Umgang mit Rechtspopulismus in der politischen Bildungsarbeit

Von Larissa Bothe und Ruth Wunnicke1

Mit jeder neuen Seminargruppe, mit jeder Besucherführung, mit jeder neuen Schulklasse, mit jeder Abendveranstaltung stehen historisch-politische Bildner*innen einer unbekannten Menge gegenüber. Erst im Laufe der Zusammenarbeit zeigt sich, welche Erfahrungen, Kenntnisse und Werte die Menschen mitbringen. Mitunter unterscheiden sie sich deutlich von jenen, die vermittelt werden sollen. In den vergangenen Jahren sind die Herausforderungen bei der Vermittlungsarbeit im Umgang mit rechtspopulistischen Positionen größer geworden. Das Aussprechen von Rassismen sowie gruppenverachtende Standpunkte haben eine gewisse Gesellschaftsfähigkeit bekommen. Das führt häufig zu Verunsicherungen von Bildner*innen. Mitunter fühlen sie sich in diesen Situationen alleingelassen. Der folgende Beitrag zeigt für Mitarbeiter*innen von Gedenkstätten, Erinnerungsorten und anderweitigen Bildungseinrichtungen verschiedene Möglichkeiten auf, sich auf die Situation vorzubereiten und im konkreten Fall mit ihr umzugehen.

  1. VORAUSSETZUNGEN

Menschen bringen eigene Sichtweisen und Erfahrungen mit

Die Aufgabe von Bildner*innen ist es, sich auf jede Gruppe und alle Teilnehmenden neu einzulassen. Zu fragen ist: Mit welchen Erfahrungen kommen die Menschen in eine Gedenkstätte oder einen Erinnerungsort? Welches „unsichtbare Gepäck“ tragen sie mit sich? Welche Erwartungen haben sie? Was haben sie schon gesehen und gelernt? Sind sie in einem freiwilligen Kontext da oder nicht? Schulklassen kommen meistens nicht freiwillig. In jeder Gruppe gibt es unterschiedliche Vorstellungen und Motivationen, sich mit einem Thema oder einem bestimmten Ort auseinanderzusetzen. Einige haben bereits konkrete Vorstellungen, andere nicht. Nicht nur Gruppen sind unterschiedlich, auch die Erwartungen und Bedürfnisse der einzelnen Personen innerhalb der Gruppe sind verschieden. Pädagog*innen sollten daher sehr konkret von der Gruppe aus denken, mit der sie arbeiten. Dafür ist es hilfreich, vorab so viele Informationen wie möglich über die Gruppe einzuholen. Dass innerhalb einer Gruppe unterschiedliche Positionen vertreten werden, gilt auch für jene Gruppen, die aus einem vermeintlich rechtspopulistischen Spektrum kommen. Wenig hilfreich ist die pauschale Unterstellung, in diesen Gruppen herrsche ausschließlich ein gefestigtes Weltbild vor und alle hätten ein Bedürfnis nach nationaler Orientierung. Auch die Annahme, es gebe in der Bevölkerung einen bestimmten rechtspopulistischen Anteil, ist nicht förderlich. Das mag generell richtig sein, ist jedoch für die konkrete Situation wenig relevant.

Es gibt nicht „die Rechtspopulist*innen“

Rechtspopulist*innen sind kein monolithischer Block. In jedem politischen Verein und in jeder Partei gibt es Mitglieder, denen Geschichte gänzlich unwichtig ist. Ebenso haben nicht alle Rechtspopulist*innen ihre Wurzeln dezidiert in der neonazistischen Szene. Zwischen verschwörungs-theoretischen Reichsbürger*innen,2 neonazistischen Gruppen, offenen Holocaustleugner*innen, der AfD und einigen mehr ist die Spannbreite groß. Alle diese verschiedenen Gruppen finden in den sozialen Netzwerken Übergänge zu einem noch breiteren Spektrum an Menschen. Innerhalb dieser Gruppierungen lassen sich Ideolog*innen, Unterstützer*innen und Sympathisant*innen erkennen. Wobei die Sympathisant*innen in ihrer Meinung noch nicht festgelegt sind und suchen.

