sog. Manifest zur Friedenssicherung
SPD-Friedenskreise
Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle
und Verständigung
„Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne Frieden nichts.“ – Willy Brandt
80 Jahre nach Ende der Jahrhundertkatastrophe des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung
vom Hitler-Faschismus ist der Frieden auch in Europa wieder bedroht. Wir erleben neue
Formen von Gewalt und Verletzung der Humanität: Der russische Krieg gegen die Ukraine,
aber auch die fundamentale Verletzung der Menschenrechte im Gaza-Streifen. Die soziale
Spaltung der Welt wird tiefer, in den Gesellschaften und zwischen den Gesellschaften. Die
vom Menschen gemachte Krise des Erd- und Klimasystems, die Zerstörung der
Ernährungsgrundlagen und neue Formen von Kolonialismus um Rohstoffe bedrohen den
Frieden und die Sicherheit der Menschen. Nicht zuletzt versuchen Nationalisten
Unsicherheiten, Konflikte und Kriege für ihre schäbigen Interessen zu nutzen.
Von einer Rückkehr zu einer stabilen Friedens- und Sicherheitsordnung in Europa sind wir
weit entfernt. Im Gegenteil: In Deutschland und in den meisten europäischen Staaten haben
sich Kräfte durchgesetzt, die die Zukunft vor allem in einer militärischen
Konfrontationsstrategie und hunderten von Milliarden Euro für Aufrüstung suchen. Frieden
und Sicherheit sei nicht mehr mit Russland zu erreichen, sondern müsse gegen Russland
erzwungen werden. Der Zwang zu immer mehr Rüstung und zur Vorbereitung auf einen
angeblich drohenden Krieg wird beschworen, statt notwendige Verteidigungsfähigkeit mit
einer Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik zu verknüpfen, um gemeinsame Sicherheit
und gegenseitige Friedensfähigkeit zu erreichen. Wir sind davon überzeugt, dass das
Konzept der gemeinsamen Sicherheit der einzige verantwortungsbewusste Weg ist, über
alle ideologischen Unterschiede und Interessen-Gegensätze hinweg Krieg durch
Konfrontation und Hochrüstung zu verhindern. Das Konzept der gemeinsamen Sicherheit lag
auch dem zwischen US-Präsident Ronald Reagan und dem Generalsekretär der KPdSU
Michail Gorbatschow 1987 vertraglich vereinbarten Verbot aller atomarer
Mittelstreckenwaffen zugrunde, das wesentlich zum Ende des Kalten Kriegs in Europa und
zur deutschen Einheit beigetragen hat.
Seit den 1960er Jahren wurde die Welt mehr als einmal an den nuklearen Abgrund geführt.
Der „Kalte Krieg“ war geprägt von gegenseitigem Misstrauen und militärischer
Konfrontation der Führungsmächte in Ost und West. Der Präsident der USA John F. Kennedy,
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Willy Brandt und andere führende Politiker der damaligen Zeit haben die richtigen
Konsequenzen aus der in der Kuba-Krise offensichtlich gewordenen gefährlichen
Perspektivlosigkeit dieser Rüstungsspirale gezogen. An die Stelle von Konfrontation und
Hochrüstung traten Gespräche und Verhandlungen über Sicherheit durch Kooperation,
Vertrauensbildung, Rüstungskontrolle und Abrüstung.
Die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 war ein Höhepunkt dieses
Zusammendenkens von Verteidigungs- und Abrüstungspolitik, das in Europa jahrzehntelang
Frieden gesichert hat und schließlich auch die deutsche Einheit ermöglichte.
In Helsinki wurden zentrale Prinzipien der europäischen Sicherheit durch einen
friedlicheren Umgang der Staaten miteinander vereinbart: Die Gleichheit der Staaten
unabhängig von ihrer Größe, die Wahrung der territorialen Integrität der Staaten, der
Verzicht auf gegenseitige Gewaltandrohungen, die Achtung der Menschenrechte und
Grundfreiheiten, der Verzicht auf die Einmischung in die inneren Angelegenheiten der
Staaten wie auch die Vereinbarung umfassender Zusammenarbeit.
