Erinnerung an NS- und SED-Opfer an einem Ort?

Straßenbenennung in Oranienburg entfacht alten Streit neu

Kontrovers wird derzeit der Vorschlag diskutiert, eine Straße in Oranienburg nördlich von Berlin nach der verstorbenen Insassin eines sowjetischen Speziallagers zu benennen. Die dortige Stadtverordnetenversammlung hatte 2020 Gisela Gneist für den Straßennamen in einem Neubaugebiet ausgewählt.

Mit diesem Vorschlag sind alte Wunden zwischen denen, die an die NS-Verfolgungen und denen die an die DDR-Repression erinnern, wieder aufgebrochen. Da Oranienburg-Sachsenhausen zunächst der Standort eines KZ's war und nach dem Zweiten Weltkrieg in unmittelbarer Nähe ein sowjetisches Lager errichtet worden war, hatten in den 1990er Jahren, Vertreter beider Erinnerungskulturen teilweise unversöhnlich gegenüber gestanden. Nun ist der Streit neu entbrannt.

Kritiker des Beschlusses, verweisen darauf, dass sich die Straße auf dem Gelände eines ehemaligen KZ-Außenlagers befindet, und sich schon von daher nicht für die Erinnerung an Speziallagerhäftlinge eignet. Sie stoßen sich zudem an der Vergangenheit von Gisela Gneist. Sie hätte einer NS-Jugendgruppe angehört und sei wegen der Zugehörigkeit einer womöglich rechtslastigen antikommunistischen Gruppe festgenommen worden. Außerdem haben sie als Interessenvertreterin der Arbeitsgemeinschaft Sachsenhausen zu undifferenziert für die Speziallagerinsassen Partei ergriffen, unter denen sich zweifelsohne auch Verantwortliche und Parteigänger des NS-Regimes befunden hatten.

Inzwischen gibt es mehrere, auch schriftliche Äußerungen zum Thema. Ein Gutachten aus dem Kreis des Institutes für Zeitgeschichte, zudem eine Stellungnahmen dazu von einem Wissenschafter, der für die Union der Opferverbände (UOKG) tätig ist, wird hier dokumentiert.

Gutachten Institut für Zeitgeschichte. Mehr....

Stellungnahme UOKG. Mehr...

Gutachterliche Stellungnahme von Dr. Christian Sachse. Mehr...

Mit der Kontroverse ist nicht nur der Streit, ob und wie das Gedenken an die erste und zweite Diktatur an einem historisch belasteten Ort stattfinden kann, neu entfacht worden. An Hand der Person von Gisela Gneist und der Gutachten zu ihr stellt sich auch die Frage, inwieweit Verirrungen als Jugendliche, sie war bei der Inhaftierung 15 Jahre alt, vorgehalten werden können; inwieweit dürre und unvollständige Prozessdokumente der stalinistischen Militärjustiz als Quellenbasis taugen; und inwiefern man die Einstellung ehemalige Häftlinge an den Normen der offiziellen Gedenkkultur messen kann und sollte.

Eine Onlinediskussion am 20.12.2021

Dazu die Pressemitteilung der Brandenburgischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur. Mehr....