Erinnerung braucht Orte

Ein auch internationaler reflktierender Überblick

Von Anna Kaminsky

Die Überwindung der kommunistischen Diktaturen in der DDR und den Ländern in Mittel- und Osteuropa liegt inzwischen über 30 Jahre zurück. Die Spuren dieser Herrschaft sind bis heute in allen Ländern sichtbar. Sei es mit den über 200.000 Bunkern in Albanien, die der Diktator Enver Hoxha überall im Land errichten ließ. Sei es mit den stalinistischen Prunkbauten wie in Warschau oder Bukarest, die vom Sieg des Kommunismus zeugen sollten und von den Betroffenen als monumentale Zeichen von Fremdherrschaft und Okkupation wahrgenommen wurden. Oder seien es die Überreste des „Eisernen Vorhangs“ und der Mauer in Berlin. Diese sollten entsprechend der kommunistischen Propaganda westliche Angriffe abwehren. Jedoch waren sie mit Selbstschussanlagen, Stacheldrahtverhauen und Minenfeldern nach innen gegen die eigene Bevölkerung gerichtet und sollten diese an einer Flucht in die Freiheit hindern.

Die Erinnerung an das geschehene Unrecht, die Toten, die zerstörten Leben verblasst angesichts der vergangenen Jahrzehnte und angesichts neuen Unrechts und neuer Verbrechen wie in Belarus, in der Russischen Föderation oder dem russischen Überfall auf die Ukraine.

Nachholende Memorialisierung

Während der kommunistischen Herrschaft war es bei Strafe verboten, über begangene Verbrechen und die Opfer zu sprechen oder diese öffentlich in Erinnerung zu halten. Tatorte wurden überbaut und unkenntlich gemacht. In den Familien und Gesellschaften jedoch überdauerte das Wissen um die Verbrechen, die Erinnerung an die verschwundenen und getöteten Angehörigen das verordneten Schweigen und die Tabus.

In allen einstmals kommunistisch beherrschten Ländern hat es nach dem Untergang der kommunistischen Regime eine nachholende Memorialisierung gegeben. Diese richtete sich darauf, den unterdrückten Erinnerungen einen Raum im öffentlichen Gedächtnis und den Opfern Namen und Gesicht zurück zu geben. Tatorte und die tabuisierten Verbrechen wurden sichtbar gemacht. In allen einstmals unter kommunistischer Herrschaft stehenden Ländern wurden Massengräber mit Zigtausenden Toten entdeckt. Standorte von Lagern und Gefängnissen, Zentralen der Geheimpolizei, Parteizentralen wurden zu Gedenkorten umgestaltet. Die Vielzahl der so sichtbar werdenden Orte machte auch deutlich, dass das Netz von Repressionen und Gewalt flächendeckend alle Länder überzogen hatte.

In unserem Dokumentationsprojekt „Orte des Erinnerns - Erinnerungsorte an die Opfer kommunistischer Diktaturen“ haben wir mittlerweile weltweit über 7.000 Orte lokalisiert und erfasst, die an die begangenen Verbrechen und die Opfer erinnern. Neun Bände sind bislang erschienen. Diese widmen sich den Orten der stalinistischen Massenmorde in der Sowjetunion ebenso wie dem Holodomor, dem großen Sterben auf dem Land in der Ukraine. Sie erinnern an das Verbrechen von Katyn, bei dem durch den sowjetischen NKWD auf Befehl Stalins etwa 22.000 polnische Offiziereund Zivilisten ermordet wurden. Dieses Verbrechen wurde von der sowjetischen Führung selbst dann noch geleugnet, als die Beweise längst öffentlich waren.[1] Die Gedenkstätten und Museen, Denkmäler und Erinnerungszeichenerinnern an die Verbrechen und Tatorte, die Opfer und das Leid, aber auch an die Wiedererlangung der Freiheit und der nationalen Souveränität. Die Orte zeigen, dass die Durchsetzung der kommunistischen Ideologie und Herrschaft überall und von Beginn an mit Gewalt und Terror gegen die Bevölkerungen verbunden war. Dieser blutige Beginn nicht nur in der Sowjetunion straft die Mär vom guten Anfang der kommunistischen Idee, die erst später unter Stalin quasi „entgleiste“ Lügen. Allein in der Sowjetunion starben Millionen Menschen in den brutal geführten Verstaatlichungs- und „Entkulakisierungs“kampagnen, gegen die Bauern mit EigentumMillionen Menschen verhungerten. Sie wurden zu Feinden erklärt und umgebracht oder verloren in den Lagern des Gulag ihr Leben. In Kambodscha, wo die Roten Khmer zwischen 1975 und 1979 einen Steinzeitkommunismus einführten, fiel innerhalb von nur vier Jahren schätzungsweise ein Drittel der gesamten Bevölkerung den Mordaktionen zum Opfer. In Albanien mit seiner Mischung aus totaler Isolation und Terror wurden tausende Menschen umgebracht und zehntausende in Lagern und Gefängnissen teilweise über Jahrzehnte gefangen gehalten. Die Angehörigen sogenannter Feinde wurden Opfer von Sippenhaft und über Jahrzehnte deportiert und zur Zwangsarbeit eingesetzt. Die bis zum Ende der Diktatur andauernden unmenschlichen Bedingungen brachten dem Land den Titel „Das Nordkorea an der Adria“ ein.