Heute leben wir leider in einer anderen Welt. Die auf den Prinzipien der KSZE Schlussakte
basierende europäische Sicherheitsordnung wurde schon in den letzten Jahrzehnten vor
dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine immer mehr untergraben - auch
durch den „Westen“ - so etwa durch den Angriff der Nato auf Serbien 1999, durch den Krieg
im Irak mit einer „Koalition der Willigen“ 2003 oder durch Nichteinhaltung der 1995
bekräftigten nuklearen Abrüstungsverpflichtungen des Atomwaffensperrvertrags, durch
Aufkündigung oder Missachtung wichtiger Rüstungskontrollvereinbarungen zumeist durch
die USA oder auch durch eine völlig unzureichende Umsetzung der Minsker Abkommen nach
2014.
Diese historische Entwicklung zeigt: Nicht einseitige Schuldzuweisungen, sondern eine
differenzierte Analyse aller Beiträge zur Abkehr von den Prinzipien von Helsinki ist
notwendig. Gerade deshalb dürfen wir jetzt nicht die Lehren aus der Geschichte vergessen.
Eine Rückkehr zu einer Politik der reinen Abschreckung ohne Rüstungskontrolle und der
Hochrüstung würde Europa nicht sicherer machen. Stattdessen müssen wir wieder an einer
Friedenspolitik mit dem Ziel gemeinsamer Sicherheit arbeiten
Vielen scheint gemeinsame Sicherheit heute illusorisch. Das ist ein gefährlicher
Trugschluss, weil es zu einer solchen Politik keine verantwortungsbewusste Alternative gibt.
Dieser Weg wird nicht einfach sein. Vor echten vertrauensbildenden Maßnahmen braucht
es deshalb zunächst kleine Schritte: die Begrenzung weiterer Eskalation, den Schutz
humanitärer Mindeststandards, erste technische Kooperationen etwa im
Katastrophenschutz oder der Cybersicherheit sowie die behutsame Wiederaufnahme
diplomatischer Kontakte. Erst wenn solche Grundlagen geschaffen sind, kann Vertrauen
wachsen – und damit der Weg frei werden für eine neue europäische Sicherheitsarchitektur.
Auch der öffentliche sicherheitspolitische Diskurs muss dazu beitragen.SPD-Friedenskreise
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Zudem ist Europa heute mehr denn je gefordert, eigenständig Verantwortung zu
übernehmen. Unter Präsident Trump verfolgen die USA erneut eine Politik, die auf
Konfrontation besonders gegenüber China setzt. Damit wächst die Gefahr einer weiteren
Militarisierung der internationalen Beziehungen. Europa muss dem eine eigenständige,
friedensorientierte Sicherheitspolitik entgegensetzen und aktiv an einer Rückkehr zu einer
kooperativen Sicherheitsordnung mitwirken – orientiert an den Prinzipien der KSZE-
Schlussakte von 1975.
Dabei ist klar: Eine verteidigungsfähige Bundeswehr und eine Stärkung der
sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit Europas sind notwendig.
Diese Verteidigungsfähigkeit muss aber in eine Strategie der Deeskalation und
schrittweisen Vertrauensbildung eingebettet sein, – nicht in einen neuen Rüstungswettlauf.
Tatsächlich sind allein die europäischen Mitgliedsstaaten der NATO , selbst ohne die US-
Streitkräfte, Russland konventionell militärisch deutlich überlegen. Militärische
Alarmrhetorik und riesige Aufrüstungsprogramme schaffen nicht mehr Sicherheit für
Deutschland und Europa, sondern führen zur Destabilisierung und zur Verstärkung der
wechselseitigen Bedrohungswahrnehmung zwischen NATO und Russland.
Zentrale Elemente einer neuen, zukunftsfähigen Friedens- und Sicherheitspolitik sind daher:
• Möglichst schnelle Beendigung des Tötens und Sterbens in der Ukraine. Dazu
brauchen wir eine Intensivierung der diplomatischen Anstrengungen aller
europäischen Staaten. Die Unterstützung der Ukraine in ihren völkerrechtlichen
Ansprüchen muss verknüpft werden mit den berechtigten Interessen aller in Europa
an Sicherheit und Stabilität. Auf dieser Grundlage muss der außerordentlich
schwierige Versuch unternommen werden, nach dem Schweigen der Waffen wieder
ins Gespräch mit Russland zu kommen, auch über eine von allen getragene und von
allen respektierte Friedens- und Sicherheitsordnung für Europa.
