Ukrainische Innenpolitik im Schatten des Krieges

Von Eduard Klein[1]

Seit Beginn der russischen Vollinvasion im Februar 2022 hat sich die ukrainische Innenpolitik tiefgreifend verändert. An die Stelle der oftmals polarisierten politischen Debatte trat ein beispielloser nationaler Zusammenhalt. Unter der existenziellen Bedrohung durch Russland und dem dringenden Handlungsbedarf für ein effizientes Krisenmanagement wurde die Exekutive um Präsident und Präsidialbüro gestärkt, während das Parlament und auch die Regionen Kompetenzeinbußen hinnehmen mussten. Das Kriegsrecht, seit über drei Jahren in Kraft, schränkt demokratische Verfahren ein, was innenpolitisch pragmatisch akzeptiert, von außen jedoch immer wieder kritisch gesehen wird. Neben der Priorität der Landesverteidigung standen Gesetzesreformen mit dem Ziel, die Kriegsfolgen abzumildern und die Ukraine näher an die EU zu bringen, im Mittelpunkt. Zuletzt sorgten Angriffe auf unabhängige Antikorruptionsinstitutionen sowie eine Kabinettsumbildung im politischen Kyjiw für Schlagzeilen. Ein weiteres zentrales Thema der politischen Debatte ist die Frage nach Wahlen, die bis zur Aufhebung des Kriegsrechts jedoch ausgesetzt bleiben.

Russlands brutaler Angriffskrieg gegen die Ukraine dauert nun schon seit mehr als dreieinhalb Jahren an. Trotz aller internationaler Friedensbemühungen rückt der russische Machthaber Wladimir Putin nicht von seinen maximalistischen Zielen ab, die Unabhängigkeit und Staatlichkeit der Ukraine zu zerstören, nach dem Motto: Wenn ich die Ukraine schon nicht regieren (oder zumindest durch ein Puppenregime kontrollieren) kann, werde ich sie halt zerbomben. Die Ukraine wehrt sich tapfer mit internationaler militärischer Unterstützung. Das führt dazu, dass die Lage an der Front seit langem relativ festgefahren ist und sich kaum ändert: Beim aktuellen Tempo seines Vormarsches bräuchte Russland etwa 90 Jahre, um die gesamte Ukraine zu erobern.[2]

Für die Ukraine rückte seit Beginn der Invasion die Landesverteidigung an erste Stelle. Die Politik stand in den ersten Tagen und Wochen der Vollinvasion quasi „still“, kehrt aber Stück für Stück in die (Kriegs-)Normalität zurück. So beschloss der Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk am 9. September 2025, die Parlamentssitzungen wieder live zu übertragen – zuvor war dies aus Sicherheitsgründen verboten. Nun können Journalisten wieder live Debatten ansehen und darüber berichten.

Solche Meldungen über das politische „Innenleben“ der Ukraine gehen angesichts des Nachrichtenstroms über tägliche russische Angriffe oder internationale Friedensbemühungen oft unter. Der nachfolgende Text ist ein Versuch, zentrale innenpolitische Entwicklungen in der jüngeren Zeit zu beleuchten und einzuordnen.

Krisenmanagement, „Rally-'round-the-Flag“ und Machtkonzentration nach Russlands Vollinvasion

Mit Beginn der russischen Vollinvasion am 24. Februar 2022 und dem Vormarsch der russischen Armee auf die Hauptstadt Kyjiw war die ukrainische Politik, die früher stets von polarisierten Debatten geprägt war, so vereint wie nie. Es galt, die existenzielle Bedrohung von außen durch Russland, die unabhängig von den politischen Ansichten alle betraf – tragischerweise vor allem die tendenziell eher Russisch sprechende und eher pro-russische Bevölkerung im Osten (die Putin angeblich „schützen“ will) – abzuwehren und eine Krise ungekannten Ausmaßes zu „managen“: von militärischen Aktivitäten über humanitäre Hilfen und Evakuierungen bis hin zum Wiederaufbau (vor allem kritischer Infrastruktur).

