Aufrüstung-Nein Danke

Von Ullrich Klotzek[1]

Warum vertrete ich diese Auffassung?

  1. Ich bin überzeugt, dass mehr Waffen nicht mehr Frieden schaffen – selbst Frieden - nicht einmal sicherer machen können. Kriege in der heutigen Zeit - insbesondere gegen eine Atommacht sind nicht gewinnbar. Mit mehr Rüstung wird nur eine Spirale in Gang gesetzt, bei der die jeweils andere Seite ebenfalls in Abhängigkeit von der eigenen Aufrüstung diese Schritte nachvollziehen wird. Dabei werden die Waffensysteme immer ausgefeilter- zukünftig auch noch KI gesteuert und jede Seite versucht sich ein entsprechenden militärisch-technischen Vorteil zu verschaffen. Das ist natürlich im Interesse von Rüstungskonzernen und sichert deren Profite dauerhaft. Aber durch immer schneller agierende und reagierende Waffensysteme steigt die potentielle Gefahr von Fehlanalysen , Fehlreaktionen und Kurzschlusshandlungen. Um dies an einem Beispiel zu erläutern ; bei der beabsichtigten Stationierung von US-Mittelstreckenraketen -ausschließlich in Deutschland- die auch atomar bestückt werden können- beträgt die Flugzeit bis Moskau ca.8 Minuten. Bei einem Fehlalarm verbleibt also maximal diese Zeitspanne für eine Überprüfung oder Gegenmaßnahmen greifen. Bei der heutigen Waffentechnik und deren kurzen Reaktionszeiten erscheint selbst so eine Einrichtung, wie das rote Telefon zwischen den USA und Russland-was es noch geben soll- fast wie aus der Zeit gefallen. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die Raketensysteme zukünftig KI gesteuert sein werden-d.h. eine Abfolge von automatischen Algorithmen ohne jede Emotionalität, Empathie und Verantwortungsbewusstsein entscheidet dann  über die weitere Handlungsweise, also über Leben und Tod. Dann ist das für mich ein beängstigendes Szenario.
  2. Zusätzlich zu diesen Bedenken besteht die reale Gefahr einer atomaren Auseinandersetzung. Die US - amerikanische Atomdoktrin sieht  schon immer die Möglichkeit eines Erstschlages vor. Für Russland galt bisher; ein Nuklearwaffen Einsatz erfolgt erst, wenn es sich in seiner Existenz bedroht fühlt. Seit November 2024 hat Russland allerdings seine Atomdoktrin geändert und die Leitlinien für den Einsatz seiner Nuklearwaffen deutlich gelockert. Es ist daher festzustellen, dass die Gefahr eines Atomkrieges insgesamt stark gestiegen ist. Bei der Stationierung der US - Mittelstreckenraketen ab 2026, die wie oben bereits erwähnt, auch atomar bestückt werden können, sowie der im Fliegerhorst Büchel  bereits stationierten Atomwaffen der USA – über die Deutschland keinerlei Mitsprache oder Verfügungsgewalt hat – wird Deutschland  im Kriegsfall im Mittelpunkt eine atomaren Auseinandersetzung mit all seinen schrecklichen Folgen stehen. Dieses atomare Szenario gilt natürlich auch weltweit, da die beiden größten Atommächte, USA und Russland grundsätzlich über die Kapazitäten verfügen, das menschliche Leben auf der Erde insgesamt zu vernichten. Bereits zur Zeit des kalten Krieges wurde aufgrund der US- amerikanischen Atomdoktrin-Vorbehalt des Erstschlages /Enthauptungsschlags - seitens Russlands die Reaktion der sogenannten „toten Hand“ entwickelt um darauf zu reagieren. Nach dem Motto „wer zuerst schießt, stirbt als zweiter.“
  3. Deutschland/Westeuropa sind nicht verteidigungsfähig - egal, wie viel Geld für Verteidigung ausgegeben wird. Aufgrund der dichten Besiedlung, der zentralisierten Versorgungs- und Infrastruktur, den Möglichkeiten moderner Waffentechnik und fehlender Schutzmöglichkeiten für eine Bevölkerung von ca.83,6 Millionen Einwohnern.Der ehemalige Brigadegeneral Erich Vad -von 2006-2013 Gruppenleiter im Bundeskanzleramt und militärpolitischer Berater der  damaligen Bundeskanzlerin- beschreibt die Situation sehr treffend in seinem im November 2024 erschienen Buch“ Ernstfall für Deutschland-ein Handbuch gegen den Krieg“. Die Auffassung, dass Deutschland als erklärte Drehscheibe der NATO im Zentrum eines Krieges stehen wird, teilt auch der von vielen kriegstüchtig Begeisterten so geschätzte Professor Carlo Masala.(ARD 27.02.2025) Auch der Plan, Deutschland mit einem“ Iron-Dome“ wie Israel ihn hat zu schützen, ist aufgrund der territorialen Größe Deutschlands unrealistisch. Zum einen hat Israel im Verhältnis zu Deutschland nur etwa  die Größe des Bundeslandes Hessen und zum anderen hat gerade die kriegerische Auseinandersetzung mit dem Iran die Schwächen dieses Systems deutlich aufgezeigt. Darüber hinaus würde es sich bei Russland wohl doch um einen Akteur ,einer anderen Ligaklasse handeln ,als es der Iran ist .