• Herstellung einer eigenständigen Verteidigungsfähigkeit der europäischen Staaten
unabhängig von den USA. Stopp eines Rüstungswettlaufs. Europäische
Sicherheitspolitik darf sich nicht am Prinzip der Aufrüstung und Kriegsvorbereitung,
sondern muss sich an einer wirksamen Verteidigungsfähigkeit orientieren. Wir
brauchen eine defensive Ausstattung der Streitkräfte, die schützt ohne zusätzliche
Sicherheitsrisiken zu schaffen.
• Für eine auf Jahre festgelegte Erhöhung des Verteidigungshaushalts auf 3,5 oder 5
Prozent des Bruttoinlandsprodukts gibt es keine sicherheitspolitische Begründung.
Wir halten es für irrational, eine am BIP orientierte Prozentzahl der Ausgaben für
militärische Zwecke festzulegen. Statt immer mehr Geld für Rüstung brauchen wir
dringend mehr finanzielle Mittel für Investitionen in Armutsbekämpfung, für
Klimaschutz und gegen die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, von denenSPD-Friedenskreise
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in allen Ländern Menschen mit geringen Einkommen überdurchschnittlich betroffen
sind.
• Keine Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland.
Die Stationierung von weitreichenden, hyperschnellen US-Raketen-Systemen in
Deutschland würde unser Land zum Angriffsziel der ersten Stunde machen.
• Bei der Überprüfungskonferenz im Jahr 2026 zum Atomwaffensperrvertrag gilt es,
die Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung nach Art. 6 zu erneuern und mit
verbindlichen Fortschrittsberichten sowie völkerrechtlichen “No First Use”-
Erklärungen zu stärken.
• Gleichzeitig gilt es auf die Erneuerung des 2026 auslaufenden New Start-Vertrags
zur Verringerung strategischer Waffen und auf neue Verhandlungen über
Rüstungsbegrenzung, Rüstungskontrolle, vertrauensbildende Maßnahmen sowie
Diplomatie und Abrüstung in Europa zu drängen.
• Schrittweise Rückkehr zur Entspannung der Beziehungen und einer Zusammenarbeit
mit Russland sowie die Berücksichtigung der Bedürfnisse des Globalen Südens
insbesondere auch zur Bekämpfung der gemeinsamen Bedrohung durch die
Klimaveränderungen.
• Keine Beteiligung Deutschlands und der EU an einer militärischen Eskalation in Süd-
Ost-Asien.
Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner
Dr. Ralf Stegner, MdB, Dr. Rolf Mützenich, MdB, Dr. Norbert Walter-Borjans, SPD-
Parteivorsitzender a.D., Dr. hc. Gernot Erler, Staatsminister a.D., Prof. Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker, Ehrenpräsident des Club of Rome, Dr. Nina Scheer, MdB, Maja Wallstein, MdB,
Sanae Abdi, MdB, Lothar Binding, Bundesvorsitzender der AG SPD 60 plus, Hans Eichel,
Bundesratspräsident a.D., Bundesfinanzminister a.D., Dr. Carsten Sieling, Präsident des
Senats und Bürgermeister a.D. Bremen, Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, Staatsminister a.D.,
Arno Gottschalk, MdBB, Mirjam Golm, MdA Berlin, Matthias Hey, MdL Thüringen, Dunja Wolff,
MdA Berlin, Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands,
Parlamentarischer Staatssekretär a.D., Erik von Malottki, Vorsitz Demokratische Linke 21,
stellvertretender AfA Bundesvorsitzender, Katja Weitzel, MdL Bayern, Dr. Matthias Kollatz,
MdA Berlin, Finanzsenator a.D., Friedhelm Hilgers, Bundesvorstand SPD AG 60 plus, Dr.
Theodor Ziegler, 1. Vorsitzender SPD Baiersbronn, Peter Kox, stellvertretender VorsitzenderSPD-Friedenskreise
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SPD-Ratsfraktion Bonn, Martin Schilling, ehem. Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Bonn,
Heinz Oesterle, Landesvorsitzender AG SPD 60 plus Bayern, Prof. Dr. Renate Meyer-Braun,
Mitglied des Landesvorstands der Bremer SPD a.D., René Röspel, MdB a.D., Adi Ostertag,
MdB a.D., Robert Antretter, MdB a.D., Ehrenmitglied des Europarates und der WEU, Klaus
Barthel, MdB a.D., Afa-Bundesvorsitzender a.D,, Sigrid Skarperlis-Sperk MdB a.D., Joachim
Schuster, MdEP a.D., Prof. Dr. Dietmar Köster, MdEP a.D., Ulrike Neumann, MdA Berlin a.D.,
Karlheinz Nolte, MdA a.D. Berlin, Bärbel Dieckmann, Oberbürgermeisterin Bonn a.D., Anke
Brunn, Wissenschaftsministerin NRW a. D., Gabriele Behler, Staatsministerin a.D., Prof.