Wie bei Kriegen üblich, führte die äußere Bedrohung zu einem „Rally-'round-the-Flag“-Effekt: Die Gesellschaft stand geschlossen wie nie zuvor, wie Meinungsumfragen zeigen. Selbst die Opposition, zuvor stets kritisch, unterstützte die Regierung bei wichtigen Entscheidungen. So stimmte das Parlament der Verhängung des Kriegszustands durch Wolodymyr Selenskyj am 24. Februar 2022 in einer historischen Sitzung – sie dauerte nur neun Minuten, weil russische Truppen auf Kyjiw vorrückten – noch am selben Tag zu. Bis heute wurde das Kriegsrecht 16 Mal vom Parlament verlängert. Und das, obwohl die Sonderregelungen und Einschränkungen der Demokratie auch die Opposition betreffen. So schränkt das Kriegsrecht z. B. die Versammlungsfreiheit ein, verbietet Wahlen und auch Änderungen der Verfassung (was z. B. territoriale Konzessionen an Russland schwierig machen dürfte).

Eine Folge des Krieges war die Machtkonzentration in den Händen der Exekutive: Der Präsident und sein Präsidentenbüro, geleitet von Selenskyjs engem Vertrauten Andrij Jermak, erhielten durch das Kriegsrecht neue Vollmachten, wodurch sie ihre Macht Schritt für Schritt ausbauen und konsolidieren konnten. Bei der Besetzung von wichtigen Posten setzen sie auf loyale Personen aus ihrem Umfeld. Ein gutes Beispiel dafür war die erste größere Kabinettsumbildung seit der Invasion im Sommer 2024. Zwar gab es gute Gründe: Man wollte frischen Wind in die Regierung bringen, die ja nicht durch Wahlen abgelöst werden konnte. Aber mit der Besetzung von Favoriten aus dem Umfeld von Selenskyj und Jermak stärkten sie ihren informellen Einfluss noch weiter.[3]

Das Machtgefüge verschob sich zulasten der Legislative[4] sowie der Regionen[5], wo Selenskyj Militärgouverneure einsetzte. Kritiker werfen Selenskyj und Jermak (dem de facto zweitmächtigsten Mann im Staat) daher regelmäßig vor, die mühsam erkämpfte Demokratie zu schwächen und warnen vor autokratischen Tendenzen. Hinzu kommen immer wieder Vorwürfe von außen (vor allem aus Russland, aber auch aus den USA), sowohl Präsident als auch Parlament seien illegitim[6], weil ihre Amtszeiten längst abgelaufen seien und sie sich an die Macht klammerten – tatsächlich sind, wie erwähnt, unter Kriegsrecht Wahlen verboten. Die Ukrainer sehen diese Entwicklung angesichts des andauernden Krieges, der schnelle Entscheidungen statt zermürbenden Parlamentsdebatten erfordert, pragmatisch – und sind gleichzeitig so überzeugt von der Demokratie wie nie zuvor.[7]

Paradoxerweise führte der Krieg dazu, dass das Parlament gerade unter schwierigen Bedingungen besonders effizient arbeitet statt sich zu blockieren[8]: Im Frühjahr 2022 wurden 229 neue Gesetze verabschiedet, ein Rekord in so kurzer Zeit. Viele hatten direkt mit dem Krieg bzw. der Bewältigung seiner Folgen zu tun. Darunter waren einige als positiv zu wertende Gesetze, wie z. B. Arbeitsmarktreformen oder Hilfen für vom Krieg direkt betroffene Personen. Aber es gab auch einige, die aus demokratischer Perspektive als problematisch angesehen werden wie die Verbote pro-russischer Parteien im Mai 2022 oder das Ausreiseverbot für Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren. Dennoch ist wichtig festzuhalten, dass die Ukraine weiterhin ein demokratisch regierter Staat ist – wenn auch mit kriegsbedingten Einschränkungen.