Für die meisten Menschen war das Leben im kommunistischen Herrschaftsbereich, wenn nicht mit offener Gewalt und Repression so doch mit Erfahrungen von Demütigung, Erniedrigung und Einschüchterung verbunden. Diese waren nicht nur individuelle Verfolgungserfahrungen, sondern wurden zu einer prägenden nationalen und kollektiven Erfahrung und Leidenserzählung. In den 1970er/1980er Jahren zum Zeitpunkt der größten Machtausdehnung lebte etwa ein Drittel der Menschheit unter kommunistischer Herrschaft. Die Zahl der Todesopfer variiert je nach Zählung zwischen 60 und 100 Millionen.[2]

Was zeichnet die entstandene Erinnerungslandschaft aus? Wie unterscheidet sich diese zwischen der einstigen DDR und den anderen Ostblockstaaten? Die Denkmale und verwendeten Symbole sind vor allem national konnotiert. Sie stehen für eine sichtbare Inbesitznahme des öffentlichen Raums. In einigen Ländern ersetzen sie die bis dahin omnipräsenten Statuen und Denkmäler für kommunistische Führer wie in Ungarn oder im Baltikum, wo die abgebauten Monumente in „Skulpturenparks“ gesammelt wurden.Die neuen Denkmäler befinden sich oft an Orten, wo vormals kommunistische Denkmäler standen. Deren Fundamente wurden für die neuen Mahnmale genutzt. So stehen auf den Sockeln von Lenin-Denkmälern in den baltischen Ländern oder in der Ukraine heute Denkmäler für die nationale Unabhängigkeit. Selbst in Moskau wurde auf dem Platz vor der Lubjanka an Stelle des Dzierzinski-Denkmals bereits 1990 das erste Mahnmal für die Opfer der politischen Repressionen errichtet. Und Wladimir Putin weihte die „Mauer der Trauer“ als nationales Denkmal zur Erinnerung an die Opfer stalinistischer Repressionen am 30. Oktober 2017 öffentlichkeitswirksam ein.

Gleichzeitig fanden und finden sich teilweise noch Jahrzehnte nach dem Sturz der Regime parallel zu dieser neuen Denkmalslandschaft Denkmäler der alten Herrscher. Diese stehen nicht nur für die untergegangenen Regime und die Verleugnung der begangenen Verbrechen, sondern sind zugleich Sinnbild konkurrierender Erinnerungen. So finden sich in vielen Städten der russischen Föderation bis heute monumentale Lenin-Denkmäler. In Georgien erinnert das Okkupationsmuseum in Tiflis an die stalinistischen Verbrechen während dem Diktatur nur wenige Kilometer entfernt im Bahnhof von Gori sowie im Stalinmuseum ein ehrendes Gedenken zuteil wird. Aber auch die Gedenkorte in Moskau und der Russischen Föderation stehen mittlerweile nur oberflächlich für eine sichtbare Aufarbeitung der Vergangenheit: Sie zeugen vor allem von der Inbesitznahme und Kontrolle der Erinnerung durch die Staatsmacht.

Mit der Zerstörung bzw. der Demontage einstiger Denkmäler findet eine Neubestimmung bzw. Überformung von als fremdbestimmt empfundenen Denkmälern und staatlichen Symbolen statt. Dafür werden oft auch während der kommunistischen Herrschaft unterdrückte nationale und religiöse Symbole reaktiviert, die eben wegen ihrer Tabuisierung und Unterdrückung im öffentlichen Raum positiv besetzt sind. So finden sich Kreuze, Heiligendarstellungen und Märtyrerdarstellungen im Stil christlicher Darstellungen als Symbole für die während der kommunistischen Herrschaft erduldeten Leiden. Rote Sowjetsterne oder Hammer und Sichel wurden und werden durch nationale Symbole ersetzt.

