden dienen einerseits der Mobilisierung von Wähler:innenstimmen, zum anderen der umfassenden Selbstviktimisierung der (Neuen) Rechten. Wie sich am Beispiel einer rechten Kampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung55, aber auch an ausgewählten Texten der neurechten Leitmedien wie Sezession und Junge Freiheit56 zeigen lässt, inszeniert sich die Neue Rechte als Opfer eines imaginierten fortwirkenden sozialistischen „Totalitarismus“, den sie in der Bundesregierung und den demokratischen Parteien, aber auch etwa in der angeblichen Übermacht zivilgesellschaftlicher und gegen Rechtsextremismus kämpfender Akteure wie der Amadeu Antonio Stiftung ausmachen. Dieses Narrativ nimmt mitunter verschwörungsideologische Züge an. Die Gleichsetzung der heutigen Bundesrepublik mit der SED-Diktatur dient zum einen dazu, die heutige Demokratie moralisch und politisch zu delegitimieren, zum anderen, um die eigene Identität als widerständiges Opfer zu konstruieren. Denn man stilisiert sich als Kämpfer gegen ein vermeintlich „totalitäres“ sozialistisches System, das wiederum umso schlimmer erscheint, da man es nach wie vor im totalitarismustheoretischen Sinne mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt. Insofern liegt auch den heutigen Narrativen eine implizite Gleichsetzung des Realsozialismus der DDR mit dem Nationalsozialismus zugrunde. In den Protest- und Oppositionsbewegungen der DDR, wie etwa dem Aufstand des 17. Juni 1953, sieht die Neue Rechte wiederum ein Idealbild des „nationalen“ und „antitotalitären Befreiungskampfes“, den sie für ihre Zwecke instrumentalisieren kann.57

Die antikommunistische Ablehnung eines historischen und vermeintlich gegenwärtigen Sozialismus gestaltet sich insofern – wie schon in den 1990er Jahren – als instrumentell, als das der inszenierte Kampf gegen einen imaginieren Sozialismus nur Mittel zum geschichtspolitischen Zweck ist: einerseits zur Diskreditierung der Gegner, andererseits zur Legitimierung der eigenen Position.

Es kann also unterstellt werden, dass den neurechten Autor:innen damals wie heute gar nicht oder zumindest nicht allein um die Opfer der DDR-Diktatur zu tun ist. Wäre den rechten Autor:innen an einer ernsthaften wissenschaftlichen Aufarbeitung des Realsozialismus gelegen, müssten sie anerkennen, dass die historische und politikwissenschaftliche Forschung spätestens seit Mitte der 2000er Jahre vom totalitarismustheoretischen Paradigma abgerückt ist und die DDR inzwischen mithilfe anderer Konzepte zu erklären versucht – etwa mit dem Konzept der „Fürsorgediktatur“, das die DDR ausdrücklich nicht als totalitär, sondern als durch den Widerspruch zwischen Repression und Normalität gekennzeichnet sieht.58 Wieder andere Perspektiven, die quer zur Totalitarismustheorie liegen, ergeben sich durch die Konzeptualisierung der DDR als postnationalsozialistischen Staat, welche die Bedeutung der NS-Vergangenheit für die DDR-Gesellschaft in den Fokus rückt.59

Dies sind nur zwei Beispiele für eine Fülle von neuen Erkenntnissen und Überlegungen zur DDR, die es in der Aufarbeitung der DDR zu berücksichtigen lohnt. Möchte man (neu-)rechten Vereinnahmungsversuchen der DDR-Aufarbeitung wirksam das Wasser abgraben, dann sind jene längst überkommenen Deutungsmuster, die die DDR mit dem Nationalsozialismus parallelisieren, aufgrund ihrer inhärenten Nähe zu rechten Denkmustern besser zu historisieren.