Jochen Dieckmann, Staatsminister a.D., Dr. Wolfgang Lieb, Staatssekretär a.D., Dr. Hans
Misselwitz, Parlamentarischer Staatssekretär a.D., Christoph Habermann, Staatssekretär
a.D., Dr. Wilhelm Schäffer, Staatssekretär a.D., Prof. Dr. Dieter Schimanke, Staatssekretär a.D.,
Dr. Karlheinz Bentele, Staatssekretär a.D., Dr. Karl-Heinz Klär, Staatssekretär a.D., Prof. i. R.
Dr. Peter Brandt, Entspannungspolitik Jetzt!, Knut Lambertin, stellv. Demokratische Linke 21
- Bundesvorsitzender, Dr. Uwe Pöhls, Blog der Republik, Herbert Sahlmann, Ministerialrat
a.D., Cay Gabbe, Ministerialrat a.D., Dr. Wolfgang Biermann, ehemaliger Mitarbeiter von Egon
Bahr, Prof. Dr. h.c. Cornelia Füllkrug-Weitzel, ehemalige Präsidentin „Brot für die Welt“,
Jürgen Zurheide, Journalist, Dr. Wolfgang Roters, Martin Schmuck, Journalist, Burkhard
Zimmermann, Reiner Hammelrath, Verbandsdirektor a.D., Ingrid Hentzschel, Axel Fersen,
Bernhard Pollmeyer, Ministerialdirigent a.D., Michael Pöllath, Vorstand NaturFreunde, Dr.
med. Susanne Zickler, Dr. Petra Frerichs, Hartmut Palmer, Journalist, Beenhard Oldigs, Dr.
Heinrich Lienker, Dagmar Wenzel, Biologin, Dr. Joke Frerichs, Jogi Vormbrock, Meinholde
Sollmann, Prof. Dr. Clemens Knobloch, Margret Schmitz, Dr. Paul Hugo Suding, Willi Vogt,
Gewerkschafter, Prof. Dr. Andreas Fisahn, Michael Buckup, Demokratische Linke 21 Sprecher
Bremen/Niedersachsen, Holger Egger, Wilfried Gaum, Vorstand „Forum für Politik und Kultur
Hannover“, Wolfgang Wiemer, Büroleiter des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck, Dr. Ulrich Brandt,
Reinhard Thon, Prof. Dr. Dieter Stammler, Barbara Petersen, Folkert Kiepe, Beigeordneter
Deutscher Städtetag a.D., Hans-Joachim Wunderlich, Rainer Papke, Thomas Albert,
Ministerialdirigent a.D., Henning von Borstell, Anna von Borstell, Roland Klapprodt,
Vorstandssekretär des SPD Parteivorstandes a.D., Hartmut Veitengruber, Ehemaliger ver.di
Bezirksgeschäftsführer Niederbayern, Ursula Hagen, Dr. Eckehart Hagen, Stefan Bone,
Dirigent, Prof. Dr. Klaus Semlinger, Prof. Dr. Heinz Stapf-Finé, Prof. Dr. Gerhard Bosch, Helmut
Krings, Eberhard Weber, Heinz Witte, Prof. Volker Riegger, Frank Schmiedchen, Dr. Karl
Lauschke, Heiko Wessel, Dieter Schormann, Florian Dohmen, Mitglied UB-Vorstand Duisburg,
Claudia Osten-Bornheim, Hugo Waschkeit, Stadtrat Ronnenberg, Prof. Dr. Bernhard Nagel,
Thomas Hönscheid, Prof. i.R. Dr. Dieter Segert, Dr. Wolfram Geier, Dr. Günter Bonnet, MinDirig
a.D., Dr. Gerd Pflaumer, Horst Meixner, Dr. Steffen Lehndorff, Prof. Dr. Christoph Butterwegge,
Dr. Hans-Jochen Luhmann, Dr. Joachim Paul.