Politischer Angriff auf Antikorruptionsorgane von der Gesellschaft (vorerst) verhindert

Im Juli 2025 rüttelte das konzertierte Vorgehen gegen die ukrainische Antikorruptionsinfrastruktur das Land auf. Hintergrund waren mehr als 70 Durchsuchungen bei Mitarbeitenden des unabhängigen Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU), durchgeführt vom Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) und anderen Behörden, die weitgehend unter Kontrolle der politischen Führung des Landes stehen. Dabei wurde u. a. ein leitender NABU-Ermittler unter zweifelhaften Vorwürfen vom SBU verhaftet. Seine Untersuchungshaft wurde aktuell bis zum 21. Oktober 2025 verlängert.

Die Durchsuchungen waren der Auftakt einer größeren Kampagne: Nur wenige Tage später drückten Parlament und Präsident in Windeseile ein Gesetz durch, welches das NABU und die Sonderstaatsanwaltschaft für Korruption (SAPO) de facto unter die politische Kontrolle des Präsidenten stellte. Daraufhin brachen die ersten landesweiten Proteste seit Beginn der Vollinvasion aus – ein Ausdruck dessen, dass die ukrainische Zivilgesellschaft weiterhin ein wichtiges Korrektiv darstellt und die Demokratie lebt. Nach der massiven Kritik im In- und Ausland ruderten Präsident und Regierung eine Woche später zurück und erließen ein neues Gesetz, das den status quo ante praktisch wiederherstellte. Der Kyiv Independent, eine der wichtigsten ukrainischen Zeitungen, titelte: „Democracy won the day in Ukraine“.[9]

Was war der Hintergrund? Ukrainische NGOs vermuten, dass NABU und SAPO mit ihren Ermittlungen gegen Personen aus dem innersten Kreis des Präsidenten wohl zu weit gegangen waren: Im Juni warfen sie Vizepremier Oleksij Tschernyschow (ein enger Vertrauter Selenskyjs) Amtsmissbrauch und Bestechung in großem Ausmaß vor.[10] Politische Beobachter sehen daher im Vorgehen gegen das NABU einen Rachefeldzug und eine Warnung, dass die Korruptionsbekämpfer nicht weiter gegen das engste Umfeld des Präsidenten ermitteln sollen.

Auch gegen den prominenten Antikorruptionsaktivisten Witalij Schabunin wird ermittelt, und zwar vom Staatlichen Ermittlungsbüro (DBR), das formal unabhängig ist, aber faktisch unter Kontrolle des Präsidenten steht. In Schabunins Fall sind ebenso Zweifel angebracht, ob die Vorwürfe gegen ihn nicht fabriziert und eher politisch motiviert sind. Das vermuten zumindest etwa 60 unabhängige NGOs, die deswegen einen Protestbrief an Präsident Selenskyj verfasst haben.[11]

Beide Fälle zeigen exemplarisch, dass es aktuell eine harte Auseinandersetzung gibt: zwischen den weitgehend unreformierten und unter politischem Einfluss stehenden Institutionen wie SBU oder Generalstaatsanwaltschaft auf der einen und den nach 2014 neugeschaffenen, unabhängigen Antikorruptionsbehörden wie NABU, SAPO oder dem Obersten Antikorruptionsgericht (HACC) auf der anderen Seite. Der Ausgang des Konflikts ist derzeit offen.

EU-Annäherung fest im Blick

Nach Beginn der Vollinvasion hat die Ukraine große Fortschritte bei der Annäherung an die EU gemacht: Im Juni 2022 erhielt das Land den EU-Kandidatenstatus verliehen. Im Dezember 2023 folgte der EU-Rat der Empfehlung der EU-Kommission und stimmte für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Und am 25. Juni 2024 begannen die offiziellen Beitrittsgespräche.

Die EU-Kommission empfahl nun zwar, erste Kapitel zu eröffnen, da man ausreichende Fortschritte u. a. bei der Rechtsstaatlichkeit sehe. Allerdings werfen die jüngsten Angriffe auf die unabhängigen Antikorruptionsbehörden kein gutes Licht auf Kyjiw. Die EU tut gut daran, die weiteren Entwicklungen in diesem Bereich genau zu verfolgen.