 

Anmerkungen:

1 Anja Thiele (Dr. phil.) ist Literaturwissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena. Sie promovierte 2020 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zum Thema Die Shoah in der Literatur der DDR. Am IDZ leitet sie derzeit im Rahmen des BMBF-geförderten „Forschungsverbund Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ (FGZ) ein Forschungsprojekt zu Geschichtsrevisionismus und Antisemitismus in Deutschland seit 1990. Darüber hinaus leitet sie die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) in Thüringen.

2Beispiele hierfür finden sich zahlreiche. Prominentester Fall ist womöglich die ehemalige Oppositionelle und CDU-Abgeordnete Vera Lengsfeld, die im Verlauf der vergangenen Jahre einen deutlichen Rechtsschwenk vollzogen hat. So vertritt sie auf ihrem Blog und in verschiedenen neurechten Publikationen (z.B. Junge Freiheit) offenbar migrations- und muslimenfeindliche Positionen und agitiert gegen den Kampf gegen Rechtsextremismus und gegen die vermeintlich „totalitäre“ Bundesregierung, vgl. https://vera-lengsfeld.de. 2019 machte sie mittels einer Broschüre verdeckte Wahlwerbung für die Alternative für Deutschland (AfD) in Thüringen, die vom dortigen Verfassungsschutz inzwischen als rechtsextremistisch eingestuft wird. Von ihrem dortigen Meinungsführer und Spitzenkandidaten, Björn Höcke, hat sie sich Lengsfeld allerdings distanziert. Sie hält ihn nicht für wählbar. https://andreaskemper.org/2019/10/14/landolf-ladwig/?fbclid=IwAR2MhW5KD2snhtofaSGNMOO7flc2KUxOQfcGMi3isaOdMI2rCBcx-E9R3S0, vgl. https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_86619536/afd-der-wahlhelfer-in-thueringen-briefkastenfirma-rechter-autoren-steckt-hinter-zeitschrift.html. Der wegen politischer Äußerungen in der DDR inhaftierte Siegmar Faust äußerte sich laut Berliner Zeitung in der Gedenkstätte Hohenschönhausen so, dass man es als Holocaustrelativierung verstehen könnte: „Ich habe keine Sympathie für Horst Mahler“, sagte Faust. Doch er finde es „unerträglich, was die Justiz da macht“ und frage sich mit Blick auf die sechs Millionen von den Nationalsozialisten ermordeten Juden: „Ist die Zahl sechs Millionen heilig?“ Er verstehe ja, so Faust, „dass die Verbrechen der Nazizeit noch weiter wirken. Aber irgendwann muss das mal ein bissel aufhören. Man darf es nicht übertreiben.“ Schließlich behauptete der Pensionär, dass es in Hohenschönhausen „wenige“ gebe, „die anders denken“ als er selbst.“ Faust hat diese Darstellung als Fälschung zurückgewiesen, aber bisher keine Gegenbelege dafür vorlegen können. https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/holocaust-aeusserung-stasi-gedenkstaette-hohenschoenhausen-trennt-sich-von-siegmar-faust-li.12609. Die ehemalige Bürgerrechtlerin Angelika Barbe wiederum wurde bei den von extremen Rechten durchsetzten Pegida-Aufmärschen in Dresden gesehen sowie bei teilweise verschwörungsideologischen Corona-Protesten gesichtet. Sie ließ sich auch vom Magazin Compact interviewen, das 2020 als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wurde, zudem engagiert sie sich im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, vgl. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1136007.angelika-barbe-toedliche-luege.html. https://taz.de/Compact-Magazin-in-der-Krise/!5676890/ Auch Akteure der DDR-Gedenkstättenlandschaft, wie etwa der ehemalige stellvertretende Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Bert Pampel) irritierte mit einem rechtslastig wirkenden tweed, vgl. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/stiftung-saechsische-gedenkstaetten-irritiert-mit-rechtslastigem-tweet-a-1061224.html. Auch dem ehemaligen Direktor der DDR-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe wurde zu große Nachsicht gegenüber rechtslastigen Opferkreisen nachgesagt, was dieser freilich bestritt. taz.de/Stasi-Gedenkstaette-und-Konflikt-um-AfD/!5524349/