Für die Arbeit ist entscheidend, ob Sie es in ihren Gruppen mit Ideologieproduzent*innen (Ideolog*innen) zu tun haben. Ideologieproduzent*innen (wie z. B. Björn Hoecke) erfinden und produzieren Narrative und Ideologien und sorgen für ihre Verbreitung. Sie stehen zu 100 Prozent hinter ihrer Weltanschauung und lassen keinerlei andere Ansichten oder Meinungen gelten. Hingegen produzieren Ideologiekonsument*innen (teilweise Unterstützer*innen und Sympathisant*innen) keine Ideologien, sind aber zugänglich für bestimmte Weltanschauungen oder Teilnarrative. Sie vertreten die Ideologie noch nicht zu 100 Prozent und lassen sich durchaus auch von anderen Ansichten und Meinungen überzeugen. Mit Ideologieproduzent*innen in eine konstruktive Diskussion zu kommen, kann sehr schwierig sein, da die Offenheit für Diskurse häufig fehlt. Gleichzeitig gibt es auch unter Rechtspopulist*innen viele Menschen, die grundsätzlich offen für ein Gespräch sind. Der Besuch eines Erinnerungsortes oder einer Bildungsveranstaltung kann ihnen durch das Aufzeigen anderer Perspektiven und Narrative durchaus einen neuen Blick auf das Thema ermöglichen.

Traue ich mir das zu?

Nicht immer ist vorher absehbar, mit welcher politischen Haltung Menschen eine Gedenkstätte besuchen. Selbst wenn es sich um die Besuchergruppe eines Bundestagsmitgliedes einer rechtspopulistischen Partei handelt, müssen die Mitglieder der Gruppe nicht zwingend diese Haltung haben oder die Partei wählen. Dennoch sollte in den Einrichtungen klar kommuniziert werden, um was für eine Gruppe es sich handelt. Nicht alle Mitarbeitenden sind bereit, beispielsweise mit einer AfD-Gruppe zu arbeiten. Hier sollte die Entscheidung zur Übernahme des Auftrags den Mitarbeitenden überlassen werden. Einige Einrichtungen haben daher die Rahmenbedingungen für die Betreuung der Gruppen angepasst. Werden Gruppen normalerweise immer nur von einer Person betreut, dann übernehmen die Betreuung von Gruppen mit vermeintlich rechtspopulistischer Perspektive immer zwei Mitarbeitende. Dies hat den Vorteil, dass in herausfordernden Situationen niemand alleine vor der Gruppe steht oder gegebenenfalls Einzelnen aus der Gruppe ein Dialog angeboten werden kann, während der Rest der Gruppe den Besuch fortsetzt.

Wann ziehe ich die Reißleine?

Wo ist die eigene Grenze erreicht und wann höre ich auf, aktiv das Gespräch zu suchen? Diese Grenze liegt letztendlich bei jedem selbst. Klar ist, wenn sich Besucher*innen oder Veranstaltungsteilnehmer*innen abwertend und verharmlosend äußern, ist eine Grenze überschritten. Allerdings verläuft die Grenze, ab wann etwas als abwertend oder verharmlosend empfunden wird, bei jedem Menschen woanders. Nicht jeder „erkennt“ menschenfeindliche Äußerungen auf Anhieb – dafür sind sie zum Teil viel zu sehr in unserer Gesellschaft verankert und tradiert. Daher ist es wichtig, die Mitarbeitenden für ein diskriminierungssensibles Arbeiten zu schulen. Dies bedeutet zum einen, die eigenen Bilder im Kopf zu hinterfragen. Zum anderen bedeutet es auch, einen Perspektivwechsel vornehmen zu können. Was machen bestimmte Aussagen mit Betroffenen – ob anwesend oder nicht?