Die Gedenkzeichen an Tatorten, Lagern und Gefängnissensowie Schauplätzen von Massenmordenerinnern vor allem an jene, die dem Terror zum Opfer fielen. Das können Opfergruppen und auch einzelne Personen sein. Die Darstellung des Leidens und des Martyriums geht dabei über die Verdeutlichung individueller Verluste hinaus und steht für eine ganze Nationen umfassende Kollektiverfahrung wie beispielsweise bei den Denkmälern für die Opfer des Holodomor, die Denkmäler, die in den baltischen Staaten, in Polen oder der Ukraine an Massendeportationen während der sowjetischen Herrschaft oder die Verfolgung von politischen oder religiösen Gruppen erinnern. Verbunden wird die Erinnerung an die Verbrechen in einigen Ländern insbesondere in der Ukraine, den baltischen Staaten oder Polen auch mit einer positiven Geschichtserzählung, die ihren Schwerpunkt auf den Kampf für nationale Unabhängigkeit und Widerstand legt und seine Protagonisten als Widerständler und Opfer des Kommunismus und für nationale Selbstbehauptung verortet.

Die nach 1990 entstandenen Denkmäler und Erinnerungsorte erfüllen vor allem in Osteuropa neben der Erinnerungs- und Gedenkfunktion auch Informationsaufgaben. Zum einen werden aufgefundene Orte von Massakern und Massengräbern markiert. Zum anderen werden mittels aufgestellter Informationstafeln Anhaltspunkte für die Identifizierung der Opfer gegeben. In den Massengräbern gefundene persönliche Fundstücke wie Zigarettenetuis, Brillen oder Federhalter mit Initialen werden abgebildet und die Bevölkerung um Mithilfe bei der Identifizierung der Toten gebeten. In Nekrologen werden die Namen der identifizierten Opfer veröffentlicht und nach jeder Identifizierung ergänzt, um das Ausmaß der erlittenen Verfolgungen und Verbrechen sichtbar zu machen. Bis heute sind viele der Toten namenlos, da die sowjetischen Besatzer viele Dokumente und Namenslisten ihrer Opfer vernichtet haben.

Für die Menschen in den mittel-und osteuropäischen Staaten stand nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft die Erinnerung an die Verbrechen des Kommunismus im Mittelpunkt. Diese sollte zugleich während der kommunistischen Herrschaft gepflegte Erinnerungen und Mythen ersetzen bzw. ergänzen. Insbesondere in Westdeutschland stieß diese Form der nachholenden Erinnerung auf Kritik:

Der eiserne Vorhang

Im vereinigten Deutschland wurden nach der deutschen Einheit und dem Ende der kommunistischen Herrschaft im ostdeutschen Teil Befürchtungen laut, das neue Deutschland könne sich von seiner Verantwortung für den Holocaust und die deutschen Verbrechen des Nationalsozialismus lossagen und sich fortan nurmehr als Opfer zweier diktatorischer Systeme inszenieren. Heute über 30 Jahre später wissen wir, dass diese Befürchtung grundlos war. Vielmehr hat die Beschäftigung mit dem Unrecht und den Verbrechen unter kommunistischer Herrschaft zu einer Stärkung der Erinnerung an die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschland geführt. Es war die vom deutschen Bundestag eingerichtete Enquete-Kommission zur Auseinandersetzung mit Ursachen, Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in SBZ und DDR, die sich für eine gesamtdeutsche, die beiden Diktaturen in Deutschland umfassende Erinnerungspolitik stark machte.