3Exemplarisch sei auf folgende Beiträge verwiesen: Hähnig, Anne: Die Wut der Frauen, Die Zeit 09.03.2017 https://www.zeit.de/2017/11/rechtspopulismus-frauen-ostdeutschland-afd-fremdenfeindlichkeit, Decker, Markus. DDR-Bürgerrechtler auf rechten Abwegen. Frankfurter Rundschau, 31.05.2018, https://www.fr.de/politik/ddr-buergerrechtler-rechten-abwegen-10980423.html, Konstantin von Hammerstein, Warum ehemalige Bürgerrechtler jetzt mit den Rechten sympathisieren, Der Spiegel, 07.01.2018, https://www.spiegel.de/spiegel/warum-ddr-buergerrechtler-sich-bei-der-afd-engagieren-a-1186288.html, Hennings, Alexa: Bürgerrechtler am rechten Rand? Einmal Widerstand, immer Widerstand. Deutschlandfunk Kultur, 09.06.2020, https://www.deutschlandfunkkultur.de/buergerrechtler-am-rechten-rand-einmal-widerstand-immer.3720.de.html?dram:article_id=469497, Halasz, Gabor: Wenn Bürgerrechtler mit der Demokratie hadern, tagesthemen, 26.09.2020, https://www.tagesschau.de/inland/buergerrechtler-103.html

4Wüstenberg, Jenny: Pluralism, Governance and the New Right in German Memory Politics. In: German Politics and Society, Ausgabe 132, Heft 37, Nr. 3 (2019), S. 89-110.

5Pollack, Detlef: Das unzufriedene Volk. Protest und Ressentiment in Ostdeutschland von der Friedlichen Revolution bis heute. Bielefeld 2020.

6Stöss, Richard: Rechtsextremismus im Wandel. Berlin 2010, S. 31ff.

7Vgl. Botsch, Gideon: Wahre Demokratie und Volksgemeinschaft. Ideologie und Programmatik der NPD und ihres rechtsextremen Umfelds, Wiesbaden 2017.

8Stöss, Richard: Rechtsextremismus im vereinten Deutschland. Berlin 2000, S. 50.

9Salzborn, Samuel: Angriff der Antidemokraten. Die völkische Rebellion der Neuen Rechten. Weinheim 2017, S. 35.

10Gessenharter, Wolfgang: Kippt die Republik? Die Neue Rechte und ihre Unterstützung durch Politik und Medien. München 1994.

11Langebach, Martin & Raabe, Jan: Die „Neue Rechte“ in der Bundesrepublik Deutschland. In: Fabian Virchow, Martin Langebach & Alexander Häusler (Hrsg.): Handbuch Rechtsextremismus. Wiesbaden 2016, S. 561-592.

12Weiß, Volker: Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes. Stuttgart 2017.

13Salzborn, Angriff der Antidemokraten (s. FN 8), S. 61.

14Ebd., vgl. Kellershohn, Helmut & Kastrup, Wolfgang (Hrsg.): Kulturkampf von rechts. AfD, Pegida und die Neue Rechte. Münster 2016.

15Vgl. Gessenharter 1994 (s. FN 9).

16Vgl. Stöss, Rechtsextremismus im vereinten Deutschland (s. FN 7).

17Wiegel, Gerd: Die Zukunft der Vergangenheit. Konservativer Geschichtsdiskurs und kulturelle Hegemonie – vom Historikerstreit zur Walser-Bubis-Debatte. Köln 2001, S. 151.