  4. Die wirtschaftlichen Folgen der Aufrüstung sind nicht beherrschbar , beziehungsweise bedeuten die teilweise Abwicklung des noch bestehenden Sozialstaates. Wir werden in den nächsten Monaten und Jahren  Zeugen und letztendlich Leidtragende der Diskussionen  und der Handlungen der Bundesregierung werden, wenn entsprechende Einschnitte in bisher nie gekannter  Art und Weise in das Sozialsystem erfolgen. Bei der Zusage der NATO Staaten gegenüber der USA(außer Spanien) 5 % des Bruttosozialprodukts für Rüstung bereitzustellen, steigert die Belastung des Bundeshaushaltes in gigantische Höhe. Der gerade beschlossene Haushaltsentwurf für 2025 und der Haushaltsrahmen bis 2029 sehen Rekordinvestionen vor. Darunter das neue NATO -Ziel von 3,5 % des BIP für Waffen und Soldatengehälter sowie weitere 1,5 % des BIP für Investitionen in militärische Infrastruktur. Dafür müssen von 2025-2029 insgesamt ca.378 Milliarden € an Krediten aufgenommen werden. Die jährlichen Militärausgaben werden sich bis 2029 dann auf ca.162 Milliarden € fast verdoppeln. Daraus resultiert ein Anstieg der Zinsbelastung -bei konservativer Schätzung-von bisher ca. 30 Milliarden € im Jahr 2024 auf dann ca. 62 Milliarden € im Jahr 2029. Dann werden die Zinszahlungen ca. 10 % des Bundeshaushaltes ausmachen. Das bleibt nicht ohne Folgen -neben dem Sozialabbau - auch auf Klima-und Zukunftsinvestitionen. In  den letzten beiden Jahren fand das nominale „Wachstum „ des BIP im wesentlichen im leichten minus beziehungsweise null Bereich statt und die Prognosen für die Zukunft sind ebenfalls - bei den führenden Wirtschaftsinstituten -nicht besonders optimistisch. Dies wird die Situation weiter belasten. Unabhängig von der zukünftigen Einschätzung der Rating-Agenturen zur deutschen Kreditwürdigkeit (siehe aktuelle Probleme Frankreichs) ist jetzt schon eine Verteuerung der deutschen Staatsanleihen festzustellen, die letztendlich zu höheren Zinsbelastungen des Staates führen werden. Nun zum Argument oder zur Mär dass die Rüstungsausgaben die Konjunktur  wesentlich stärken. Bei den Rüstungsausgaben handelt es sich um ein Monopolverhältnis zwischen Rüstungsunternehmen und Staat. Die vom Staat konkret bestellten Rüstungsgüter werden von den Rüstungsfirmen entsprechend hergestellt. Es gibt also kein Spielraum für Konkurrenzprodukte. Demzufolge werden von den privatwirtschaftlich organisierten Rüstungsunternehmen im Sinne ihrer Aktionäre - in einer kapitalistisch organisierten Gesellschaftsordnung -Monopolpreise erwartet und  letztendlich realisiert. Eine umfassende Qualitätsüberprüfung der Rüstungsgüter bezüglich der gewünschten ,konkreten und daher preisrelevanten Anforderungen des Staates kann jedoch in der Regel nur im Kriegsfall überprüft werden, was sich in der Sache dann Defacto ausschließt. Die exorbitanten Gewinne gehen an dem militärisch - industriellen Komplex beziehungsweise dessen Aktionäre. Diese Gewinne gehen im wesentlichen nicht in den Konsum-wie bei nicht so finanzkräftigen Bevölkerungsschichten- sondern werden besonders gerne weltweit oder in Steueroasen angelegt. Sie gehen dem deutschen Staat daher in der Regel verloren. Andere begleitende Konjunktureffekte wie  bei normalen Konsumgütern treten aufgrund der Spezifik von Rüstungsgütern nicht auf. Eine gewisse Ausnahme bilden die Löhne der in der Rüstungsindustrie Beschäftigten die im wesentlichen wie bei anderen Arbeitnehmern auch in den Konsum fließen.Dabei muss aber im Einzelnen betrachtet werden, wie die Situation sich konkret darstellt, wenn zum Beispiel der Waggonbau in Görlitz wie beabsichtigt, in eine französische Panzerfabrik umgewandelt werden soll— die Arbeitnehmer jedoch die selben bleiben- ist dieser Effekt nicht gegeben. Außerdem ist davon auszugehen, dass aufgrund der Zusicherung der NATO Staaten -ein erheblichen Teil der Rüstungsgüter in den USA unter  den Bedingungen des American First - zu kaufen, ohne jeden konjunkturellen Effekte für die deutsche Wirtschaft bleibt.