2. Empfehlungen für den Umgang mit rechtspopulistischen und antidemokratischen, menschenverachtenden Aussagen.

Interne Kommunikation – Schulungen

Kommunikation gilt nicht nur nach außen (im Sinne einer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit), sondern sollte ebenso konsequent in die Einrichtung hineinbetrieben werden. Das heißt, im Idealfall sind von der Einrichtungsleitung bis zu den ehrenamtlichen Mitarbeitenden alle darüber informiert, was Haltung und Leitbild der Einrichtung beinhalten und welche Handlungswege im Umgang mit rechtspopulistischen Besucher*innen möglich sind. Das verlangt eine starke und kontinuierliche Kommunikation nach innen.

Ebenso geben regelmäßige Schulungen für feste und freie Mitarbeiter*innen beispielsweise zum praktischen Umgang mit rechtspopulistischen Besucher*innen oder zu geschichtspolitischen Topoi der Rechtspopulist*innen wertvolles Hintergrundwissen und praktische Fähigkeiten an die Hand. Mögliche Fragestellungen für Schulungen könnten sein: Wie genau verhält es sich eigentlich mit dem Neutralitätsgebot, d.h. der pädagogischen Maxime parteipolitisch neutral zu handeln? Von welchem institutionellen Hintergrund aus sprechen wir? Können wir überhaupt Stellung beziehen? Wie gehen wir mit Provokationen oder bestimmten Positionierungen in unseren Veranstaltungen um? Zudem müssen alle genau wissen, wo die rechtlichen Grenzen liegen – also wann ist etwas verfassungswidrig? Gegebenenfalls warum? Welche Möglichkeiten habe ich, mit verfassungswidrigem Verhalten von Besucher*innen umzugehen? Wie erteile ich ein Hausverbot? Wie erstatte ich Anzeige?

Schulungen bereiten Mitarbeitende bestmöglich auf die konkrete Situation vor. Dabei vermitteln sie nicht nur Handwerkszeug, sondern stärken damit auch die Sicherheit und das eigene Selbstvertrauen im Umgang mit rechtspopulistischen Äußerungen von Besucher*innen. Themen für Schulungen können daher konkreten „Extremfallsituationen“ entnommen werden.

Wissen um das Geschichtsbild von Rechtspopulist*innen

Eine grundlegende Voraussetzung für den Umgang mit Rechtspoplist*innen in der historisch-politischen Bildung ist das Wissen um ihr Geschichtsbild. Dem Verweis auf Geschichte kommt in rechtspopulistischen Kreisen eine tragende Rolle zu. Der Münsteraner Historiker Michael Sturm gibt in seinem Aufsatz „Geschichtspolitik als Kulturkampf – der Gebrauch von ‚Geschichte‘ im aktuellen Rechtspopulismus“3 einen umfassenden Überblick über das rechtspopulistische Geschichtsverständnis. In seiner Analyse stellt er fünf charakteristische Aspekte des rechtspopulistischen Geschichtsverständnisses heraus: 1. die Semantik des Niedergangs, also einen tiefsitzenden Kulturpessimismus: 2. den exklusiven, also andere ausgrenzenden Volksbegriff; 3. das monolithische Kulturverständnis; 4. die männlich-martialische Ausrichtung sowie 5. die Externalisierung des Nationalsozialismus aus der deutschen Geschichte. Schließlich geht es in der rechtspopulistischen Perspektive jedoch weniger um historische Details, geschichtswissenschaftliche Erkenntnisse oder abwägende Urteile, sondern vielmehr um das „Große Ganze“: Die Konstruktion einer nationalen Identität, die sich auf den Mythos von einem ethnisch und kulturell homogenen Volk gründet.