In Bezug auf die Diktatur in SBZ und DDR standen von Beginn an zwei große Themen im Vordergrund: Die Grenze und ihre Opfer sowie die Staatssicherheit und deren Verbrechen. Ergänzt wurde dies durch die Erinnerung an jene, die in Lagern und Gefängnissen gefangen waren. In der Bundesrepublik ist eine einzigartige, dezentrale und vielfältige Erinnerungslandschaft entstanden. Heute erinnern über 900 Erinnerungsorte und –zeichen an die kommunistische Herrschaft, die deutsche Teilung und deren Überwindung. Die meisten dieser Erinnerungsorte befinden sich auf dem Gebiet der einstigen sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR. Hier stehen ebenso wie in anderen Ländern die Erinnerungen an Repression und Verfolgung und die Opfer im Vordergrund. Die meisten dieser über 900 Erinnerungsorte sind Gedenksteine, Denkmäler oder Informationstafeln, die an Opfer und die Verluste erinnern. Mittlerweile sind darüber hinaus jedoch auch etliche Gedenkstätten entstanden. Inzwischen gibt es in fast jeder einstigen Bezirksstadt der damals 14 DDR-Bezirke eine von der öffentlichen Hand getragene bzw. finanzierte Gedenkstätte. Ebenso sind an vielen Haft- und Lagerorten Gedenkstätten oder Gedenkanlagen entstanden. Zudem wurden in vielen Heimat- und Stadtmuseen die Ausstellungen überarbeitet und thematisieren nun auch das Leben im Sozialismus sowie die Phase der Transformation nach 1990.

Die vorherrschenden Themen dieser Gedenklandschaft in Deutschland sind

  • die deutsche und europäische Teilung, an die entlang der einstigen innerdeutschen Grenze sowie der Mauer in Berlin erinnert wird
  • die Staatssicherheitals wichtigstes Repressionsinstrument der kommunistischen Herrschaft
  • die sowjetischen Lager und Gefängnisse
  • der Widerstandgegen die Diktatur mit der Erinnerung an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953
  • die Rolle der Kirchen in der Friedlichen Revolution.

Neben diesen dezentralen Erinnerungsorten, die an ehemaligen Stasi-Zentralen und Gefängnissen, aber auch Lagerstandorten und an der Grenze entstanden, gibt es drei zentrale Museen, die sich der Geschichte der SED-Diktatur widmen. Zum einen das in Leipzig befindliche „Zeitgeschichtliche Forum“ des Hauses der Geschichte in Bonn sowie das in Berlin angesiedelte ebenfalls vom Haus der Geschichte in Bonn getragene Zentrum im einstigen Tränenpalast sowie die Ausstellung zur DDR in der Kulturbrauerei. Hinzu kommt das „DDR-Museum“ in Berlin-Mitte, das von einem privaten Betreiber getragen, ebenfalls eine kritische Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur anbietet. Bereits kurz nach 1990 entstanden zudem in einigen Städten sogenannte „DDR-Museen“, die mit ihren Alltagsausstellungen mit wenigen Ausnahmen versuchen, den auf die Darstellung von Repression und Unrecht ausgerichteten Gedenkstätten, das Bild eines unpolitischen Alltags in einer angeblich „heilen Welt der Diktatur“[3] entgegenzusetzen.

Während auf dem Gebiet der einstigen DDR errichtete Gedenkstätten insbesondere an die Repression und deren Opfer erinnern, liegt der Schwerpunkt der im Westen entstandenen Erinnerungsorte auf der deutschen Teilung und deren Überwindung. Allein 81 der 143 an die Teilung und deren Überwindung erinnernden Orte befinden sich im Westen des Landes. Zudem markieren entlang der einstigen innerdeutschen Grenze, die zudem die Grenzte zwischen dem sowjetischen Herrschaftsbereich und der westlichen Welt markierte an die etwa 190 Erinnerungsorte an die Teilung. Die einstige Grenze stellt damit zugleich so etwas wie eine „Erinnerungsscheide“ dar. Allein etwa 25 Grenzlandmuseen versuchen die Teilung Deutschlands und Europas durch den Eisernen Vorhang wach zu halten. Die Erinnerungszeichen markieren nicht nur den einstigen Grenzverlauf oder machen das tief gestaffelte System der Grenzanlagen, mit dem jegliche Flucht verhindert werden sollte, deutlich. Sie thematisieren auch den Alltag im Grenzgebiet zwischen Ost und West. Ebenso wird an die Menschen erinnert, die auf der Flucht erschossen wurden oder die Opfer der von der SED angeordneten Zwangsaussiedlungen und zerstörten Dörfer entlang der Grenze wurden. Eine ähnliche Erinnerungslandschaft wie entlang der einstigen Grenze zwischen Deutschland Ost und West findet sich auch in Berlin.