Im Kontext der EU-Integration muss man jedoch auch sehen, dass die Ukraine in den letzten zehn Jahren ihre Hausaufgaben gemacht hat – im Rahmen des EU-Ukraine-Assoziierungsabkommens sowie der vertieften und umfassenden Freihandelszone (DCFTA) zwischen Europäischer Union und Ukraine. Laut der bis August 2025 für die Beziehungen zur EU zuständigen Ministerin Olha Stefanyschina hat die Ukraine 81 Prozent des Assoziierungsabkommens umgesetzt und damit bereits große Teile nationaler Gesetze mit EU-Recht harmonisiert.[12] Daher ist die Ukraine im Vergleich zu anderen EU-Beitrittskandidaten recht weit: Im Bereich politische und rechtliche Grundlagen lag sie 2023 laut Experten vor allen anderen, während sie sich im Bereich Wirtschaft und Verwaltung im Mittelfeld bewegte.[13]

2024 konnte die Ukraine vor allem im Bereich Zollwesen große Fortschritte verzeichnen. Größere Anstrengungen sind noch unter anderem in den Bereichen Sozialpolitik, Betrugsbekämpfung und Unternehmenspolitik nötig.[14] Da es nun jedoch im Unterschied zu früher sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft einen klaren Konsens gibt – seit Russlands Vollinvasion sprechen sich in Umfragen 90 Prozent der Bevölkerung für einen EU-Beitritt der Ukraine aus –  ist davon auszugehen, dass die Ukraine diesen Weg auch weiterhin verfolgen wird. Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass es kein Sprint wird (wie gefühlt in den letzten drei Jahren), sondern ein Marathon, der noch viele Jahre dauern wird.

Regierungswechsel im Juli: Frischer Wind oder Zeichen des „Goodwill“ an die USA?

Mitte Juli 2025 fand der zweite größere Kabinettsumbau seit der Vollinvasion statt. Denys Schmyhal, der 2020 zum Premier ernannt worden war und das Land in seiner ruhigen und technokratischen Art erst durch die Corona-Pandemie und dann durch die ersten Kriegsjahre führte (und damit zum am längsten amtierenden Regierungschef in der Ukraine wurde), reichte am 15. Juli seinen Rücktritt ein. Seine Nachfolgerin wurde Julija Swyrydenko, die wie Schmyhal aus der Privatwirtschaft kam und sich seit 2021 als stellvertretende Ministerpräsidentin und effektive Krisenmanagerin verdient gemacht hatte.[15] Sie soll der Regierung neue Impulse geben. Ihre guten Beziehungen in die heimische Wirtschaft sowie nach China und in die USA sollen laut Selenskyj vor allem helfen, den ukrainischen Rüstungssektor zu stärken. Swyrydenko hatte allerdings einen schwierigen Start: Ihr Amtsantritt fiel zusammen mit dem Vorgehen gegen die Antikorruptionsbehörden und sie musste beweisen, dass sie in der Lage ist, auch durch solch schwierige Fahrwasser zu navigieren.

Schmyhal wiederum ersetzte Verteidigungsminister Rustem Umjerow, der neuer Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats wurde. Der wichtige Posten der Botschafterin in den USA, wo Oksana Markarowa bei US-Präsident Trump und seinen Leuten in Ungnade gefallen war, obwohl sie aus ukrainischer Perspektive einen guten Job in Washington gemacht hatte, ging an Olha Stefanischyna. Stefanischyna, die vorher als Vize-Ministerpräsidentin für die europäische und euroatlantische Integration die Ukraine ein ganzes Stück näher an die EU herangeführt hatte, bringt großes politisches Gewicht und viel internationale Erfahrung mit. Durch die Abberufung von Markarova kam die Ukraine der Trump-Regierung weit entgegen. Nun sollen Swyrydenko, Schmyhal und Stefanischyna für unbelastete und gute Beziehungen zur amerikanischen Politik und (Rüstungs-)Wirtschaft sorgen, deren militärische Unterstützung – die unter Trump immer wieder auf der Kippe steht – dringend benötigt wird.

Was, wenn es Wahlen gäbe?