Klar kommunizieren, wofür ein Ort steht

Für Gedenkstätten, Erinnerungsorte und andere Bildungseinrichtungen und -institutionen ist es wichtig, nach außen zu kommunizieren, wofür ein Ort/eine Institution steht und wofür nicht. Was kann der Ort/die Einrichtung leisten und was nicht? Denn mitunter wird den Einrichtungen und Orten viel, zu viel, zugeschrieben, was dort geleistet werden soll. Immer wieder hört man etwa von Lehrer*innen den Wunsch, der Besuch eines Erinnerungsortes möge ihre Schulklasse „gegen Rechtsextremismus immunisieren“. Das kann niemand leisten. Machen Sie vorab deutlich, dass die Angebote Ihrer Einrichtung vor einem bestimmten weltanschaulichen und normativen Hintergrund stattfinden. Eine absolute Neutralität kann es nicht geben. Machen Sie die Weltanschauung und die normativen Werte Ihrer Einrichtung transparent. Verdeutlichen Sie den inhaltlichen und thematischen Rahmen, in dem die Veranstaltungen durchgeführt werden. Was können Sie z.B. in der Arbeit mit Gruppen in welchem Zeitraum anbieten und wofür stehen Sie? Verdeutlichen Sie, dass Sie nicht zu jedem Thema aussagefähig sind und Sie sich nicht jeder Fragestellung und jedes Projektes annehmen können. Sonst laufen Sie Gefahr, dass Ihre Einrichtung beliebig wirkt. Verweisen Sie vielmehr auf andere Einrichtungen.

Veröffentlichen Sie diese Punkte auf der Internetseite Ihrer Einrichtung und sichtbar am Eingang der Einrichtung. Sie können bei zu weit gefassten oder falschen Erwartungen der Besucher*innen an die Arbeit Ihrer Einrichtung immer wieder darauf verweisen.

Besucherordnung und Hausverbot

Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen Rechtpopulist*innen einen Ort einzig zur Provokation oder zu dessen ideologischer Vereinnahmung besuchen. Unter diesen Umständen ist es angebracht, alle Möglichkeiten vom Gebrauch des Hausrechtes bis hin zur Anzeige in Betracht zu ziehen. Eine Besucherordnung kann ein probates Mittel sein, um Ideologieproduzent*innen aktiv in Schranken zu weisen. Die Frage ist: Wie wird diese Schranke gestaltet, wann wird sie angewandt und von wem?

In öffentlichen Einrichtungen kann ein Hausverbot mit einem Verstoß gegen die Hausordnung begründet werden. Ordnungen zur Nutzung öffentlicher Einrichtungen werden in der Regel zusätzlich zu Hausordnungen in Benutzungsordnungen geregelt. Diese sind öffentlich, bestenfalls auf der Internetseite der Einrichtung, bekanntzumachen, zumindest auszuhängen oder zur Einsicht bereitzuhalten. Für die Erteilung eines Hausverbotes ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. „In der Praxis erfolgen die meisten Hausverbote üblicherweise mündlich. Diese Form des Hausverbots ist auch wirksam und rechtlich verbindlich. Um das Hausverbot später ggf. nachweisen zu können, sollte man das Hausverbot später auch schriftlich gegenüber dem Betroffenen mitteilen.“4 Das Gesetz sieht keine zeitliche Obergrenze für ein Hausverbot vor, weshalb es grundsätzlich auch unbefristet ausgesprochen werden kann. Ob dies jedoch wirklich angemessen ist, muss stets für den Einzelfall entschieden werden.

Mitarbeiter*innen sollten im Umgang mit der Besucherordnung geschult werden. Wo genau liegen ihre Befugnisse und was sind die Handlungsspielräume? Was gibt es sonst noch an formalen Mitteln, mit rechtspopulistischen Besucher*innen umzugehen? Nicht selten, zum Beispiel, geht das Aussprechen eines Hausverbotes mit der Erstattung einer Anzeige gegen die jeweilige Person einher. Mitunter wird die Polizei sofort eingeschaltet.

