KGB-FSB-System

In der DDR, nicht ganz so radikal in den MOE-Staaten, wurden die kommunistischen Sicherheitsdienste aufgelöst. Wie lief es in Russland/SU?

von Dmitrij Chmelnizki

24.5.2022

Das sozialistische Lager und die UdSSR wurden nach 1991 durch sehr unterschiedliche Staaten ersetzt. Einige sind zu den Demokratien geworden und haben die früheren Sicherheitsdienste komplett abgeschafft (MOE-Staaten, Baltische Länder, Georgien, Ukraine...). In anderen Ländern entstanden mittelalterliche feudale Despotien (Turkmenistan, Tadschikistan...). In dritten entstanden Zwischenregime mit eine anderen Ideologie, aber mit den alten Strukturen der Staatsicherheit (Russland, Belarus...). In den letzten Jahren und Monaten der UdSSR war das KGB damit beschäftigt, die Geheimdienstkader der ehemaligen sozialistischen Länder und der ehemaligen Sowjetrepubliken zu schützen und zu übernehmen. Gorbatschow hatte keine Pläne, das System der Staatssicherheit zu liquidieren und sein Personal zu lustrieren. d.h. zu überprüfen Das gesamte System wurde beibehalten, aber reformiert. Anfangs wurde sie von Gorbatschows nahestehenden Personen geleitet, wie Vadim Bakatin, der 1991, nach dem Putsch, zum KGB-Vorsitzenden ernannt wurde. Davor war er Innenminister gewesen.

 

 

Nach dem Putsch von 1991 begann Vadim Bakatin mit einer Umstrukturierung des KGB. Die wichtigsten Grundsätze waren:

1. Desintegration. Aufspaltung des KGB in eine Reihe unabhängiger Agenturen, die ein Gegengewicht bilden und miteinander konkurrieren würden.

2. Dezentralisierung. Gewährung der vollen Autonomie für die Sicherheitsorgane der Unionsrepubliken der UdSSR.

3. Entideologisierung.

4. Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität als Hauptziel.

5. Offenheit, so weit wie möglich.

Im Oktober 1991 wurde der KGB in Interrepublikanischer Sicherheitsdienst der UdSSR (Межреспубликанская служба безопасности СССР) umbenannt. Aus dem KGB ausgegliedert wurden die Spezialeinheiten (Speznaz), die Regierungsgarde (das künftige FSO), das staatliche Fernmeldewesen (das künftige FAPSI, jetzt wieder im FSB) und der Auslandsnachrichtendienst (der künftige SVR) und die Grenztruppen.

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR wurde im Januar 1993 das russische Sicherheitsministerium (basierend auf dem Russischen Föderalen Sicherheitsdienst, dem Nachfolger des KGB der RSFSR, und dem Interrepublikanischen Sicherheitsdienst der UdSSR) gegründet.

1993 wurde das Ministerium für Sicherheit in Föderaler Dienst für Spionageabwehr (FSK, Федеральная служба контрразведки России) umbenannt. Es übernahm alle früheren Strukturen des Ministeriums für Sicherheit mit Ausnahme der Grenztruppen (diese wurden zu einer eigenen Dienststelle, dem Föderalen Grenzdienst der Russischen Föderation). 1995 wurde die FSK ohne strukturelle Änderungen in FSB umbenannt.

 

In den 1990er Jahren herrschte bei den staatlichen Sicherheitsbehörden Verwirrung. Die beiden Hauptzwecke ihrer Existenz sind verschwunden.

1) Ideologischer Terror war nach der Abschaffung der "antisowjetischen" Artikel des Strafgesetzbuches im Jahr 1989 nicht mehr möglich; die Behörden konnten das soziale und politische Leben der Gesellschaft nicht mehr kontrollieren.

2) Subversion und Geheimdienstarbeit gegen die westliche Welt verloren ihre Bedeutung, weil Russland (für kurze Zeit) zu einer Demokratie mit allen bürgerlichen Freiheiten wurde und die westlichen Demokratien aus politischen und Militärfeinden zu Verbündeten, Partnern und Investoren wurden.

Putin, der 1999 -zunächst als Ministerpräsident, dann als Präsident_ an die Macht kam, begann, die sowjetische Ordnung Schritt für Schritt wiederherzustellen. Es wurden nun Gesetze eingeführt, um regierungsfeindliche Reden und Äußerungen zu bestrafen. Die Subversions- und Geheimdienstarbeit gegen den Westen sollte im einem viel größeren Umfang durchgeführt werden als zu Sowjetzeiten. Der Wegfall des Eisernen Vorhangs und die Millionen der russisch-sowjetischen Emigranten in der Welt haben diese Arbeit erheblich erleichtert. Die Möglichkeiten des Eindringens von Agenten der russischen Sicherheitsdienste in politische, geschäftliche, finanzielle und wissenschaftliche Kreise der demokratischen Welt haben sich im Vergleich zur Sowjetzeit stark verbessert. Aber die Aufgaben, die sie erfüllen sollten, waren wieder weitgehend dieselben wie bei der UdSSR.