18Bundeskanzler Helmut Kohl besuchte 1985 gemeinsam mit dem US-Präsidenten Ronald Reagan am selben Tag die KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen und den Soldatenfriedhof Bitburg-Kolmeshöhe, auf der auch Angehörige der Waffen-SS bestattet sind, und legte an beiden Stätten Kränze nieder. Dieser Vorgang wurde sowohl als unzulässige Gleichsetzung, als auch als symbolischer Akt der „Normalisierung“, d.h. der Überwindung der NS-Vergangenheit, wahrgenommenen und löste internationale Proteste aus, vgl. Leggewie, Claus & Meyer, Erik: „Ein Ort an die man gerne geht“. Das Holocaust-Mahnmal und die deutsche Geschichtspolitik nach 1989, München 2005.

19Auslöser des sogenannten Historikerstreits war ein Artikel zum Nationalsozialismus des Historikers Ernst Nolte im Juni 1986. Nolte stellte darin die nationalsozialistischen Verbrechen, insbesondere den Holocaust, als eine Reaktion auf vorangegangene Massenverbrechen und das Gulag-System der Sowjetunion dar und rief damit eine etwa ein Jahr lang dauernde Debatte hervor. Als prominentester Kontrahent trat der Philosoph Jürgen Habermas auf, der Nolte „Revisionismus“ bescheinigte. Zwar wurde der Streit zugunsten von Habermas und Noltes Gegnern entschieden; die heutige Antisemitismus- und Rechtsextremismusforschung bescheinigt der Debatte jedoch eine Verschiebung des Sagbaren zugunsten rechtsextremer Positionen.

20Vgl. Brumlik, Micha, Funke, Hajo & Rensmann, Lars: Umkämpftes Vergessen. Walser-Debatte, Holocaust-Mahnmal und neuere Geschichtspolitik. Berlin 2004.

21Siebeck, Cornelia: 2015) „... und das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung“. Postnationalsozialistische Identitäts- und Gedenkstättendiskurse in der Bundesrepublik vor und nach 1990. In: Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland 16 (2015): Gedenkstätten und Geschichtspolitik, S. 29-41, hier S. 32.

22Zitelmann, Rainer, Weißmann, Karlheinz & Großheim, Michael: Westbindung. Chancen und Risiken für Deutschland. Frankfurt am Main 1993, S. 381.

23Kämper, Gabriele: Die männliche Nation. Politische Rhetorik der neuen intellektuellen Rechten, Köln 2005, S. 10 (Hervorhebung im Original).

24Ebd., S. 9.

25Ebd., S. 10.

26Vgl. Roth, Karl Heinz: Revisionistische Tendenzen in der historischen Forschung über den deutschen Faschismus. In: Johannes Klotz & Ulrich Schneider (Hrsg.): Die selbstbewusste Nation und ihr Geschichtsbild. Geschichtslegenden der Neuen Rechten, Köln 1997, S. 31-64.

27Wiegel, Gerd: Politik mit der Vergangenheit. Entsorgung der Geschichte als Beitrag zur Hegemoniefähigkeit. In: Johannes Klotz & Ulrich Schneider (Hrsg.): Die selbstbewusste Nation und ihr Geschichtsbild. Geschichtslegenden der Neuen Rechten, Köln 1997, S. 65-77, hier S. 66.

28Schneider, Ulrich: Rolle rückwärts. Vom politischen Gebrauch der Geschichte. In: Johannes Klotz & Ulrich Schneider (Hrsg.): Die selbstbewusste Nation und ihr Geschichtsbild. Geschichtslegenden der Neuen Rechten, Köln 1997, S. 8-30, hier S. 24.

29Wippermann, Wolfgang: Dämonisierung durch Vergleich: DDR und Drittes Reich. Berlin 2009, S. 12.

30Ebd., S. 119.

31Vgl. Langebach, Martin: 8. Mai 1945. In: Martin Langebach & Michael Sturm (Hrsg.): Erinnerungsorte der extremen Rechten. Wiesbaden 2015, S. 213-243, hier S. 220.

32Schneider, Rolle rückwärts (s. FN 27), S. 22.