Ebenso können auch vorab Hausverbote gegen Mitglieder von Parteien oder Organisationen erteilt werden, die durch demokratiefeindliche und menschenverachtende oder andere dem Zweck der Einrichtung widersprechende Äußerungen in Erscheinung getreten sind. Für ein Hausverbot ist jedoch nicht die Parteizugehörigkeit ausschlaggebend, sondern das konkrete persönliche Verhalten. Einzelne Personen können auch von der Teilnahme an Veranstaltungen ausgeschlossen werden. Dabei handelt es sich stets um Einzelentscheidungen. Wichtig ist, dass darauf in der Besucherordnung der Einrichtungen hingewiesen wird, so dass im Bedarfsfall darauf verwiesen werden kann. Gegebenenfalls sollte der Passus eingeführt werden.

„Hausverbote sind die ultima ratio, und man sollte dieses Instrument nicht leichtfertig einsetzen“, sagte Jens-Christian Wagner, der Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, in einem Interview.5 Hausverbote können von Rechtspopulist*innen auch benutzt werden, um sich selbst öffentlich als Opfer zu inszenieren. Dennoch können und müssen sie zuweilen verhängt werden, um den jeweiligen Ort, dessen Geschichte und die anwesenden Gäste zu schützen.

Welche Handlungsstrategien habe ich?

Hierfür gibt es kein Patentrezept! Es ist jedoch wichtig, sich im Vorfeld der verschiedenen Strategien bewusst zu sein und sich ein Repertoire zu erschließen. Ausgehend von der Situation und einem dazu passenden hilfreichen Analyseschema, kann im konkreten Fall aus dem Repertoire geschöpft werden.

Wie umgehen mit problematischen Äußerungen? – Eine Analysehilfe:

Im ersten Schritt gilt es, sich bewusst zu machen, was das Gesagte bei einem selbst auslöst. Welche Gefühle spielen eine Rolle und warum? Bei jedem Menschen werden in der gleichen Situation ganz unterschiedliche Gefühle ausgelöst. Das ist eng verknüpft mit der eigenen Erfahrungswelt und der Persönlichkeit. Mögliche Emotionen könnten zum Beispiel Wut, Ärger, Angst, Scham oder Irritation sein.

Gefühle sind an die individuellen Bedürfnisse geknüpft. Weil diese in der spezifischen Situation nicht erfüllt sind, entstehen sie. Im zweiten Schritt ist zu reflektieren, welche Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Möglich sind unter anderem Respekt, Solidarität, Gerechtigkeit oder Mitgefühl.

Im dritten Schritt geht es um die Analyse der Situation: Wer ist anwesend und wer ist vermeintlich betroffen? Wichtig ist dabei, dass Betroffene nicht im Raum beziehungsweise nicht präsent sein müssen. Neben der eigenen Person– die auch die betroffene Person sein kann – sind in der Regel noch andere Menschen anwesend: die Person, von der die problematische Aussage ausgeht, Zuschauende oder direkt Betroffene.

Die Frage, wer in welcher Form involviert ist, hat Einfluss auf das eigene Ziel. Dieses für sich zu klären, umfasst den vierten Schritt. Ist es mein Anliegen, die Situation zu beenden und eine klare Grenze zu setzen? Möchte ich meine (Gegen-) Position deutlich machen, für meine Werte einstehen, zum Nachdenken anregen oder Betroffene schützen? Je nachdem, was die getroffene Aussage bei mir auslöst, kann das angestrebte Ziel ein anderes sein.

Mithilfe der Analyse ist nun in einem letzten Schritt die zielorientierte Entscheidung für eine Handlungsstrategie möglich. Folgende Strategien sind denkbar:

Ins Gespräch kommen: Ist es das Ziel, zum Nachdenken anzuregen? Dann kann auf das Gesagte durch offene Nachfragen, Verbalisierung oder Spiegelung, also Zusammenfassung des Gesagten, reagiert werden. Diese Strategie kann zu einer längeren Diskussion führen. Dafür braucht es entsprechend Zeit und Raum. Zudem sollte die Person, die eine solche Aussage getroffen hat, keine Bühne geboten bekommen. Hierfür kann es helfen, die Gruppe in die Diskussion miteinzubeziehen.