Unter Kriegsbedingungen, die aktuell festgefahren wirken, sich allerdings schnell und unvorhersehbar ändern können, ist es schwierig, die weiteren innenpolitischen Entwicklungen in der Ukraine vorherzusagen. Das gilt auch für Wahlen als zentralem Element der Demokratie. Auch wenn sie unwahrscheinlich bleiben, solange das Kriegsrecht herrscht, wird viel darüber spekuliert. Dennoch bedarf es für die ersten Nachkriegswahlen, die das politische Geschehen in der Nachkriegsukraine prägen werden, frühzeitiger Vorbereitungen.[16] Dabei gilt es, zentrale Herausforderungen zu bewältigen – etwa die Frage, wie Millionen ins Ausland geflohene Menschen aus der Ukraine ihre Stimme abgeben können, oder wie sich die Sicherheit am Wahltag gewährleisten lässt. Dies sind lediglich zwei von vielen Problemen, die gelöst werden müssen. Was die von Russland besetzten Gebiete anbelangt, sind dort freie und faire Wahlen noch weniger als in Russland selbst vorstellbar; ebenso wenig die Teilnahme der dort lebenden Menschen an Wahlen in der Ukraine.

Auch wenn nicht absehbar ist, wann Frieden oder zumindest ein Waffenstillstand einkehren und Wahlen frei, sicher und fair abgehalten werden können, gibt es regelmäßig Wahlbefragungen. Die jüngste Umfrage von August 2025[17] sah Präsident Selenskyj mit 35 % vor dem ehemaligen Oberkommandierenden der ukrainischen Streitkräfte Walerij Saluschnyj mit 25 %, wobei letzterer bisher stets verneint hat, kandidieren zu wollen.

Was die Parlamentswahlen angeht, würde Selenskyjs Partei „Diener des Volkes“ im Vergleich zur letzten Wahl 2019 die absolute Mehrheit verlieren und käme derzeit nur auf 20 % – hinter der Partei von Saluschnyj (24 %), die es allerdings noch gar nicht gibt. Auf Platz drei käme mit 7 % die „Europäische Solidarität“ des ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko. Dahinter folgen mit jeweils 6 % die – aktuell ebenfalls nur in hypothetischen Umfragen existierenden – Partei „Asow“ der Asow-Brigade sowie die Partei des populären Chefs des Militärnachrichtendienstes (GRU) Kyrylo Budanow. Dass drei der fünf Parteien aktuell nur auf dem Papier existieren zeigt, wie sehr die Parteienlandschaft in der Ukraine, die ohnehin nie wirklich stabil war, kriegsbedingt in Bewegung geraten ist und wie schwer es ist, die politischen Konstellationen nach dem Krieg vorherzusehen.

Fazit

Die ukrainische Innenpolitik befindet sich seit der Vollinvasion in einem dauerhaften Ausnahmezustand, der einerseits Effizienz und Zusammenhalt befördert, andererseits die Gefahr von Machtkonzentration und institutioneller Aushöhlung birgt. Trotz aller Schwierigkeiten zeigen (nicht nur die) politischen Institutionen eine starke Resilienz. Die Regierung muss dabei einen schwierigen Balanceakt meistern: zwischen den Erfordernissen des Krieges, den Erwartungen internationaler Partner (die mehr denn je gebraucht werden) und dem Schutz demokratischer Institutionen. Der Ausgang dieses Prozesses wird entscheidend dafür sein, wie stabil und demokratisch die Nachkriegsukraine sein wird – und ob und wie schnell sie in die EU aufgenommen werden kann.


[1] Dr. Eduard Klein ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen. Er ist Redakteur der Ukraine-Analysen und des englischsprachigen Ukrainian Analytical Digest.

[2] Im Mai 2025, als die russische Armee langsamer vordrang, wurde sogar noch von 231 Jahren ausgegangen. Forbes: At The Current Rate, It Would Take Russia Centuries And Tens Of Millions Of Casualties To Capture Ukraine, 01.05.2025, https://www.forbes.com/sites/davidaxe/2025/05/01/at-the-current-rate-it-would-take-russia-centuries-and-tens-of-millions-of-casualties-to-capture-ukraine/.

[3] Josh Rudolph, Valeriia Ivanova, Regierungsumbau konsolidiert die Macht im Präsidialamt. Ukraine-Analysen 304(2024), S. 4-5, https://laender-analysen.de/ukraine-analysen/304/ukraine-regierungsumbau-konsolidiert-macht-im-praesidialamt/.