33Wippermann, Wolfgang: „Revisionismus light“. Die Modernisierung und „vergleichende Verharmlosung“ des „Dritten Reichs“. In: Brigitte Bailer-Galanda, Wolfgang Benz & Wolfgang Neugebauer (Hrsg.): Die Auschwitzleugner. „Revisionistische“ Geschichtslüge und historische Wahrheit. Berlin 1996, S. 237-251, hier S. 241.

34Vgl. ebd., Weiß, Volker: Rolf Peter Sieferles „Finis Germania“. Der Antaios Verlag und der Antisemitismus. In: Stefanie Schüler-Springorum für das Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin (Hrsg.): Jahrbuch für Antisemitismusforschung. Band 28. Berlin 2018, S. 123-146.

35Wippermann, Dämonisierung durch Vergleich (s. FN 28), S. 25.

36Vgl. Rensmann, Lars: Totalitarismus. In: Gerhard Göhler, Mattias Iser & Ina Kerner (Hrsg.): Politische Theorie. 22 umkämpfte Begriffe zur Einführung. Wiesbaden 2004, S. 367-384; Becker, Manuel: Die Bedeutung des Diktaturenvergleichs für die politische Kultur der „Berliner Republik“, online: https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/53434/diktaturenvergleich-und-politische-kultur?p=all#fr-footnodeid22

37Becker, Manuel: Die Bedeutung des Diktaturvergleichs (FN 35), S. 12.

38Jarausch, Konrad H.: Die Zukunft der ostdeutschen Vergangenheit – was wird aus der DDR-Geschichte? In: Jens Hüttmann, Ulrich Mählert & Peer Pasternack (Hrsg.): DDR-Geschichte vermitteln. Ansätze und Erfahrungen in Unterricht, Hochschullehre und politischer Bildung. Berlin 2004, S. 81-100.

39Vgl. Jander, Martin: Kultur der Aufrechnung. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Ein Kampf um die Deutungshoheit. Anatomie des Streits um die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam. Berlin 2013, S. 125-161.

40Jarausch, Konrad H.: Die Zukunft der ostdeutschen Vergangenheit (FN 37), S. 84.

41Vgl. Möller, Horst: Nationalsozialismus und SED-Diktatur in vergleichender Perspektive. In: Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (Hrsg.). Enquete Online. Die Enquete-Kommissionen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Band IX, Protokoll der 75. Sitzung, S. 576ff.

42Vgl. Gauck, Joachim: Vom schwierigen Umgang mit der Wahrnehmung. In: Stéphane Courtois et. al. (Hrsg.). Schwarzbuch des Kommunismus. München 1999.

43Beispielhaft vgl. Knabe, Hubertus: Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED-Diktatur. Berlin 2007.

44Vgl. Jarausch, Konrad H.: Die Zukunft der ostdeutschen Vergangenheit (FN 37), vgl. auch Pfahl-Traughber, Armin: Klassische Totalitarismuskonzepte auf dem Prüfstand. Darstellung und Kritik der Ansätze von Arendt, Friedrich, Popper und Voegelin. In: Jahrbuch Extremismus & Demokratie, 16, 2004, S. 31-57; Brumlik, Micha: Geisteswissenschaftlicher Revisionismus — auch eine Verharmlosung des Nationalsozialismus. In: Faber, Richard, Funke, Hajo & Schoenberner, Gerhard (Hrsg.): Rechtsextremismus. Ideologie und Gewalt. Berlin 1995, S. 178–188.

45Eine ausführliche Begründung für die Unhaltbarkeit der Gleichsetzung findet sich neben Wippermann, Dämonisierung durch Vergleich (s. FN 28) auch bei Becker, Manuel, Die Bedeutung des Diktaturenvergleichs (s. FN 35).

46Wippermann, Dämonisierung durch Vergleich (s. FN 28), S. 12.

47Vgl. Salzborn, Samuel: Kollektive Unschuld. Die Abwehr der Shoah im deutschen Erinnern, Leipzig 2020.