 

 

Neben diesen rationalen Überlegungen, die meine Position bezüglich Aufrüstung und Krieg tragen, gibt es für mich natürlich noch emotionale und kulturelle Überzeugungen, die ausschlaggebend sind. Ich bin in einem protestantisch geprägten Elternhaus in der Uckermark aufgewachsen. Mein Vater hat den zweiten Weltkrieg von Anfang bis Ende als Soldat inklusive russischer Gefangenschaft und Verlust seiner ostpreußischen Heimat erlebt. Das „Nie wieder Krieg „ war in unserer Familie nicht ein Slogan, sondern gelebte Überzeugung. Aufgrund meiner protestantischen Erziehung -daher auch ausgehend von der Bergpredigt Jesu und zum Beispiel den Aussagen im Matthäus Evangelium „Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen“, vertrete ich einen religiösen Pazifismus. Darüberhinaus hinaus hat mich auch der sogenannte Atom - und Nuklearpazifismus, der als Lehre aus den US-amerikanischen Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki entstanden ist, wesentlich beeinflusst. Nun haben es pazifistische Positionen schon immer schwer gehabt, entweder gelten sie dem Mainstream und den Herrschenden als lächerlich oder als gefährlich je nach politischer Großwetterlage. Da ich aktiv in der protestantischen Friedens - und Umweltbewegung der DDR war(Friedenskreis der ESG, ÖKF Friedrichsfelde, Öko-Kalender Wittenberg, Radsternfahrten Waldhof Templin, etc.) weiß ich, wovon ich rede. Allerdings werden auch jetzt wieder pazifistische Positionen in den Medien sowie einem großen Teil der Politik fast ständig verunglimpft. Dennoch beziehungsweise gerade deswegen sollte die pazifistische Bewegung und deren Akteure selbstbewusst ihre Positionen vertreten und sich als „Salz in der Suppe der Kriegstüchtigen „ fühlen.

 

Aufgrund meiner dargelegten Positionen und Überzeugungen bin ich natürlich gegen Waffenlieferungen und Kriegsunterstützung weltweit. Gegen Aufrüstung und Kriegsrhetorik - für Diplomatie und Verhandlungen. Auf das Leben!

 

 

 

 

 

 

 


[1] Ökonom, Mitbegründer der DDR-Grünen, später Bereichsleiter im Brandenburgischen Bildungsminiszerium