Die Zahl der FSB liegt heute bei etwa 350.000 (genaue Zahlen sind geheim). Davon sind 66.200 Militärangehörige, darunter 8.000 FSB-Spezialkräfte (Alfa, Vympel usw.). Plus den FSB-Grenzdienst - 160-220 Tausend Leute. Der Direktor des FSB ist derzeit Alexander Bortnikov.

Darüber hinaus haben in den letzten 20 Jahren die Filialen der FSB, die unter dem Deckmantel öffentlicher Organisationen mit verschiedenen Emigrantengruppen im Ausland arbeiten, wie z. B. «Russkij mir» ??? unter der Leitung von Wjatscheslaw Nikonow, dem Enkel von Molotow, große Bedeutung erlangt. Moskau hat im Ausland (insbesondere in Deutschland) eine große Zahl von Einflussagenturen geschaffen - quasi gesellschaftliche, menschenrechtliche, wissenschaftliche und literarische Organisationen, die vom FSB geleitet werden.

2016 wurde der Föderale Dienst der Truppen der Nationalgarde (Rosgvardia) gegründet. Die Zahl der Mitarbeiter beträgt 340.000. Der Direktor ist Armeegeneral Viktor Zolotov, ein Mann, der Putin sehr nahesteht. Die Rosgvardia ist Putin unterstellt und ihre Hauptaufgabe ist die Bekämpfung politischer Proteste. Man kann davon ausgehen, dass die Rosgvardia Putins wichtigste Stütze und Konkurrentin des FSB ist. Aber im Allgemeinen kann man über die Art der Beziehungen zwischen den Personen und Ämtern, die Putin umgeben, nur Vermutungen anstellen. Der Föderale Sicherheitsdienst (FSB), der Auslandsnachrichtendienst (SVR, ehemals Erste Hauptverwaltung des KGB) und der GRU (militärischer Nachrichtendienst) sind in Russland parallel im Bereich der Auslandsaufklärung tätig.

In den Jahren von Putins Herrschaft nahm auch die Kontrolle über die Staatsarchive zu. Unter Jelzin waren sie weitgehend offen, aber unter Putin begannen sie wieder unzugänglich zu werden.

 

DieRestauration

Unter Putin hat die Rolle der Sicherheitsdienste dramatisch zugenommen. Zu Sowjetzeiten war der KGB dem Politbüro unterstellt und wurde von diesem vollständig kontrolliert. Unter Putin wurde der FSB zu seinem persönlichen Amt und erlangte eine enorme Bedeutung. In der Tat kontrolliert Putin mit Hilfe des FSB alle staatlichen Strukturen und die Gesellschaft (Unternehmen, Wirtschaft, Banken, Kultur, Ausbildung). Gleichzeitig entzieht sich der FSB selbst jeglicher politischen Kontrolle. „Ehemalige“ FSB-Offiziere, sind in alle wichtigen Regierungsämter berufen worden, wie auch in Ministerien. Viele Staatsminister haben einen FSB-Hintergrund und eine entsprechende Ausbildung. In allen großen Unternehmen, Banken, wissenschaftlichen Einrichtungen, Archiven sind die zweiten (oder sogar ersten) Positionen mit Personen aus dem FSB besetzt.

Seit ein paar Jahre gibt es in den Universitäten spezielle Sicherheitsabteilungen, die die internationalen akademischen Aktivitäten überwachten. Alle Beiträge auf internationalen Konferenzen müssen zensiert werden, bevor sie verschickt werden können usw.

Die Zahl der höheren Schulen, die Angehörige der Sicherheitsdienste ausbilden, hat drastisch zugenommen. In erster Linie sind dies nach wie vor die FSB-Akademie (einschließlich des Instituts für Kryptographie), das MGIMO, die Moskauer Staatsuniversität (Fachbereiche Journalismus und Geschichte), aber auch viele andere Einrichtungen.