48Rachowski, Utz: Ulrich Schacht. In: Ilko-Sascha Kowalczuk & Tom Sello (Hrsg.). Für ein freies Land mit freien Menschen. Opposition und Widerstand in Biographien und Fotos. Berlin 2006, S. 169-171, hier S. 169.

49Die brachialste geschichtsrevisionistische Aussage Schachts findet sich in Die selbstbewusste Nation: „[D]er totale rhetorisch-diskursive Vernichtungswille gegenüber allen konstitutiven Tatsachen und Aspekten der eigenen nationalen Identität (…) ist (…) identisch mit dem totalen Vernichtungswillen NS-Deutschlands gegenüber dem jüdischen Volk“. Schacht, Ulrich: Stigma und Sorge. Über deutsche Identität nach Auschwitz. In: Ulrich Schacht & Heimo Schwilk (Hrsg.): Die selbstbewusste Nation. „Anschwellender Bocksgesang“ und weitere Beiträge zu einer deutschen Debatte. Berlin 1994, S. 57-68, hier S. 63.

50Gessenharter, Wolfgang: Rückruf zur selbstbewußten Nation – Analyse eines neurechten Frames aus bewegungstheoretischer Sicht. In: Kai-Uwe Hellmann, Ruud Koopmans (Hrsg.): Paradigmen der Bewegungsforschung: Entstehung und Entwicklung von Neuen sozialen Bewegungen und Rechtsextremismus. Wiesbaden 2013, S. 179.

51Vgl. https://taz.de/!1540439/

52Vgl. dazu Soziologe David Begrich im Gespräch mit der taz, https://taz.de/Soziologe-ueber-den-AfD-Ost-Wahlkampf/!5614479/

53Ein drittes Narrativ ist die Idealisierung der Ostdeutschen als ein von Multikulturalismus, westlicher Dekadenz und Amerikanisierung noch unberührtes, „rein deutsches Volk“, das sich durch Widerstandsgeist und Kultur auszeichne, vgl. die Ausgabe der neurechten Publikation Sezession zum Schwerpunkt Sachsen (Sezession 90, 2019).

54Für eine Auseinandersetzung damit siehe z.B. das Interview des ARD-Faktenfinders mit dem Historiker Patrice G. Poutrus, online: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/poutrus-ddr-vergleiche-101.html

55Für die ausführliche Analyse siehe Thiele, Anja: „Bei den Nazis war es der Jude […], in der DDR der Regimekritiker“. Geschichtsrelativierung als Selbstlegitimation (Im Druck).

56Für die ausführliche Analyse siehe Thiele, Anja: Der NSU als „Mikroholocaust“. Rechter Terror im Geschichtsbild der Neuen Rechten. In: Matthias Quent, Onur Suzan Nobrega & Jonas Zipf (Hrsg.). Rassismus. Macht. Vergessen. Bielefeld 2021, S. 173-186 (Im Erscheinen).

57Siehe hierzu exemplarische Texte der zentralen Wortführer der gegenwärtigen Neuen Rechten, Karlheinz Weißmann und Götz Kubitschek: Weißmann, Karlheinz: Eine reine Revolte. Nachbemerkungen zum 17.Juni 1953. In: Sezession 2 (2003), S. 46-47; Kubitschek, Götz, zitiert nach Krah, Maximilian: Mehr Sachsen, weniger Rheinbund. In: Sezession 90 (2017), S. 20-22, hier S. 22.

58Jarausch, Die Zukunft der ostdeutschen Vergangenheit (s. FN 37), S. 87.

59Fulbrook, Mary: Die fehlende Mitte. Die DDR als postnazistischer Staat. In: Ulrich Mählert (Hrsg.): Die DDR als Chance. Berlin 2016, S. 89-98; Heitzer, Enrico, Jander, Martin, Kahane, Anetta & Poutrus, Patrice G. (Hrsg.): Nach Auschwitz: Schwieriges Erbe DDR. Plädoyer für einen Paradigmenwechsel in der DDR-Zeitgeschichtsforschung. Frankfurt am Main 2018.