Eine klare Grenze setzen: Dass die eigenen Werte gewahrt oder Betroffene geschützt werden sollen – diese Strategie eignet sich in vielen Situationen. Der Person, von der die abwertende Äußerung ausgeht, wird deutlich zu verstehen gegeben, dass das Gesagte in diesem Moment, an diesem Ort keinen Platz hat. Diese Strategie hat den Vorteil, dass es eine klare Reaktion auf das Gesagte gibt, jedoch sollte eine Begründung angeschlossen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass eine Wahrnehmung von „ich darf meine Meinung nicht sagen“ entsteht.

Die eigene (Gegen-) Position aufzeigen: Durch deutliches Widersprechen kann der eigene Standpunkt aufgezeigt sowie auch zum Nachdenken oder zum Perspektivwechsel angeregt werden. Mithilfe einer klassischen Ich-Botschaft geschieht dies auf eine wertschätzende Art und Weise. Eine Ich-Botschaft besteht aus einer Spiegelung der Wahrnehmung sowie der Wirkung einer Aussage und der Formulierung eines Wunsches. Insbesondere für den pädagogischen Kontext ist diese Strategie sehr hilfreich.

Auch Sachargumente, also Zahlen und Fakten, können unterstützend helfen; in der Regel nicht alleine und erst im zweiten oder dritten Schritt. Sie sind aber wichtig, um die eigene Reaktion zu begründen und andere Perspektiven aufzuzeigen.

 

Dieser Beitrag ist eine gekürzte Version des Aufsatzes:

Bothe, Larissa / Wunnicke, Ruth: Handlungsempfehlungen für den Umgang mit rechtspopulistischen Äußerungen von Besucher*innen in Gedenkstätten und Erinnerungsorten. In: Vereinnahmung von Demokratiegeschichte durch Rechtspopulismus (Parak, Michael/Wunnicke, Ruth, Hg.), Berlin 2019, S. 82-103. Online unter: www.gegen-vergessen.de/fileadmin/user_upload/Gegen_Vergessen/Dokumente/Broschueren/Rechtspolulismus_Demokratiegeschichte_2019.pdf

 

Über den Verein können Fortbildungen für das eigene Team gebucht werden:

www.gegen-vergessen.de/unsere-angebote/argutraining/

 

Amerkungen

1 Larissa Bothe und Ruth Wunnicke sind wissenschaftliche Referentinnen bei Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. in Berlin.

 

2Reichsbürger sind Einzelpersonen oder Gruppen, die die Budnesrepublik mit ihren Gesetzen und Institutionen nicht anerkennen, auch nicht das staatliche Gewaltmonopol. Daher kommt es immer wieder zu Gewalttätigkeiten. Reichsbürger sind in letzter Zeit auch bei Anti-Corona-Demonstrationen präsent.

3Sturm: Michael: Geschichtspolitik als Kulturkampf – der Gebrauch von „Geschichte“ im aktuellen Rechtspopulismus . In: Vereinnahmung von Demokratiegeschichte durch Rechtspopulismus (Parak, Michael/Wunnicke, Ruth Hg.), Berlin 2019, S. 18-45. Online unter: https://www.gegen-vergessen.de/fileadmin/user_upload/Gegen_Vergessen/Dokumente/Broschueren/Rechtspolulismus_Demokratiegeschichte_2019.pdf [Stand: 15.06.2021]

4Barbara Thimm/Gottfried Kößler/Susanne Ulrich (Hg.): Verunsichernde Orte. Selbstverständnis und Weiterbildung in der Gedenkstättenpädagogik. Frankfurt am Main 2010, S. 156.

5Zitiert nach: Hausverbot für AfD-Mann Höcke, in: Göttinger Tagblatt, 11.04.2018, [online] www.goettinger-Tageblatt.de/Die-Region/Duderstadt/Hausverbot-fuer-AfD-Mann-Hoecke-fuer-Thueringer-Gedenkstaetten [Stand: 15.06.2021]