Einen wichtigen Teil der Erinnerungslandschaft stellen Markierungen dar, die die friedliche Überwindung der Teilung deutlich machen. So wurden von den Bundesländern entlang der einstmals 1.378 Kilometer langen Grenze an den erst nach der Grenzöffnung nach dem 9. November 1989 wieder zugänglichen Verbindungsstraßen Schilder aufgestellt, die darüber informieren, dass „hier Deutschland und Europa […] geteilt waren“. Auf den Schildern ist jeweils das konkrete Datum eingetragen, bis wann hier die Grenze bestanden hat.

Bundesländer

Stichwort „Deutsche Einheit“

Stichwort „Grenze (außer Berlin)“

Baden-Württemberg

7

1

Bayern

13

19

Berlin

25

 

Brandenburg

10

4

Bremen

1

 

Hamburg

 

1

Hessen

10

13

Mecklenburg-Vorpommern

13

15

Niedersachen

11

42

Nordrhein-Westfalen

8

 

Rheinland Pfalz

1

 

Sachsen

11

2

Sachsen-Anhalt

9

25

Schleswig-Holstein

7

12

Thüringen

15

47

Überregional

2

5

GESAMT

143

186

 

Nimmt man die Denkmäler, die aus Segmenten der Berliner errichtet wurden, hinzu, so kommen weitere 243 Erinnerungsorte hinzu. Diese erinnern jedoch nicht nur an den Mauerfall sondern im weiteren Sinne an den Mut der Menschen, die mit ihrem friedlichen Protest schließlich in der Friedlichen Revolution 1989 die kommunistische Herrschaft zu Fall brachten.[4]

Geteilte Erinnerung

In der DDR gab es nach 1990 einen Witz. Darin sagt der Ostdeutsche zum Westdeutschen: „Wir haben immer nach Westen geschaut“. Worauf der Westdeutsche erwidert: „Wir auch.“ Dieser Wortwechsel steht symbolisch für die noch immer geteilte Erinnerung in Europa. Die kommunistische Herrschaft im Osten des Kontingents war für viele Menschen im Westen kaum greifbar. Die Diktaturen und Repressionen waren gleichsam hinter dem „Eisernen Vorhang“ den Blicken entzogen. Nach 1990 äußerte sich dies einerseits in einer bis heute spürbaren Unkenntnis aber auch einem fehlenden Interesse an der Geschichte der Staaten im östlichen Europa. Zum anderen führte dies dazu, dass die doppelte Erfahrung der Menschen mit totalitärer Herrschaft sowohl unter der nationalsozialistischen Besatzung als auch unter dem Kommunismus noch immer keinen Platz in einer europäischen Erinnerungskultur gefunden hat. Beispielhaft hierfür steht, dass in den „Europäischen Erinnerungsorten“[5] weder der Kommunismus noch das Jahr 1989 vorkommen. Dies zeigt nicht nur die Schwierigkeiten transnationale Narrative zu etablieren, die unterschiedliche historische Erfahrungen einschließen. Es steht auch für eine unterschiedliche Wahrnehmung des Kommunismus und der kommunistischen Regime in Ost- und Westeuropa, die immer noch Gefahr laufen, als regionales Problem der Menschen und Gesellschaften in Osteuropa abgetan zu werden. Die Resolution des Europäischen Parlaments von 2009 zum Hitler-Stalin-Pakt 1939 und die damit verbundene Anregung, am 23. August einen europäischen Gedenktag für die Opfer totalitärer Gewalt einzuführen ist ebenso wie der Versuch, die geteilte europäische Erfahrung im Haus der europäischen Geschichte in Brüssel darzustellen, ein wichtiger Schritt hin zu einer gesamteuropäischen Wahrnehmung der Geschichte unseres Kontinents im 20. Jahrhundert.

Anmerkungen


[1] Siehe Übersicht der Bände https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/erinnern/museen-und-gedenkstaetten.

[2] Siehe Schwarzbuch des Kommunismus: Unterdrückung, Verbrechen und Terror. Hrsg von vonStéphane Courtois, Nicolas Werthu.a. Piper Verlag München 1998.

[3] Siehe das gleichnamige Buch von Stefan Wolle.

[4] Siehe Die Berliner Mauer in der Welt. Hrsg von Anna Kaminsky. Christoph Links Verlag Berlin 2014/2021.

[5] Europäische Erinnerungsorte. Hrsg von Pim den Boer, Heinz Duchhardt, Georg Kreis, Wolfgang Schmale. De Gruyter Oldenburg 2012.