Die Rolle der so genannten Oligarchen ist dem gegenüber schwer zu bestimmen, aber ich denke, sie h1aben keine wirkliche Macht und keinen wirklichen Einfluss auf die politischen Entwicklungen in Russland. Sie spielen für Putin die Rolle der Fachmanagers und seiner „Geldbeutels". Es ist jedoch absolut unmöglich zu sagen, wer außer Putin das politische Geschehen in Russland heute beeinflussen kann. Es wird gemunkelt, dass Nikolai Patruschew, Sekretär des russischen Sicherheitsrates und ehemaliger Direktor des FSB (1999-2008), am nähesten zu Putin steht.

Es besteht kein Zweifel daran, dass fast jeder in Putins innerem Kreis ihn hasst und fürchtet, weil der gesamte Staatsapparat durch seine Politik in den letzten acht Jahren sehr viel an Einfluss verloren hat. Dazu gehören auch die staatlichen Sicherheitsorgane. Es gibt sicherlich viele Gegner Putins innerhalb des FSB. So wurde 2013 ein spöttischer Brief an Putin von seinem ehemaligen Dozenten am KGB-Institut, Oberst Igor Prelin, veröffentlicht.

Die Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten Staatsstreichs ist jedoch meiner Meinung nach heute sehr gering - Putin wird sehr gut bewacht, und nur eine Handvoll Personen hat persönlichen Zugang zu ihm. Und die gesamte staatliche Struktur auf allen Ebenen ist mit FSB-Informanten durchsetzt.

 

Das System Putin

Es ist ein Feudalsystem, das auf Gewalt, totaler Korruption und fehlender Gerechtigkeit auf allen Ebenen beruht. Völlig neu und anders als das sowjetische System. Es ähnelt teilweise desjenigen Stalins - völlige Willkür, ein Rechtsvakuum und die Unterordnung der Wirtschaft unter die militärischen und politischen Pläne des Führers. Aber Stalins Staat war autonom und nicht vom Handel mit dem Westen abhängig. Stalin und seine Kumpane zielten nicht darauf ab, persönlichen Reichtum anzuhäufen und ihn ins Ausland zu transferieren. Stalins Staat war also weit weniger anfällig und widerstandsfähiger als der von Putin. Und er war militärisch weitaus mächtiger. Gefährlicher für die Welt.

Im Gegensatz zu Stalin hatPutin sehr schlechte Berater ausgewählt, die sich nicht trauten, ihm zu widersprechen, ihm die Informationen zu liefern, die ihm nicht gefielen. Daher die katastrophale Kriegsplanung in der Ukraine, die durch Korruption noch verstärkt wird. Korruption -hier das Stehlen von Geld, das für staatliche Aufträge ausgegeben wird- ist für die Rüstungsindustrie genauso gefährlich wie für alle anderen Bereiche der Wirtschaft.

Gleichzeitig lässt Putin das sowjetische System der totalen ideologischen Lüge und des Terrors gegen Andersdenkende wieder aufleben. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Nichtregierungsorganisationen sind in Russland bereits liquidiert. Das gilt auch für die Geschichtswissenschaft (zumindest für die jüngere Geschichte).

Das politische System Putins ist jedoch nicht stabil. Es wurde für eine Person geschaffen, es hat keine Mechanismen für den Machtwechsel (ganz im Gegensatz zur UdSSR, wo der Mechanismus für den Machtwechsel ausgearbeitet wurde). Putin wird daher um jeden Preis an seiner Macht festhalten - für ihn ist es eine Frage von Leben und Tod. Er kann nur in zwei Fällen die Macht verlieren - entweder durch natürlichen Tod oder durch Ermordung bei einem Regierungsputsch im Kreml.

In beiden Fällen ist die weitere Entwicklung nicht vorhersehbar. Es könnte zu einem bewaffneten Kampf zwischen hochrangigen Mitgliedern des Staatsapparats und verschiedenen Sicherheitsgruppen kommen. Ein Bürgerkrieg ist unwahrscheinlich - es gibt erkennbar keine Spaltung zwischen sozialen Bewegungen mit unterschiedlichen politischen Ausrichtungen. Es gibt niemanden, der einen Bürgerkrieg organisieren könnte, und nichts, wofür man kämpfen könnte.

Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Russische Föderation in mehrere sehr großen unabhängigen Staaten zerfällt, wie es 1991 bei der UdSSR der Fall war (Tatarstan, Baschkirien, der Ural, Westsibirien, Ostsibirien, der Ferne Osten...) In dem Moment, in dem der Kreml ins Wanken gerät und die militärische Kontrolle über die Regionen gelockert wird, wird es zu Unruhen und separatistischen Bewegungen kommen, die alle Gesellschaftsschichten erfassen werden. Die lokalen Eliten, die nun gezwungen sind, sich Putin zu unterwerfen, werden es nicht mehr für nötig halten, Moskau zu füttern und den Befehlen des Kremls zu gehorchen.

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