[4] Irina Khmelko, Das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive in Zeiten des Krieges: Die Ukraine seit Beginn der russischen Vollinvasion, Ukraine-Analysen 299(2024), S. 2-6, https://laender-analysen.de/ukraine-analysen/299/beziehung-legislative-exekutive-ukraine-seit-der-russischen-vollinvasion/.

[5] Andrii Darkovich, Maryna Rabinovych, Dezentralisierung in der Ukraine unter Kriegsrecht: Ein Balanceakt, ZOiS Spotlight on Ukraine 18(2025), https://www.zois-berlin.de/publikationen/zois-spotlight/dezentralisierung-in-der-ukraine-unter-kriegsrecht-ein-balanceakt.

[6] Eduard Klein, Heiko Pleines, Wirklich ein „Diktator ohne Wahlen“? Zur Legitimität und Popularität des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Ukraine-Analysen 311(2025), S. 30-31, https://laender-analysen.de/ukraine-analysen/311/trump-legitimitaet-popularitaet-selenskyj/.

[7] Olga Onuch, Why Ukrainians Are Rallying Around Democracy, Journal of Democracy, 33 (4), 2022, S. 37-46, https://dx.doi.org/10.1353/jod.2022.0045.

[8] Heiko Pleines, Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine, Ukraine-Analysen 285(2023), S. 2-4, https://laender-analysen.de/ukraine-analysen/285/zwischen-kriegsrecht-und-reformen-die-innenpolitische-entwicklung-der-ukraine/.

[9] Kyiv Independent, Editorial, Democracy won the day in Ukraine - but it will be tested again 31.07.2025, https://kyivindependent.com/editorial-democracy-won-in-ukraine-today-but-the-battle-isnt-over/.

[10] Denis Trubetskoy, Ende eines zweifelhaften Ministeriums, Ukraine verstehen, 03.07.2025, https://ukraineverstehen.de/ende-eines-zweifelhaften-ministeriums/.

[11] Anti-Corruption Action Center: Notice of suspicion and following searches of Vitaliy Shabunin are an arbitrary political retaliation, 12.07.2025, https://antac.org.ua/en/news/notice-of-suspicion-and-following-searches-of-vitaliy-shabunin-are-an-arbitrary-political-retaliation.

[12] Ministerkabinett der Ukraine: Report on implementation of the Association Agreement between Ukraine and the Ukrainian Union for 2024, https://eu-ua.kmu.gov.ua/wp-content/uploads/Zvit-Ugoda-pro-asotsiatsiyu-EN.pdf.

[13] Michael Emerson, Steven Blockmans, The 2023 Enlargement Package – Major Political Proposals and Glimmers of a Staged Accession Approach, SCEEUS Guest Report 19, 2023, https://cdn.ceps.eu/wp-content/uploads/2023/11/the-2023-enlargement-package.pdf.

[14] Jewhen Angel et al., Wie schnell bewegt sich die Ukraine auf die EU zu, in welchen Bereichen gibt es große Fortschritte und in welchen nicht? Ukraine-Analysen 303 (2024), S. 8-10, https://laender-analysen.de/ukraine-analysen/303/ukraine-eu-beitritt-reformen-fortschritte/.

[15] Denis Trubetskoy, Julija Swyrydenko: von der Regionalbeamtin zur mächtigen Vize-Ministerpräsidentin. Ukraine Verstehen (2024), https://ukraineverstehen.de/julija-swyrydenko-von-der-regionalbeamtin-zur-maechtigen-vize-ministerpraesidentin/.

[16] Olha Ajwasowska, Andrij Sawtschuk, Hürden und Herausforderungen für Wahlen in der Ukraine, Ukraine-Analysen 315(2025), S. 2-6, https://laender-analysen.de/ukraine-analysen/315/huerden-herausforderungen-wahlen-ukraine.

[17] Rating Group (2025): Sociopolitical views of Ukrainians (August 2025), https://www.ratinggroup.ua/en/news/socpol-aug2025.