Reinhard Weisshuhn

Ein Kommentar


Als 2004 in Kiew der erste Majdan stattfand, kritisierte Putin die von der CIA
inszenierten „Farbrevolutionen“. Es war klar: er hatte Angst vor einem Import von
Demokratie ins Sowjet-Reich – das Baltikum war schon verloren, aber nun wurde der
harte Kern des Russischen Reichs angegriffen.
Als nächstes wurde in Georgien die korrupte Schewardnadse-Regierung gestürzt.
Sofort wurden von Putin die seit 1992 abtrünnigen Provinzen Abchasien und Süd-
Ossetien instrumentalisiert. Als der neue georgische Präsident in der irrigen
Hoffnung auf Unterstützung durch die NATO 2008 Putin in Süd-Ossetien provozierte,
überrannte die russische Armee die Grenzen Rest-Georgiens und stand vor Tbilisi.
Sie zog sich zurück, blieb aber in einem Drittel Georgiens als „Friedenstruppen“
stationiert. Der Westen reagierte nicht - außer mit der Ablehnung eines NATO-
Beitritts Georgiens und der mittlerweile auf dem schweren Weg zur Demokratisierung
befindlichen Ukraine.
Deutschlands Regierung, namentlich Außenminister Steinmeier, beharrte auf dem
Kurs der „Strategischen Partnerschaft“ mit Russland. „Es gibt Frieden nur mit
Russland, nicht gegen es“, lautete die Formel. Erst der Druck der Realitäten führte
zur Änderung in „Modernisierungspartnerschaft“. Damit war Hilfe bei einer
ökonomischen und damit gesellschaftlichen Modernisierung Russlands gemeint.
Auch das stellte sich schnell als Fehlkalkulation heraus: Putin lehnte eine solche
Modernisierung ab. Denn sie hätte bedeutet, was gemeint war: die Gefahr einer
Demokratisierung Russlands.
Schließlich, 2014, zwang Putin den ukrainischen Präsidenten Janukowitsch, die
Unterschrift zum fertig ausgehandelten EU-Assoziationsvertrag zu verweigern. Es
folgte der zweite Majdan – eine demokratische Revolution in „russischem Kernland“.
Das war für Putin nicht hinnehmbar. Er besetzte die Krim und eroberte ein Drittel des
Donbas. Sein Ziel: die Destabilisierung der Ukraine zur Verhinderung einer
erfolgreichen Demokratisierung. Der Westen reagierte mit den beiden - von
Außenminister Steinmeier maßgeblich ausgehandelten - „Minsker Abkommen“.
Dieses sicherte Russland de facto die Okkupation der eroberten Gebiete zu, denn
seine Bedingungen waren real unerfüllbar und nicht kontrollierbar. Ein Münchner
Abkommen 2.0
Während all dessen baute die deutsche Energiewirtschaft mit massiver
Unterstützung der Großen Koalition aus CDU und SPD die Abhängigkeit von
russischen Gas- und Ölimporten aus. Das ging so weit, dass der lange vorhandene
Plan der Einrichtung einer Flüssiggas-Anlage in Deutschland systematisch
hintertrieben wurde – es gibt sie bis heute nicht. Eine Diversifizierung deutscher
Gasimporte wurde zu Gunsten Russlands gezielt sabotiert. Sogar die deutschen
Gasspeicher wurden Gazprom überlassen. Das ist nicht das Verdienst des Putin-
Lobbyisten Schröder, sondern Schuld der Großen Koalition.
Das Ergebnis ist ein Desaster. Deutschland ist ein ökonomischer Vasall Russlands
geworden. Jetzt müssen wir alle den Preis für dieses jahrzehntelange katastrophale
Versagen zahlen.
Kein verantwortlicher Politiker einer Regierungspartei bis zur letzten Wahl hat das
Problem erkannt. Experten wurden nicht gehört. Man glaubte, man könne mit Putin
verhandeln. Man kann, und man darf es nicht.


27. 2.2022  Reinhard Weißhuhn